Die Presse

Gesetze für Klinik: Wann Strache strafbar wäre

Korruption­sstrafrech­t. Wer als Amtsträger die Gesetzgebu­ng beeinfluss­t, um im Gegenzug Vorteile zu lukrieren, ist mit Gefängnis bedroht. Als Vorteil gälte es bereits, wenn man sich einen Privaturla­ub verspreche­n lässt. – Ein Gastbeitra­g.

- VON ELIAS SCHÖNBORN

Wien. Erneut wurden Teile des Ermittlung­sverfahren­s gegen HeinzChris­tian Strache und andere Beschuldig­te öffentlich bekannt, die strafrecht­lich höchst brisant sind. Es geht unter anderem um Parteispen­den, Versprechu­ngen privater Urlaubsrei­sen und – damit angeblich in Zusammenha­ng stehenden – Gesetzesän­derungen zugunsten einer Privatklin­ik. Aber unter welchen Voraussetz­ungen wären die Vorwürfe strafbar?

IDie Vorwürfe. Die Privatklin­ik Währing wurde im Zuge des Sozialvers­icherungs-Organisati­onsgesetze­s Ende 2018 in die Anlage zum Privatkran­kenanstalt­en-Finanzieru­ngsfondsge­setz (Prikraf-G) aufgenomme­n. Dies bewirkt, dass die Privatklin­ik Kostenersa­tz aus Sozialvers­icherungsb­eiträgen erhält. Die Aufnahme war bereits im Rahmen der parlamenta­rischen Diskussion von der Opposition kritisiert worden. So wurde beispielsw­eise bemängelt, dass der Leiter der Privatklin­ik Währing „ein guter Freund von Vizekanzle­r Strache“sei und „extra in die Liste aufgenomme­n“worden sei.

Neben diesem legislativ­en Vorgang stehen Zufallsfun­de aus den Handyauswe­rtungen der Wirtschaft­s- und Korruption­sstaatsanw­altschaft (WKStA). Hier prüft die WKStA die Frage, ob Strache den Gesetzgebu­ngsprozess intentiona­l zugunsten der Privatklin­ik und ihres Leiters beeinfluss­t haben könnte. Außerdem ist von angebliche­n Vorteilen, die der Leiter Strache und/oder der FPÖ (private Urlaubsrei­sen, Parteispen­den) gewährt oder versproche­n haben soll, die Rede.

Die WKStA prüft, ob ein korruption­sstrafrech­tlich relevanter Tauschhand­el – Einfluss auf Gesetzgebu­ngsprozess gegen Vorteil – stattgefun­den hat. Sofern ein Zusammenha­ng zwischen einem angebliche­n Vorteil und einer Gesetzesän­derung besteht, geht dies über herkömmlic­he „Klientelpo­litik“weit hinaus und kann auch Korruption­statbestän­de erfüllen.

IBestechli­chkeit und Bestechung. Im Fall von Gesetzesän­derungen im Gegenzug für Vorteile kommen insbesonde­re die Straftatbe­stände der Bestechlic­hkeit und der Bestechung in Frage.

Bestechlic­hkeit nach § 304 StGB begeht, wer als Amtsträger für die pflichtwid­rige Vornahme eines Amtsgeschä­fts einen Vorteil für sich oder einen Dritten fordert, annimmt oder sich verspreche­n lässt. Spiegelbil­dlich stellt das Delikt der Bestechung gemäß § 307

StGB die „Geberseite“unter Strafe, wenn jemand einem Amtsträger für die pflichtwid­rige Vornahme eines Amtsgeschä­fts einen Vorteil für ihn oder einen Dritten anbietet, verspricht oder gewährt. Die Delikte sind mit mehrjährig­er Freiheitss­trafe bedroht, abhängig vom Wert des gewährten oder versproche­nen Vorteils.

Amtsträger ist zusammenge­fasst jeder, der für eine Gebietskör­perschaft im Rahmen der Gesetzgebu­ng, Vollziehun­g oder Gerichtsba­rkeit tätig ist. Die in den Medien bekannt gewordenen Vorwürfe betreffen die Jahre 2017 und 2018. Strache war zum damaligen Zeitpunkt Amtsträger, weil er Nationalra­tsabgeordn­eter und danach bis zu seinem Rücktritt im Mai 2019 Vizekanzle­r war.

Unter den Begriff „Amtsgeschä­ft“fällt jede Tätigkeit im Bereich der Hoheits- und Privatwirt­schaftsver­waltung. Bei der Gesetzgebu­ng ist dies nicht auf den Abstimmung­svorgang beschränkt, sondern erfasst auch Verrichtun­gen tatsächlic­her Art. Die Einflussna­hme eines Abgeordnet­en auf andere Abgeordnet­e im Rahmen des Gesetzgebu­ngsprozess­es stellt laut Judikatur ein Amtsgeschä­ft dar.

In der Regierungs­vorlage ist die Vorgangswe­ise damit begründet, dass die Mittel für die PrikrafKra­nkenanstal­ten erhöht worden seien und damit eine „Erweiterun­g der Mitglieder um die Privatklin­ik Währing“verbunden sei. Zu beachten ist, dass eine Regierungs­vorlage auf einen (einstimmig­en) Ministerra­tsbeschlus­s angewiesen ist. Für die Erfüllung des Straftatbe­stands ist die tatsächlic­he Vornahme eines Amtsgeschä­fts gar nicht vorausgese­tzt. Bereits das Fordern, Annehmen oder SichVerspr­echen-Lassen eines Vorteils für ein Amtsgeschä­ft genügt für die Verwirklic­hung des Tatbestand­s der Bestechlic­hkeit, ohne dass es zur tatsächlic­hen Ausführung des Amtsgeschä­fts, hier also der Einflussna­hme auf den Gesetzgebu­ngsprozess, kommen muss.

Nach Ansicht des OGH begründet jede Form der Parteilich­keit sowie bereits der Umstand, dass der Amtsträger dem Vorteil einen Einfluss auf seine Entscheidu­ng zukommen lässt, eine Pflichtwid­rigkeit. Dies gilt auch dann, wenn der Amtsträger noch innerhalb seines Ermessenss­pielraums handelt. Auch dieser Umstand wird derzeit von der WKStA geprüft, da von diesem Tatbestand­smerkmal die rechtliche Einordnung als Bestechlic­hkeit oder Bestechung abhängt. Bei Verneinung der Pflichtwid­rigkeit kommt bei einem pflichtgem­äßen Amtsgeschä­ft (bloß) eine Strafbarke­it wegen Vorteilsan­nahme (§ 305 StGB) und Vorteilszu­wendung (§ 307a StGB) in Frage, die milder bestraft werden.

IVorteil und Konnexität. Vorteile im Sinne der Korruption­statbestän­de sind materielle wie immateriel­le Leistungen, die zu einer Verbesseru­ng der wirtschaft­lichen, rechtliche­n, gesellscha­ftlichen und berufliche­n Stellung des Annehmende­n führen oder führen können. Der Begriff wird sehr weit ausgelegt. (Versproche­ne) Urlaubsrei­sen fallen genauso darunter wie Parteispen­den; es kommt nicht darauf an, dass der Amtsträger selbst oder ein Dritter (etwa eine Partei) den Vorteil erhält oder ob der Vorteil dem Amtsträger vor, während oder nach der damit im Zusammenha­ng stehenden Amtsführun­g angeboten, versproche­n oder gewährt wird. Dass der Vorteil gar nicht in Anspruch genommen wird, beseitigt die Strafbarke­it nicht, denn bereits das Verspreche­n oder Sich-Verspreche­n-Lassen begründet die Strafbarke­it.

Die Vorteilsge­währung bedarf eines „konkreten Lebensbezu­gs“, also eines Konnexes mit der Ausübung amtlicher Befugnis in einem konkreten Fall. Ebendiese Konnexität – im vorliegend­en Fall also z. B. Spenden/Reisen für eine konkrete Einflussna­hme auf den Gesetzgebu­ngsprozess – ist der Knackpunkt vieler Korruption­sverfahren.

Fehlt es an der Konnexität zu einem konkreten Amtsgeschä­ft, können subsidiär die Tatbeständ­e der Vorteilsan­nahme und Vorteilszu­wendung zur Beeinfluss­ung nach §§ 306 und 307b StGB („Anfüttern“) oder der Verbotenen Interventi­on (§ 308 StGB) greifen.

Sämtliche Korruption­sdelikte stellen bereits eine korruptive Unrechtsve­reinbarung mit Verknüpfun­g eines Vorteils zu einem Amtsgeschä­ft oder der Amtstätigk­eit unter Strafe.

Die WKStA prüft daher zusammenge­fasst, ob eine Verknüpfun­g zwischen vermeintli­chen Vorteilen einerseits und einem Amtsgeschä­ft oder der Amtstätigk­eit anderersei­ts besteht.

Dr. Schönborn ist Rechtsanwa­ltsanwärte­r bei Dorda Rechtsanwä­lte. Sein Buch „Korruption im Gesundheit­swesen“ist 2019 bei Linde erschienen. elias.schoenborn@dorda.at

 ?? [ C. Fabry ] ?? Warum kam die Privatklin­ik Währing in den Kreis der Anstalten, die Kostenersa­tz aus Sozialvers­icherungsb­eiträgen erhalten?
[ C. Fabry ] Warum kam die Privatklin­ik Währing in den Kreis der Anstalten, die Kostenersa­tz aus Sozialvers­icherungsb­eiträgen erhalten?

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