Schärferer Blick auf ausländische Investitionen
Gastbeitrag. Die Coronakrise hat gezeigt, wie problematisch es ist, wenn die Versorgung mit dringend benötigten Waren und Dienstleistungen von ausländischen Akteuren abhängt. Die Koalition will mit einem Gesetzesentwurf gegensteuern.
Wien. Beschleunigt durch die Covid-19-Krise und eine dadurch geänderte Sicht auf die Notwendigkeit des Schutzes wichtiger nationaler Infrastrukturen vor Übernahme durch ausländische Investoren, insbesondere ausländische Staatsfonds, ist auch in Österreich wieder Bewegung in die Diskussion zur Schaffung einer verschärften Investitionskontrolle gekommen. Nun wurde dem Parlament der Entwurf eines Investitionskontrollgesetzes vorgelegt. Die Begutachtungsfrist endet am 12. Juni 2020.
Schon bisher benötigen Direktinvestitionen von Nicht-EWR (oder Nicht-Schweizer)-Investoren in österreichische Unternehmen in bestimmten (kritischen) Wirtschaftsbereichen ab einer Beteiligung von 25% eine Genehmigung des Wirtschaftsministeriums. Nun wird die bisher relativ knapp im Außenwirtschaftsgesetz geregelte Investitionskontrolle in ein eigenes Gesetz gegossen; der Überprüfungsmechanismus wird stark ausgedehnt und überarbeitet.
Mehr Sektoren erfasst
Die wesentlich erweiterte (im Gesetz nur beispielhafte) Liste an heiklen Wirtschaftssektoren, die zukünftig dem Genehmigungsregime unterworfen werden sollen, umfasst nun etwa zusätzlich Datenverarbeitung und -speicherung, Künstliche Intelligenz, diverse Technologien, Versorgung mit Lebensmitteln, Arzneimitteln, Impfstoffen und die Freiheit und Pluralität der Medien. Zusätzlich gibt es eine Gruppe abschließend aufgezählter „besonders sensibler“Wirtschaftsbereiche. Dazu gehören Verteidigungsgüter und -technologien, kritische Energie- und digitale Infrastruktur (insbesondere 5G Infrastruktur), Wasser, Systeme, die die Datensouveränität Österreichs gewährleisten, und, wohl beflügelt durch Covid-19, Forschung/Entwicklung für Arzneimittel, Impfstoffe, Medizinprodukte und persönliche Schutzausrüstung. Angesichts der geplanten Erweiterung kritischer Sektoren unter gleichzeitig nur beispielhafter Aufzählung wird es wohl anfangs aus Gründen der Rechtssicherheit deutlich mehr Unbedenklichkeitsund Genehmigungsanträge beim Wirtschaftsministerium geben.
Klargestellt werden soll, dass die Genehmigungspflicht nun unabhängig von einem konkreten Schwellenwert an Stimmrechten auch für den Erwerb eines sonstigen beherrschenden Einflusses und für Asset-Deal-Strukturen gilt, also solchen, wo nur bestimmte Betriebsbereiche gekauft werden. Auch der mittelbare Erwerb kann eine Genehmigungspflicht auslösen, also zum Beispiel Käufe durch EU/EWR-Vehikel mit dahinter stehendem wirtschaftlichen Eigentümer aus einem Drittstaat. Kritisch erscheint, dass wie bisher leider kein klarer Kriterienkatalog vorgesehen ist, wann umfasste Erwerbsvorgänge genehmigt werden. Das Gesetz spricht nur von einer Gefährdung der nationalen Sicherheit und Ordnung, die einer Genehmigung entgegenstehen würde. Der behördliche Entscheidungsspielraum ist daher schwer abgrenzbar. Eine Rolle soll auch spielen, ob der Erwerber ein staatliches oder staatsnahes Unternehmen ist oder etwa bisher an gefährdenden oder illegalen Aktivitäten beteiligt war.
Wirtschaftsministerin Margarete Schramböck (ÖVP) hat einen Gesetzesentwurf vorgelegt, mit dem heimische Firmen vor Übernahmen aus dem Ausland geschützt werden sollen. Im Vergleich zu bisher werden deutlich mehr Wirtschaftsbereiche erfasst und die Schwellenwerte gesenkt. Ein klarer Kriterienkatalog für die Genehmigung fehlt weiterhin. Diesen Freitag endet die Begutachtungsfrist.
Für Erwerbe in den besonders sensiblen Sektoren besteht neuerdings bereits bei einem Erwerb von zehn Prozent der Stimmrechte eine Genehmigungspflicht. Weitere Anträge müssen gestellt werden, wenn die Anteile auf 25% und 50% aufgestockt werden. Für die übrigen umfassten Wirtschaftsbereiche sind Genehmigungen für Anteilserwerbe von 25% und 50% einzuholen.
Vorheriger Vertragsabschluss
Genehmigungsanträge sollen nun unverzüglich nach Abschluss des schuldrechtlichen Vertrages über einen Unternehmenserwerb bzw. eine Beteiligung und nicht wie bisher schon vor Vertragsabschluss gestellt werden (was regelmäßig zu Problemen bei der zu wahrenden Vertraulichkeit und dem oft engen Zeitplan bei Unternehmenserwerben geführt hat). Dadurch sollte die Erlangung der Genehmigung (wie in anderen Ländern üblich) nun auch als Vorbedingung für das spätere Closing vorgesehen werden können.
„Anschleichen“wird erschwert
Die primäre Verantwortung für die Einbringung eines Genehmigungsantrages liegt nach wie vor beim Erwerber. Neu ist, dass das Wirtschaftsministerium das Zielunternehmen über einen solchen Antrag informiert (und damit wohl allfällige feindliche Übernahmeversuche durch sogenanntes „Anschleichen“erschweren will).
Das Genehmigungsverfahren in der ersten Prüfphase dauert aufgrund einer verpflichtend einzuräumenden Stellungnahme an die EU-Kommission und andere Mitgliedstaaten im Vergleich zum Status quo (ein Monat) jedenfalls um 15, maximal um 40 Tage länger.
Bei Verstößen sieht der Gesetzesentwurf neben zivil- und strafrechtlichen Sanktionen vor allem die Nichtigkeit des Erwerbsvorgangs vor.
Der Schutz österreichischer (und europäischer) Interessen ist per se ein legitimes wirtschaftliches und politisches Ziel. Dennoch müssen derartige Investitionskontrollen auch sorgfältig gegen die Förderung ausländischer Investitionen in Österreich abgewogen werden. Direktinvestitionen bieten auch Chancen für heimische Unternehmen und fördern Wirtschaftswachstum und Produktivität. Inwieweit das Investitionsklima – und vor allem die vor Covid-19 zuletzt starken ausländischen Investitionstätigkeiten – in Österreich durch das neue Gesetz gehemmt werden, bleibt abzuwarten. Klar ist, dass in Zukunft mit einer größeren Anzahl und längeren Prüfverfahren zu rechnen ist, die bei Investitionsprojekten in Österreich durch Nicht-EWR-Investoren einzuplanen sind.
Dr. Stephan Denk ist Rechtsanwalt und Partner, Dr. Lukas Bauer ist Rechtsanwalt und MMag. Iris Hammerschmid ist Rechtsanwaltsanwärterin bei Freshfields Bruckhaus Deringer in Wien.