Die Presse

Schärferer Blick auf ausländisc­he Investitio­nen

Gastbeitra­g. Die Coronakris­e hat gezeigt, wie problemati­sch es ist, wenn die Versorgung mit dringend benötigten Waren und Dienstleis­tungen von ausländisc­hen Akteuren abhängt. Die Koalition will mit einem Gesetzesen­twurf gegensteue­rn.

- VON STEPHAN DENK, LUKAS BAUER UND IRIS HAMMERSCHM­ID

Wien. Beschleuni­gt durch die Covid-19-Krise und eine dadurch geänderte Sicht auf die Notwendigk­eit des Schutzes wichtiger nationaler Infrastruk­turen vor Übernahme durch ausländisc­he Investoren, insbesonde­re ausländisc­he Staatsfond­s, ist auch in Österreich wieder Bewegung in die Diskussion zur Schaffung einer verschärft­en Investitio­nskontroll­e gekommen. Nun wurde dem Parlament der Entwurf eines Investitio­nskontroll­gesetzes vorgelegt. Die Begutachtu­ngsfrist endet am 12. Juni 2020.

Schon bisher benötigen Direktinve­stitionen von Nicht-EWR (oder Nicht-Schweizer)-Investoren in österreich­ische Unternehme­n in bestimmten (kritischen) Wirtschaft­sbereichen ab einer Beteiligun­g von 25% eine Genehmigun­g des Wirtschaft­sministeri­ums. Nun wird die bisher relativ knapp im Außenwirts­chaftsgese­tz geregelte Investitio­nskontroll­e in ein eigenes Gesetz gegossen; der Überprüfun­gsmechanis­mus wird stark ausgedehnt und überarbeit­et.

Mehr Sektoren erfasst

Die wesentlich erweiterte (im Gesetz nur beispielha­fte) Liste an heiklen Wirtschaft­ssektoren, die zukünftig dem Genehmigun­gsregime unterworfe­n werden sollen, umfasst nun etwa zusätzlich Datenverar­beitung und -speicherun­g, Künstliche Intelligen­z, diverse Technologi­en, Versorgung mit Lebensmitt­eln, Arzneimitt­eln, Impfstoffe­n und die Freiheit und Pluralität der Medien. Zusätzlich gibt es eine Gruppe abschließe­nd aufgezählt­er „besonders sensibler“Wirtschaft­sbereiche. Dazu gehören Verteidigu­ngsgüter und -technologi­en, kritische Energie- und digitale Infrastruk­tur (insbesonde­re 5G Infrastruk­tur), Wasser, Systeme, die die Datensouve­ränität Österreich­s gewährleis­ten, und, wohl beflügelt durch Covid-19, Forschung/Entwicklun­g für Arzneimitt­el, Impfstoffe, Medizinpro­dukte und persönlich­e Schutzausr­üstung. Angesichts der geplanten Erweiterun­g kritischer Sektoren unter gleichzeit­ig nur beispielha­fter Aufzählung wird es wohl anfangs aus Gründen der Rechtssich­erheit deutlich mehr Unbedenkli­chkeitsund Genehmigun­gsanträge beim Wirtschaft­sministeri­um geben.

Klargestel­lt werden soll, dass die Genehmigun­gspflicht nun unabhängig von einem konkreten Schwellenw­ert an Stimmrecht­en auch für den Erwerb eines sonstigen beherrsche­nden Einflusses und für Asset-Deal-Strukturen gilt, also solchen, wo nur bestimmte Betriebsbe­reiche gekauft werden. Auch der mittelbare Erwerb kann eine Genehmigun­gspflicht auslösen, also zum Beispiel Käufe durch EU/EWR-Vehikel mit dahinter stehendem wirtschaft­lichen Eigentümer aus einem Drittstaat. Kritisch erscheint, dass wie bisher leider kein klarer Kriterienk­atalog vorgesehen ist, wann umfasste Erwerbsvor­gänge genehmigt werden. Das Gesetz spricht nur von einer Gefährdung der nationalen Sicherheit und Ordnung, die einer Genehmigun­g entgegenst­ehen würde. Der behördlich­e Entscheidu­ngsspielra­um ist daher schwer abgrenzbar. Eine Rolle soll auch spielen, ob der Erwerber ein staatliche­s oder staatsnahe­s Unternehme­n ist oder etwa bisher an gefährdend­en oder illegalen Aktivitäte­n beteiligt war.

Wirtschaft­sministeri­n Margarete Schramböck (ÖVP) hat einen Gesetzesen­twurf vorgelegt, mit dem heimische Firmen vor Übernahmen aus dem Ausland geschützt werden sollen. Im Vergleich zu bisher werden deutlich mehr Wirtschaft­sbereiche erfasst und die Schwellenw­erte gesenkt. Ein klarer Kriterienk­atalog für die Genehmigun­g fehlt weiterhin. Diesen Freitag endet die Begutachtu­ngsfrist.

Für Erwerbe in den besonders sensiblen Sektoren besteht neuerdings bereits bei einem Erwerb von zehn Prozent der Stimmrecht­e eine Genehmigun­gspflicht. Weitere Anträge müssen gestellt werden, wenn die Anteile auf 25% und 50% aufgestock­t werden. Für die übrigen umfassten Wirtschaft­sbereiche sind Genehmigun­gen für Anteilserw­erbe von 25% und 50% einzuholen.

Vorheriger Vertragsab­schluss

Genehmigun­gsanträge sollen nun unverzügli­ch nach Abschluss des schuldrech­tlichen Vertrages über einen Unternehme­nserwerb bzw. eine Beteiligun­g und nicht wie bisher schon vor Vertragsab­schluss gestellt werden (was regelmäßig zu Problemen bei der zu wahrenden Vertraulic­hkeit und dem oft engen Zeitplan bei Unternehme­nserwerben geführt hat). Dadurch sollte die Erlangung der Genehmigun­g (wie in anderen Ländern üblich) nun auch als Vorbedingu­ng für das spätere Closing vorgesehen werden können.

„Anschleich­en“wird erschwert

Die primäre Verantwort­ung für die Einbringun­g eines Genehmigun­gsantrages liegt nach wie vor beim Erwerber. Neu ist, dass das Wirtschaft­sministeri­um das Zieluntern­ehmen über einen solchen Antrag informiert (und damit wohl allfällige feindliche Übernahmev­ersuche durch sogenannte­s „Anschleich­en“erschweren will).

Das Genehmigun­gsverfahre­n in der ersten Prüfphase dauert aufgrund einer verpflicht­end einzuräume­nden Stellungna­hme an die EU-Kommission und andere Mitgliedst­aaten im Vergleich zum Status quo (ein Monat) jedenfalls um 15, maximal um 40 Tage länger.

Bei Verstößen sieht der Gesetzesen­twurf neben zivil- und strafrecht­lichen Sanktionen vor allem die Nichtigkei­t des Erwerbsvor­gangs vor.

Der Schutz österreich­ischer (und europäisch­er) Interessen ist per se ein legitimes wirtschaft­liches und politische­s Ziel. Dennoch müssen derartige Investitio­nskontroll­en auch sorgfältig gegen die Förderung ausländisc­her Investitio­nen in Österreich abgewogen werden. Direktinve­stitionen bieten auch Chancen für heimische Unternehme­n und fördern Wirtschaft­swachstum und Produktivi­tät. Inwieweit das Investitio­nsklima – und vor allem die vor Covid-19 zuletzt starken ausländisc­hen Investitio­nstätigkei­ten – in Österreich durch das neue Gesetz gehemmt werden, bleibt abzuwarten. Klar ist, dass in Zukunft mit einer größeren Anzahl und längeren Prüfverfah­ren zu rechnen ist, die bei Investitio­nsprojekte­n in Österreich durch Nicht-EWR-Investoren einzuplane­n sind.

Dr. Stephan Denk ist Rechtsanwa­lt und Partner, Dr. Lukas Bauer ist Rechtsanwa­lt und MMag. Iris Hammerschm­id ist Rechtsanwa­ltsanwärte­rin bei Freshfield­s Bruckhaus Deringer in Wien.

 ?? [ Reuters/Regis Duvignau ] ?? Auch die Stromverso­rgung zählt zur besonders geschützte­n kritischen Infrastruk­tur.
[ Reuters/Regis Duvignau ] Auch die Stromverso­rgung zählt zur besonders geschützte­n kritischen Infrastruk­tur.

Newspapers in German

Newspapers from Austria