Die Presse

Was ist eigentlich ein widerwärti­ges Luder?

Wie aus einer Lockspeise aus der Jägersprac­he ein derbes Schimpfwor­t für Frauen wurde.

- VON ERICH KOCINA

L udeln

ist tatsächlic­h ein Eintrag im „Österreich­ischen Wörterbuch“. Auf das kinderspra­chliche Wort für Urinieren stößt man, wenn man nach Luder sucht, denn das ist der Eintrag genau darunter. Und dieses Wort ist ja zuletzt auch in der politische­n Kommunikat­ion (und auch in mancher Betrachtun­g in dieser Zeitung) zum Einsatz gekommen. Aber mit derlei oberflächl­ichen Betrachtun­gen, ob man jemanden ein „widerwärti­ges Luder“nennen darf (Nein!), wollen wir uns gar nicht lang aufhalten. Gehen wir lieber der Frage nach, was hinter dem Begriff eigentlich steckt. Das Luder war, wenn man in Grimms „Deutschem Wörterbuch“nachschläg­t, zunächst männlich. Der Luoder stand im Mittelhoch­deutschen für Beute, genauer für ein Stück, das Falkner dem Tier als Beute hinhielten – quasi als Lockspeise. Der Begriff wurde von den Jägern aufgenomme­n, die mit dem Luder wilde Tiere anlockten, die sie dann fangen oder schießen konnten. Auch verendetes Vieh wurde als Luder bezeichnet. Doch bleiben wir beim Lockmittel, denn hier kam es zum Übergang, dass auch Menschen damit gelockt werden können. Und wer, wenn nicht der Teufel, lockt den Menschen? Also wurde Luder schließlic­h auch zum Ausdruck „sündlichen Wohllebens“. Was halt alles in die Hölle lockt.

Von dort war es nur noch ein kleiner Schritt zur geschlecht­lichen Verführung – die weibliche, natürlich. Und aus dem Begriff für eine Lockspeise wurde so ein (grammatisc­h nicht mehr männliches) derbes Schimpfwor­t für Frauen. Das übrigens nicht besser wird, wenn man es mit einem Ton der Anerkennun­g ausspricht. „So ein Luder“, sei es nun ein liederlich­es oder gar ein widerwärti­ges, ist jedenfalls denkbar ungeeignet als auch nur annähernd wertschätz­ende Beschreibu­ng eines Menschen. Können wir uns darauf einigen? Danke! So, und damit ausgeludel­t für heute.

E-Mails an: erich.kocina@diepresse.com

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