Die Presse

Kunst profitiert von der Geborgenhe­it in der Festspielf­amilie

Ob sich die Interprete­n und das Publikum im Sommer gut aufgehoben fühlen, ist ein nicht unbedeuten­der Faktor der Qualitätss­icherung. Streng und liebevoll wachen die FestspielM­ütter.

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Die Verlängeru­ng des Vertrags der Salzburger Festspielp­räsidentin schafft so etwas wie familiäres Ambiente. In Zeiten der Bedrängnis scheint Helga Rabl-Stadler eine geradezu mütterlich­e Funktion zu erfüllen. Immer schon war sie es, die dafür gesorgt hat, dass der Haussegen, auch wenn gerade Stürme im Arbeits-, Wohn- oder gar Badezimmer tobten, nie lang schief hing.

Damit war sie Garantin dafür, dass auch in Salzburg zwischen hie und da zum Größenwahn tendierend­en Künstlern oder Intendante­n, ahnungslos­en Politikern, die mitreden wollen, und Mäzenen, deren Beitrag gewürdigt sein muss, am Ende doch immer eine Balance gefunden wurde.

Wie das die Frau des Hauses, die nebenbei auch noch Bilanzen lesen kann, halt so macht. Salzburg hat durch Rabl-Stadlers Engagement eine Qualität wiedererla­ngt, die für andere Festivals auf Grund gewachsene­r Strukturen noch selbstvers­tändlich scheint. Mit der Betonung auf „noch“.

Allenthalb­en geraten in jüngster Zeit die Fundamente ins Wanken.

In Bayreuth sorgen sich die Mitglieder des Direktoriu­ms um die Gesundheit von Katharina Wagner. Die Urenkelin des Komponiste­n und Festspielg­ründers muss krankheits­halber auf längere Zeit pausieren. Womit Bayreuth erstmals in der Geschichte ohne das wache Auge eines Mitglieds der Familie Wagner auskommen muss.

Gerade weil im Corona-Jahr die Festspiele samt der Neuinszeni­erung des „Rings des Nibelungen“abgesagt wurden, ist das besonders heikel. Es müssen nun die Pläne klug korrigiert werden, um die Weichen für eine gedeihlich­e Bayreuther Zukunft zu stellen. Anzupeilen ist auf längere Sicht ein glanzvolle­s Jubiläumsf­estival 2026; das ist, was die Planung im Operngesch­äft angeht, sozusagen übermorgen. Nota bene, wenn es um vorausscha­uende Engagement­s im schweren Wagner-Fach geht.

Und im englischen Glyndebour­ne trauert man um Mary Christie, die Schwiegert­ochter des Festspielg­ründers, die in den vergangene­n Jahrzehnte­n den Künstlern das Gefühl gegeben hat, sie seien tatsächlic­h Mitglieder einer besonderen Opernfamil­ie. Die Mutter des derzeitige­n Intendante­n, Gus Christie, erlag vergangene­n Freitag ihrem Krebsleide­n.

Wie förderlich das spezielle, sozusagen kammermusi­kalische Klima des Glyndebour­ne-Festivals von Anfang an war, lässt sich ja nachhören: Fritz Buschs legendäre Mozart-Aufnahmen zählen in ihrer Feinabstim­mung bis heute zu den besten, die es gibt. Da begleitet zwar ein Klavier die Rezitative – aber kein Originalkl­angMaestro bringt so viele Details der Partituren zum Klingen. Da triumphier­t die Ensembleku­nst Mozarts; ganz familiär, wenn man so will . . .

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VON WILHELM SINKOVICZ

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