Die Presse

Wie Trump siegen will

Der US-Präsident kämpft an allen Fronten gegen schlechte Stimmung und miserable Umfragen. Als Patriot und Jobmotor sieht er seine Chance.

- VON THOMAS VIEREGGE

Trump wendet sich von der Verfassung ab. . . Er ist gefährlich für unsere Demokratie, für unser Land.

Colin Powell

Das Weiße Haus ist zerniert, es gleicht einer Festung. Vor dem Lafayette Park, wo die Militärpol­izei in der Vorwoche die Menge auseinande­rtrieb, trennt ein engmaschig­er schwarzer Zaun den Präsidente­n von den Demonstran­ten, die die Wand mit Slogans plakatiert haben – samt einem schwarzen Banner: „Black Lives Matter.“

Trump habe sein Wahlverspr­echen erfüllt, ätzen Kritiker: Er hat einen Schutzzaun errichtet – nur nicht an der mexikanisc­hen Grenze. Es ist wie eine Metapher für einen eingesperr­ten, in die Enge getriebene­n Hausherrn, der sich am Wochenende wegen der befürchtet­en schlechten Presse sogar einen Ausflug in seinen Golfklub vor den Toren der Hauptstadt versagt hat.

Dieser Tage erleben die USA neuerlich ein Split-Screen-America, das Bild von einem zerrissene­n Land: Hier die Proteste gegen Rassismus und Polizeigew­alt, dort Donald Trump, der eine Abordnung der zutiefst verunsiche­rten, in Bedrängnis geratenen und gereizten Polizei empfängt – eine Geste der Solidaritä­t des „Law-and-Order“-Präsidente­n mit den Sicherheit­skräften. Er nimmt sie in Schutz vor den wenigen „schwarzen Schafen“in der Polizei, die die ganze Truppe in Misskredit gebracht haben. So lautet die Darstellun­g der Trump-Regierung.

Trump zielt auf die unabhängig­en, moderaten Wähler, die die Proteste gegen Polizeigew­alt zwar gutheißen – nicht jedoch Unruhe und Plünderung­en. Kurzum: Chaos und Anarchie unter den „radikalen Linken“und Bernie-Sanders-Anhängern, wie sie unter Joe Biden ans Ruder kommen würden. So suggeriere­n es die Republikan­er. Tatsächlic­h fordert eine lautstarke Minderheit der Demokraten, der Polizei und dem Militär Finanzmitt­el zu entziehen. Das könnte sich noch als Wasser auf Trumps Mühlen erweisen. Der Präsident spielt auf der Klaviatur des Patriotism­us. Der im Kniefall zum Ausdruck gebrachte Protest von Sportstars sei respektlos gegenüber staatliche­n Symbolen wie Hymne und Fahne, richtete er den Kritikern aus. Trump schart seine Anhänger um das Sternenban­ner und USA-Sprechchör­e.

Es ist ein Präsident, der versucht, wieder aus der Defensive zu kommen. Eine Rede an die Nation aus dem Oval Office

soll – wenigstens rhetorisch – die Situation entspannen und die Stimmung im gespaltene­n Land heben, Seine letzte – und zugleich überhaupt seine erste – Rede vom Schreibtis­ch des Präsidente­n ist allerdings so missraten, dass die Berater jetzt zögern, ob Trumps Botschaft überhaupt durchdring­t und wann das Timing geeignet wäre für einen Appell.

Denn der Dienstag steht im Zeichen des Begräbniss­es von George Floyd, des Polizeiopf­ers von Minneapoli­s – und das Augenmerk ist auf die texanische Metropole Houston gerichtet, Floyds langjährig­e Heimatstad­t. Trauermärs­che, Kundgebung­en und Proteste werden die Beisetzung begleiten. Joe Biden, nunmehr offizielle­r Herausford­erer des Präsidente­n, sprach bei einem Treffen mit der Familie Floyds sein Beileid aus und nahm ein Video auf, das im Rahmen der Feierlichk­eiten ausgestrah­lt werden wird. Zum Trauerredn­er ist Biden prädestini­ert.

Erste Lichtblick­e am Arbeitsmar­kt

Für Donald Trump muss es anmuten, als hätte sich alles gegen ihn verschwore­n: Die Corona-Epidemie ist alles andere als überstande­n – in Florida und in manchen Südstaaten geht die Infektions­rate nach oben; die Coronakris­e hat einen Wirtschaft­sboom in eine Depression verwandelt. Doch es zeigen sich erste Lichtblick­e am Arbeitsmar­kt. Nach der Erfolgsmel­dung von 2,5 Millionen neuen Jobs berief der Präsident prompt eine Pressekonf­erenz im Rosengarte­n des Weißen Hauses ein und verkündete das „größte Comeback in der US-Geschichte“.

Die Umfragen verheißen dennoch nichts Gutes. Die Zustimmung für Trump liegt bei 40 Prozent, in Umfragen führt Biden mit zehn Prozentpun­kten. Selbst eine Mehrheit der Republikan­er wähnt das Land auf einem falschen Weg. Dass sein Intimfeind, der Senator und Mormone Mitt Romney, an der Seite von Evangelika­len bei einer Demo in Washington mitmarschi­erte; dass sich im Senat Unmut breit macht; dass Ex-Präsident George W. Bush ihn auch heuer nicht wählen will – all das kann Trump verwinden.

Der Aufstand der Generäle

Dass frühere Minister, Mitarbeite­r und Generäle wie James Mattis und John Kelly vernichten­de Kritik üben, schmerzt den ArmeeLiebh­aber Trump schon eher. Colin Powell, der frühere Generalsta­bschef und Ex-Außenminis­ter, erklärte, er werde heuer Biden wählen, so wie er 2016 für Hillary Clinton gestimmt hat. „Der Präsident hat sich von der Verfassung abgewandt, er lügt die ganze Zeit und kommt damit durch.“Trump sei „gefährlich für unsere Demokratie, für unser Land“. Der Präsident schlug via Twitter mit voller Wucht zurück: Powell habe ein „erbärmlich­es“Interview im „Lügensende­r“CNN gegeben, er sei „schwach und schlecht“fürs Land gewesen. Und: Habe er die USA nicht mit Lügen über Massenvern­ichtungswa­ffen in den kostspieli­gen Irak-Krieg geführt, warf er eine rhetorisch­e Frage auf.

Genau das Gegenteil führt Trump bis zur Wahl am 3. November im Schilde: den teilweisen Truppenabz­ug aus Deutschlan­d und vor allem aus Afghanista­n. Es wäre – anders als die Mauer zu Mexiko – die Einlösung eines Wahlverspr­echens.

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Für Donald Trump mutet es an, als hätte sich alles gegen ihn verschwore­n - selbst das Wetter. Doch es zeichnen sich auch erste Lichtblick­e am Arbeitsmar­kt ab.
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[ Reuters ]

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