Wie Trump siegen will
Der US-Präsident kämpft an allen Fronten gegen schlechte Stimmung und miserable Umfragen. Als Patriot und Jobmotor sieht er seine Chance.
Trump wendet sich von der Verfassung ab. . . Er ist gefährlich für unsere Demokratie, für unser Land.
Colin Powell
Das Weiße Haus ist zerniert, es gleicht einer Festung. Vor dem Lafayette Park, wo die Militärpolizei in der Vorwoche die Menge auseinandertrieb, trennt ein engmaschiger schwarzer Zaun den Präsidenten von den Demonstranten, die die Wand mit Slogans plakatiert haben – samt einem schwarzen Banner: „Black Lives Matter.“
Trump habe sein Wahlversprechen erfüllt, ätzen Kritiker: Er hat einen Schutzzaun errichtet – nur nicht an der mexikanischen Grenze. Es ist wie eine Metapher für einen eingesperrten, in die Enge getriebenen Hausherrn, der sich am Wochenende wegen der befürchteten schlechten Presse sogar einen Ausflug in seinen Golfklub vor den Toren der Hauptstadt versagt hat.
Dieser Tage erleben die USA neuerlich ein Split-Screen-America, das Bild von einem zerrissenen Land: Hier die Proteste gegen Rassismus und Polizeigewalt, dort Donald Trump, der eine Abordnung der zutiefst verunsicherten, in Bedrängnis geratenen und gereizten Polizei empfängt – eine Geste der Solidarität des „Law-and-Order“-Präsidenten mit den Sicherheitskräften. Er nimmt sie in Schutz vor den wenigen „schwarzen Schafen“in der Polizei, die die ganze Truppe in Misskredit gebracht haben. So lautet die Darstellung der Trump-Regierung.
Trump zielt auf die unabhängigen, moderaten Wähler, die die Proteste gegen Polizeigewalt zwar gutheißen – nicht jedoch Unruhe und Plünderungen. Kurzum: Chaos und Anarchie unter den „radikalen Linken“und Bernie-Sanders-Anhängern, wie sie unter Joe Biden ans Ruder kommen würden. So suggerieren es die Republikaner. Tatsächlich fordert eine lautstarke Minderheit der Demokraten, der Polizei und dem Militär Finanzmittel zu entziehen. Das könnte sich noch als Wasser auf Trumps Mühlen erweisen. Der Präsident spielt auf der Klaviatur des Patriotismus. Der im Kniefall zum Ausdruck gebrachte Protest von Sportstars sei respektlos gegenüber staatlichen Symbolen wie Hymne und Fahne, richtete er den Kritikern aus. Trump schart seine Anhänger um das Sternenbanner und USA-Sprechchöre.
Es ist ein Präsident, der versucht, wieder aus der Defensive zu kommen. Eine Rede an die Nation aus dem Oval Office
soll – wenigstens rhetorisch – die Situation entspannen und die Stimmung im gespaltenen Land heben, Seine letzte – und zugleich überhaupt seine erste – Rede vom Schreibtisch des Präsidenten ist allerdings so missraten, dass die Berater jetzt zögern, ob Trumps Botschaft überhaupt durchdringt und wann das Timing geeignet wäre für einen Appell.
Denn der Dienstag steht im Zeichen des Begräbnisses von George Floyd, des Polizeiopfers von Minneapolis – und das Augenmerk ist auf die texanische Metropole Houston gerichtet, Floyds langjährige Heimatstadt. Trauermärsche, Kundgebungen und Proteste werden die Beisetzung begleiten. Joe Biden, nunmehr offizieller Herausforderer des Präsidenten, sprach bei einem Treffen mit der Familie Floyds sein Beileid aus und nahm ein Video auf, das im Rahmen der Feierlichkeiten ausgestrahlt werden wird. Zum Trauerredner ist Biden prädestiniert.
Erste Lichtblicke am Arbeitsmarkt
Für Donald Trump muss es anmuten, als hätte sich alles gegen ihn verschworen: Die Corona-Epidemie ist alles andere als überstanden – in Florida und in manchen Südstaaten geht die Infektionsrate nach oben; die Coronakrise hat einen Wirtschaftsboom in eine Depression verwandelt. Doch es zeigen sich erste Lichtblicke am Arbeitsmarkt. Nach der Erfolgsmeldung von 2,5 Millionen neuen Jobs berief der Präsident prompt eine Pressekonferenz im Rosengarten des Weißen Hauses ein und verkündete das „größte Comeback in der US-Geschichte“.
Die Umfragen verheißen dennoch nichts Gutes. Die Zustimmung für Trump liegt bei 40 Prozent, in Umfragen führt Biden mit zehn Prozentpunkten. Selbst eine Mehrheit der Republikaner wähnt das Land auf einem falschen Weg. Dass sein Intimfeind, der Senator und Mormone Mitt Romney, an der Seite von Evangelikalen bei einer Demo in Washington mitmarschierte; dass sich im Senat Unmut breit macht; dass Ex-Präsident George W. Bush ihn auch heuer nicht wählen will – all das kann Trump verwinden.
Der Aufstand der Generäle
Dass frühere Minister, Mitarbeiter und Generäle wie James Mattis und John Kelly vernichtende Kritik üben, schmerzt den ArmeeLiebhaber Trump schon eher. Colin Powell, der frühere Generalstabschef und Ex-Außenminister, erklärte, er werde heuer Biden wählen, so wie er 2016 für Hillary Clinton gestimmt hat. „Der Präsident hat sich von der Verfassung abgewandt, er lügt die ganze Zeit und kommt damit durch.“Trump sei „gefährlich für unsere Demokratie, für unser Land“. Der Präsident schlug via Twitter mit voller Wucht zurück: Powell habe ein „erbärmliches“Interview im „Lügensender“CNN gegeben, er sei „schwach und schlecht“fürs Land gewesen. Und: Habe er die USA nicht mit Lügen über Massenvernichtungswaffen in den kostspieligen Irak-Krieg geführt, warf er eine rhetorische Frage auf.
Genau das Gegenteil führt Trump bis zur Wahl am 3. November im Schilde: den teilweisen Truppenabzug aus Deutschland und vor allem aus Afghanistan. Es wäre – anders als die Mauer zu Mexiko – die Einlösung eines Wahlversprechens.