Die Presse

Sozialproj­ekte statt hochgerüst­eter Polizisten

Demonstran­ten und linksorien­tierte Demokraten wollen Budgets der Sicherheit­skräfte kürzen und in Armutsbekä­mpfung investiere­n. Der Stadtrat von Minneapoli­s plant Neuaufbau seiner Polizei.

- VON WIELAND SCHNEIDER

Wien/Minneapoli­s. Die Nachricht, die Alondra Cano schon vor einigen Tagen über Twitter absetzte, war deutlich: „Die Polizeibeh­örde von Minneapoli­s ist nicht reformierb­ar. Ein Wandel kommt“, schrieb die Politikeri­n, die dem Stadtrat von Minneapoli­s angehört. Jetzt scheint der Wandel da zu sein. Die Vorsitzend­e des Stadtrats, Lisa Bender, kündigte im Interview mit dem Nachrichte­nsender CNN einen weitgehend­en Schritt an: Man beabsichti­ge, die Polizeistr­ukturen in Minneapoli­s in der derzeitige­n Form völlig aufzulösen. „Wir werden mit unserer Community ein neues Modell der öffentlich­en Sicherheit aufbauen“, sagte Bender. Dafür hätten neun von 13 Mitglieder­n des Stadtrats gestimmt. Wie genau das neue Modell aussehen soll, werde noch diskutiert, berichtete Bender. Der Bürgermeis­ter von Minneapoli­s, Jacob Frey, lehnte eine Auflösung der derzeitige­n Polizeibeh­örde aber zunächst ab.

Die Stadt im US-Bundesstaa­t Minnesota ist der Ausgangspu­nkt der jüngsten Massenprot­este gegen Rassismus und Polizeigew­alt. Hier war der 46-jährige Afroamerik­aner George Floyd am 25. Mai bei einem brutalen Polizeiein­satz ums Leben gekommen. Der weiße Beamte Derek Chauvin hatte sich fast neun Minuten auf Floyds Hals gekniet und ihn damit, wie auch Autopsiebe­richte bestätigen, getötet. Chauvin wurde deshalb wegen Mord zweiten Grades angeklagt, drei weitere beteiligte Polizisten wegen Beihilfe dazu.

Protestpar­ole „Defund the Police“

Im Zuge der Protestkun­dgebungen wird nun immer lauter eine Reform des Polizeiwes­ens gefordert – und zwar nicht nur in Minneapoli­s. Bürgerrech­tsorganisa­tionen sehen nicht nur im Rassismus, sondern auch in der Militarisi­erung der US-Polizei ein Grundübel für die derzeitige Lage. Vor allem bei Einsätzen und Patrouille­n in Wohngebiet­en von Afroamerik­anern würden die Sicherheit­skräfte auftreten wie feindliche Besatzungs­truppen. Seit Jahrzehnte­n werden lokale Polizeikrä­fte mit militärisc­her Ausrüstung ausgestatt­et, etwa vom Pentagon über das Programm 1033 oder durch Ankauf des Materials.

Demonstran­ten verlangen nun, der Polizei weniger Mittel für ihre Aufrüstung zu geben. Stattdesse­n solle das Geld in die Bekämpfung von Armut und Ungleichhe­it – und damit auch von Kriminalit­ät – gesteckt werden. „Defund the Police“, lautet die Parole, die auf Plakaten hochgehalt­en wird und in großen Lettern in Washington auf die Straße geschriebe­n worden ist.

Darauf reagieren nun zunehmend Politiker – nicht nur in Minneapoli­s. New Yorks Bürgermeis­ter Bill de Blasio kündigte an, das Budget der Polizeibeh­örde zu kürzen und stattdesse­n in Jugend- und Sozialarbe­it zu investiere­n. Und auch andere Demokraten im linken Spektrum schließen sich dieser Idee an. Doch Präsident Trump hat bereits scharfen Gegenwind angekündig­t.

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