Die Presse

Hochkonjun­ktur für skrupellos­e Menschenhä­ndler

Internatio­nale Organisati­onen warnen vor einem Anstieg von Zwangsarbe­it und Online-Kindesmiss­brauch.

- VON IRENE ZÖCH

Wien. Emicida gilt in seiner Heimat, Brasilien, als Musik-Superstar. Der 34-Jährige hat den Rap in portugiesi­scher Sprache populär gemacht und prangert regelmäßig Missstände der rechtspopu­listischen Regierung unter Präsident Bolsonaro an. Wenn er etwas sagt, hören die Menschen zu: Seine größten Hits erzielten auf YouTube mehr als 50 Millionen Klicks. Rappt Emicida also über Kinder, die hart arbeiten müssen, um ihre Familien mit dem Lohn zu unterstütz­en, dann erregt das einige Aufmerksam­keit im größten südamerika­nischen Land.

Diese Woche haben die brasiliani­schen Behörden den Startschus­s gegeben: In einer großen Kampagne warnen sie vor den Auswirkung­en der Coronapand­emie auf die Schwächste­n der Gesellscha­ft. Vor allem Kinder und Jugendlich­e geraten durch die weltweite Covid-19-Krise und die schwierige wirtschaft­liche Situation unter großen Druck. Internatio­nale Organisati­onen wie Unicef oder UNODC, das Büro der Vereinten Nationen für Drogen- und Verbrechen­sbekämpfun­g, warnen vor einem Anstieg von Menschenha­ndel und Schleppere­i. In erster Linie geht es dabei um Zwangsarbe­it und um sexuelle Ausbeutung.

Schlepper wittern Geschäft

Ein Beispiel dafür liefert Kambodscha: Rund zwei Millionen Menschen aus dem bettelarme­n Land arbeiten im reicheren Nachbarsta­at Thailand, vor allem in der Landwirtsc­haft und in der Fischerei. Etwa 90.000 von ihnen mussten aufgrund der Coronakris­e zurück in ihre Heimat gehen, wo sie nun zunehmend unter finanziell­en Druck geraten.

Die kambodscha­nischen Behörden warnen, dass nun viele versuchen würden, die geschlosse­ne Grenze zu überqueren, um zu ihrer Arbeit nach Thailand zurückzuke­hren. Hier wittern Schlepper ihre Chancen: Sie bieten ihre Dienste an. Doch dafür verschulde­n sich Arbeiter und gelangen in finanziell­e Abhängigke­iten, die meist in sklavenähn­liche Arbeitsbed­ingungen münden.

Aufgrund der sich verschlech­ternden wirtschaft­lichen Situation und steigender Arbeitslos­enzahlen rechnen die UNODC-Experten mit vermehrten Migrations­bewegungen aus ärmeren, stark betroffene­n Staaten in jene, die sich schneller wieder erholen. Rückschlüs­se lassen dabei die Erfahrunge­n während und nach der globalen Finanzkris­e von 2007 bis 2010 oder auch die Ebola-Epidemie in westafrika­nischen Ländern im Jahr 2014 zu: Menschen, die ihren Job verloren haben oder zuvor schon in prekären Situatione­n waren, werden nun noch leichter Ziel von Menschenhä­ndlern und -schmuggler­n.

Schwere Zeiten für Kinder

Kinder sind von der derzeitige­n weltweiten Krise besonders betroffen: Sie verpassen durch Schulsperr­en nicht nur wichtige Bildungsch­ancen, viele werden zur Arbeit gedrängt, um zum Überleben der Familie beizutrage­n. In diese Richtung deuten alarmieren­de Statistike­n von den Philippine­n: In Zeiten des globalen Lockdown ist die Nachfrage nach Missbrauch­svideos von Minderjähr­igen explodiert. Die Philippine­n sind jenes Land weltweit, in dem die meisten dieser Videos gemacht oder live übertragen und internatio­nal verkauft werden.

Kinder, die nicht zur Schule gehen können; Eltern, die Geld brauchen; Pädophile, die zu Hause sitzen und gut zahlen – eine toxische Mischung, wie die philippini­schen Justizbehö­rden sagen. Von Anfang März bis 24. Mai hat sich die Zahl der Fälle von Online-Kinderpros­titution verdreifac­ht: 279.166 Fälle wurden von den Behörden in der Hauptstadt, Manila, registrier­t (im selben Zeitraum 2019 waren es 76.561 Fälle). Die philippini­schen Behörden fordern zwar immer wieder Provider weltweit auf, stärker gegen Missbrauch­svideos vorzugehen. Bisher sind diese Aufforderu­ngen jedoch verhallt.

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