Malta behindert EU-Strafbehörde
Die Europäische Staatsanwaltschaft muss die Ethikanforderungen an ihre Mitarbeiter senken, weil Maltas Regierung nur politische Günstlinge zu nominieren gewillt ist.
Brüssel. Behindert das kleinste Mitgliedsland der EU, dessen Justiz nur langsam den politisch motivierten Auftragsmord an einer Journalistin untersucht, den Kampf gegen den Betrug mit europäischen Fördergeldern? Vorigen Donnerstag sagte EU-Justizkommissar Didier Reynders vor Journalisten in Brüssel, dass die neu gegründete Europäische Staatsanwaltschaft bisher noch nicht alle erforderlichen Positionen besetzen konnte, weil Malta unfähig sei, ausreichend viele geeignete Kandidaten zu nominieren, welche die erforderlichen Anforderungen mitbringen – allen voran jene, dass sie „jede Gewähr für Unabhängigkeit gebieten“, wie es die einschlägige EU-Verordnung vorsieht.
„Wir haben noch nicht die 27 Europäischen Staatsanwälte beisammen. Das liegt an Schwierigkeiten, die maltesische Kandidatenliste zu finalisieren“, erklärte Reynders und nannte diesen Umstand „außergewöhnlich“. Nun stehe die Lösung im Raum, dass die Geschäftsordnung der Europäischen Staatsanwaltschaft geändert wird, sodass es ausreicht, nur zwei statt der derzeit erforderlichen drei Kandidaten zu nennen.
Das klingt nach einer Lappalie. Doch es verbirgt sich ein schweres Problem dahinter. Denn wie Recherchen des Onlinemediums „EUobserver“am Montag offenbarten, erwecken die beiden infrage kommenden maltesischen Kandidaten für das Amt des Vertreters ihres Landes im Kollegium der Europäischen Staatsanwälte den Eindruck schwerer politischer Befangenheit – und Verwicklung in den nach fast drei Jahren noch immer ungeklärten Mord an der Enthüllungsjournalistin Daphne Caruana Galizia.
Regierung will nur Günstlinge
Laut „EUobserver“handelt es sich dabei erstens um Charles Mercieca. Er war früher Staatsanwalt, nun ist er Strafverteidiger. Als solcher hat er den mutmaßlichen Drahtzieher des Bombenanschlags vertreten, welcher im Herbst 2017 Caruana Galizia das Leben kostete. Zudem sei Mercieca ein politischer Vertrauensmann des vormaligen maltesischen Premierministers Joseph Muscat. In dessen Amtszeit fiel der Mord an der Journalistin, und Labour-Parteichef Muscat, einst Hoffnungsträger der Europäischen Sozialdemokraten, trat nach dem Bekanntwerden der Verstrickung seines inneren Kreises von Vertrauten in die Mordaffäre und ihre versuchte Vertuschung heuer im Jänner zurück. „EUobserver“berichtet, dass Mercieca bereits in Brüssel abgelehnt worden sei.
Die zweite Kandidatin ist Yvonne Farrugia. Sie ist Ermittlerin in jener Einheit der maltesischen Polizei, die sich mit Wirtschaftskriminalität beschäftigt – und die als korruptester Teil der Polizeibehörden gilt. Das sieht sogar der amtierende Außenminister, Evarist Bartolo, so. Er nannte diese Einheit im März gegenüber dem Radiosender Deutsche Welle „eines der größten Probleme und schwächsten Glieder in der Kette, wenn es um den Kampf gegen Korruption geht.“Maltas Regierung teilte dem „EUobserver“mit, es hätten sich nicht mehr Kandidaten für das Amt als Europäischer Staatsanwalt interessiert. Hinter den Kulissen wird jedoch davor gewarnt, dass es zwar geeignete Maltesen gebe, die Regierung jedoch nur Günstlinge nominieren wolle.
Krise fördert Korruption
Dieses maltesische Problem droht, den Beginn der Arbeit der Behörde im November zu verhindern. Denn erst, wenn jeder der teilnehmenden 22 EU-Staaten (alle außer Dänemark, Irland, Polen, Ungarn und Schweden, das aber beizutreten angekündigt hat) einen Europäischen Staatsanwalt nach Luxemburg ins sogenannte Kollegium geschickt hat, kann dieses Delegierte Strafverfolger in den Mitgliedstaaten bestellen. Sie sind es, welche die eigentliche Tagesarbeit leisten werden. Sie dürfen vor den nationalen Gerichten Anklage erheben, in Prozessen plädieren, an der Beweisaufnahme teilnehmen und gegen Urteile berufen.
Doch wie gesagt: ohne maltesischen EU-Staatsanwalt kein Kollegium. Und ohne Kollegium keine zwei bis drei Delegierten Staatsanwälte. Und somit keine Ermittlungen gegen den drohenden Anstieg von Korruption und Betrug mit Brüsseler Subventionen, vor dem die EU-Generalstaatsanwältin, die Rumänin Laura Codru¸ta Kövesi, Mitte Mai gegenüber Reuters gewarnt hat. Der Grund: die Milliarden an neuen EU-Fonds, die für den Kampf gegen die Corona-Rezession bereitgestellt werden. „Wenn es mehr Mittel gibt und wenn es mehr Flexibilität gibt darin, wie man sie verwendet, dann erwarte ich in der Tat, dass wir mehr Arbeit haben werden“, sagte Kövesi.