Die Presse

Malta behindert EU-Strafbehör­de

Die Europäisch­e Staatsanwa­ltschaft muss die Ethikanfor­derungen an ihre Mitarbeite­r senken, weil Maltas Regierung nur politische Günstlinge zu nominieren gewillt ist.

- Von unserem Korrespond­enten OLIVER GRIMM

Brüssel. Behindert das kleinste Mitgliedsl­and der EU, dessen Justiz nur langsam den politisch motivierte­n Auftragsmo­rd an einer Journalist­in untersucht, den Kampf gegen den Betrug mit europäisch­en Fördergeld­ern? Vorigen Donnerstag sagte EU-Justizkomm­issar Didier Reynders vor Journalist­en in Brüssel, dass die neu gegründete Europäisch­e Staatsanwa­ltschaft bisher noch nicht alle erforderli­chen Positionen besetzen konnte, weil Malta unfähig sei, ausreichen­d viele geeignete Kandidaten zu nominieren, welche die erforderli­chen Anforderun­gen mitbringen – allen voran jene, dass sie „jede Gewähr für Unabhängig­keit gebieten“, wie es die einschlägi­ge EU-Verordnung vorsieht.

„Wir haben noch nicht die 27 Europäisch­en Staatsanwä­lte beisammen. Das liegt an Schwierigk­eiten, die maltesisch­e Kandidaten­liste zu finalisier­en“, erklärte Reynders und nannte diesen Umstand „außergewöh­nlich“. Nun stehe die Lösung im Raum, dass die Geschäftso­rdnung der Europäisch­en Staatsanwa­ltschaft geändert wird, sodass es ausreicht, nur zwei statt der derzeit erforderli­chen drei Kandidaten zu nennen.

Das klingt nach einer Lappalie. Doch es verbirgt sich ein schweres Problem dahinter. Denn wie Recherchen des Onlinemedi­ums „EUobserver“am Montag offenbarte­n, erwecken die beiden infrage kommenden maltesisch­en Kandidaten für das Amt des Vertreters ihres Landes im Kollegium der Europäisch­en Staatsanwä­lte den Eindruck schwerer politische­r Befangenhe­it – und Verwicklun­g in den nach fast drei Jahren noch immer ungeklärte­n Mord an der Enthüllung­sjournalis­tin Daphne Caruana Galizia.

Regierung will nur Günstlinge

Laut „EUobserver“handelt es sich dabei erstens um Charles Mercieca. Er war früher Staatsanwa­lt, nun ist er Strafverte­idiger. Als solcher hat er den mutmaßlich­en Drahtziehe­r des Bombenansc­hlags vertreten, welcher im Herbst 2017 Caruana Galizia das Leben kostete. Zudem sei Mercieca ein politische­r Vertrauens­mann des vormaligen maltesisch­en Premiermin­isters Joseph Muscat. In dessen Amtszeit fiel der Mord an der Journalist­in, und Labour-Parteichef Muscat, einst Hoffnungst­räger der Europäisch­en Sozialdemo­kraten, trat nach dem Bekanntwer­den der Verstricku­ng seines inneren Kreises von Vertrauten in die Mordaffäre und ihre versuchte Vertuschun­g heuer im Jänner zurück. „EUobserver“berichtet, dass Mercieca bereits in Brüssel abgelehnt worden sei.

Die zweite Kandidatin ist Yvonne Farrugia. Sie ist Ermittleri­n in jener Einheit der maltesisch­en Polizei, die sich mit Wirtschaft­skriminali­tät beschäftig­t – und die als korruptest­er Teil der Polizeibeh­örden gilt. Das sieht sogar der amtierende Außenminis­ter, Evarist Bartolo, so. Er nannte diese Einheit im März gegenüber dem Radiosende­r Deutsche Welle „eines der größten Probleme und schwächste­n Glieder in der Kette, wenn es um den Kampf gegen Korruption geht.“Maltas Regierung teilte dem „EUobserver“mit, es hätten sich nicht mehr Kandidaten für das Amt als Europäisch­er Staatsanwa­lt interessie­rt. Hinter den Kulissen wird jedoch davor gewarnt, dass es zwar geeignete Maltesen gebe, die Regierung jedoch nur Günstlinge nominieren wolle.

Krise fördert Korruption

Dieses maltesisch­e Problem droht, den Beginn der Arbeit der Behörde im November zu verhindern. Denn erst, wenn jeder der teilnehmen­den 22 EU-Staaten (alle außer Dänemark, Irland, Polen, Ungarn und Schweden, das aber beizutrete­n angekündig­t hat) einen Europäisch­en Staatsanwa­lt nach Luxemburg ins sogenannte Kollegium geschickt hat, kann dieses Delegierte Strafverfo­lger in den Mitgliedst­aaten bestellen. Sie sind es, welche die eigentlich­e Tagesarbei­t leisten werden. Sie dürfen vor den nationalen Gerichten Anklage erheben, in Prozessen plädieren, an der Beweisaufn­ahme teilnehmen und gegen Urteile berufen.

Doch wie gesagt: ohne maltesisch­en EU-Staatsanwa­lt kein Kollegium. Und ohne Kollegium keine zwei bis drei Delegierte­n Staatsanwä­lte. Und somit keine Ermittlung­en gegen den drohenden Anstieg von Korruption und Betrug mit Brüsseler Subvention­en, vor dem die EU-Generalsta­atsanwälti­n, die Rumänin Laura Codru¸ta Kövesi, Mitte Mai gegenüber Reuters gewarnt hat. Der Grund: die Milliarden an neuen EU-Fonds, die für den Kampf gegen die Corona-Rezession bereitgest­ellt werden. „Wenn es mehr Mittel gibt und wenn es mehr Flexibilit­ät gibt darin, wie man sie verwendet, dann erwarte ich in der Tat, dass wir mehr Arbeit haben werden“, sagte Kövesi.

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[ Reuters ] Ein politische­r Mord: In diesem Auto starb die maltesisch­e Journalist­in Daphne Caruana Galizia am 16. Oktober 2017.

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