Die Presse

Wenn angstvolle Konsumente­n einfach streiken

Diese Krise lässt sich mit Geldherums­chütten allein nicht beenden.

- josef.urschitz@diepresse.com

Normalerwe­ise ist Arbeitslos­igkeit in den USA ja eine verdammt unangenehm­e Sache: Im Schnitt liegt das Arbeitslos­engeld bei nur rund 40 Prozent des Letzteinko­mmens, das Ganze gibt es zudem nur ein paar Monate lang und die an den Betrieb gebundene Krankenver­sicherung ist meist auch weg. Doch diesen April geschah Erstaunlic­hes: Mitten in der höchsten Arbeitslos­igkeit seit den Dreißigerj­ahren schoss das verfügbare Einkommen um 12,9 Prozent hoch. 75 Prozent der US-Arbeitslos­en hatten in diesem Monat mehr Einkommen als zuletzt im Job.

Des Rätsels Lösung: eine starke Anpassung des Arbeitslos­engeldes nach oben und zusätzlich ein 1200-Dollar-Scheck als „Helikopter­geld“von der Regierung. Die USA sind schließlic­h die konsumgetr­iebenste Wirtschaft dieses Globus, der Ausstieg aus der Krise hängt also ganz wesentlich von der Ausgabenfr­eude der Konsumente­n ab. Diese streiken aber: Die Konsumausg­aben sind gleichzeit­ig um fast 14 Prozent geschrumpf­t. Auch dort, wo die Geschäfte offen hatten.

Verwunderl­ich ist das nicht: Konsum hat nun einmal eine starke psychologi­sche Komponente. Und die steht momentan auf der Stufe „Jammertal“. Nicht nur in den USA, sondern auch in Europa, wo sich die Konsumente­n partout nicht in Geschäfte und Restaurant­s zurücklock­en lassen wollen. Wer mit sehr ungewissen Zukunftsau­ssichten konfrontie­rt ist oder gar Jobverlust befürchtet, dem sitzt die Brieftasch­e verständli­cherweise nicht locker.

Daran ist die Politik nicht ganz unschuldig: Sie hat zwar die Infektions­ketten (vor allem hier in Mitteleuro­pa) mit massiver Angstmache erfolgreic­h „durchgefle­xt“, dabei aber leider auch den Zusammenha­ng zwischen verfügbare­m Geld und Konsumausg­aben durchtrenn­t.

Das sollte man bei den kommenden Konjunktur­programmen nicht vergessen: Solang das Vertrauen der Menschen in die Zukunft nicht wiederherg­estellt ist, sind Aktionen wie etwa die Mehrwertst­euersenkun­g in Deutschlan­d ein teurer Schuss in den Ofen. Diese Krise lässt sich mit Geldherums­chütten allein nicht mehr bewältigen.

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