Die neue dicke Luft im Autoland
SPD im Visier nach Nein zu Abwrackprämie.
Berlin. Dass der Wille der Autobranche geschieht, war in Deutschland fast schon ein Naturgesetz. Weil an der Leitindustrie hunderttausende Jobs hängen. Aber auch, weil die Autogiganten das Lobbying zur Meisterschaft gebracht haben. Dabei half, dass die wichtigsten Vertreter der Zunft oft aus dem direkten Umfeld der deutschen Kanzler rekrutiert wurden.
Doch nun herrscht seit Tagen dicke Luft. Nichts ist mehr so wie es war, seit die Regierung eine Kaufprämie für abgasarme Benzin- und Dieselautos abgelehnt hat. Eine Neuauflage der Abwrackprämie hatte zuallererst das neue linke SPD-Fürhungsduo Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans verhindert. Sie setzten sich damit auch gegen Parteifreunde wie Stephan Weil durch, dem Ministerpräsidenten im VW-Land Niedersachsen und übrigens auch gegen den grünen Landeschef Winfried Kretschmann, der in Baden-Württemberg, der Heimat von Daimler, regiert.
„Stinksauer“
Für den Verzicht auf eine Abwrackprämie gab es viel Lob von Ökonomen. Und gut möglich, dass die SPD-Spitze auch jene Wähler im Blick hatte, die zuletzt in Scharen zu den Grünen übergelaufen waren. Aber das rote Nein hat seinen Preis. Die Sozialdemokraten haben es sich mit den Gewerkschaften verscherzt. Das Verhältnis ist zerrüttet. Daimler-Betriebschef Michael Brecht ist „stinksauer“Auch der wohl mächtigste Gewerkschafter des Landes, IGMetall-Chef Jörg Hofmann wähnt eine „industriepolitische Geisterfahrt“der obersten Genossen und einen massiven Vertrauensverlust“der Beschäftigten in die Sozialdemokratie.
Wobei: Die Autoindustrie ging beim Poker um das Konjunkturpaket nicht leer aus. Die staatliche Prämie für den Kauf eines Pkw mit Elektro- oder Hybridantrieb wird erhöht. Wie andere auch profitiert die Branche zudem von einer höheren Forschungsförderung und, mehr als andere, von der Senkung der Mehrwertsteuer. Aber die Wogen glättet das nicht.