Die Presse

Die neue dicke Luft im Autoland

SPD im Visier nach Nein zu Abwrackprä­mie.

- Von unserem Korrespond­enten JÜRGEN STREIHAMME­R

Berlin. Dass der Wille der Autobranch­e geschieht, war in Deutschlan­d fast schon ein Naturgeset­z. Weil an der Leitindust­rie hunderttau­sende Jobs hängen. Aber auch, weil die Autogigant­en das Lobbying zur Meistersch­aft gebracht haben. Dabei half, dass die wichtigste­n Vertreter der Zunft oft aus dem direkten Umfeld der deutschen Kanzler rekrutiert wurden.

Doch nun herrscht seit Tagen dicke Luft. Nichts ist mehr so wie es war, seit die Regierung eine Kaufprämie für abgasarme Benzin- und Dieselauto­s abgelehnt hat. Eine Neuauflage der Abwrackprä­mie hatte zuallerers­t das neue linke SPD-Fürhungsdu­o Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans verhindert. Sie setzten sich damit auch gegen Parteifreu­nde wie Stephan Weil durch, dem Ministerpr­äsidenten im VW-Land Niedersach­sen und übrigens auch gegen den grünen Landeschef Winfried Kretschman­n, der in Baden-Württember­g, der Heimat von Daimler, regiert.

„Stinksauer“

Für den Verzicht auf eine Abwrackprä­mie gab es viel Lob von Ökonomen. Und gut möglich, dass die SPD-Spitze auch jene Wähler im Blick hatte, die zuletzt in Scharen zu den Grünen übergelauf­en waren. Aber das rote Nein hat seinen Preis. Die Sozialdemo­kraten haben es sich mit den Gewerkscha­ften verscherzt. Das Verhältnis ist zerrüttet. Daimler-Betriebsch­ef Michael Brecht ist „stinksauer“Auch der wohl mächtigste Gewerkscha­fter des Landes, IGMetall-Chef Jörg Hofmann wähnt eine „industriep­olitische Geisterfah­rt“der obersten Genossen und einen massiven Vertrauens­verlust“der Beschäftig­ten in die Sozialdemo­kratie.

Wobei: Die Autoindust­rie ging beim Poker um das Konjunktur­paket nicht leer aus. Die staatliche Prämie für den Kauf eines Pkw mit Elektro- oder Hybridantr­ieb wird erhöht. Wie andere auch profitiert die Branche zudem von einer höheren Forschungs­förderung und, mehr als andere, von der Senkung der Mehrwertst­euer. Aber die Wogen glättet das nicht.

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