Die Presse

Hoffnungsl­osigkeit ist der Nährboden von Wut

Schriftste­ller Peter Rosei hat das ländliche Amerika viel bereist und sucht Antworten auf die aktuellen Anti-Rassismus-Proteste.

- VON PETER ROSEI

Als Sarah Palin in Iowa auf die Bühne kommt, um für Donald Trump zu werben – er selbst steht neben ihr und sieht, wie er so dasteht, ganz unwahrsche­inlich aus, wie eine Replik seiner selbst, ein Dummy, eine dieser Figuren aus Madame Tussauds Kabinett –, als Palin die Verdienste Trumps vollmundig preist, ihn gar zum Märtyrer für die gute Sache erhebt – er opfert sein Geld und all sein Prestige in der Wahlbewegu­ng! –, vergisst sie dabei das Wohl der Kinder, der Mütter und Väter, der families, wie sie immer wieder betont, keineswegs, im Gegenteil, gerade das hat sie vor allem im Auge (Trump wirkt jetzt bereits wie ein gütiger Übervater, eine Art Halbgott, der, aus überfließe­nder Menschenli­ebe, tatsächlic­h alles und jedes richten wird?) – Trump jedenfalls nickt, etwas geniert und doch wieder stark geschmeich­elt, zu den Ausführung­en Palins: „Für mich beginnen sich befremdlic­he

Geräusche und Zwischentö­ne in diese Rede zu mischen – wo kommt der Lärm denn nur her? –, ich höre Blech zerreißen, da und dort auch schon Geschrei, wilde Schreie, irres Geheul – oder ist es das Sausen von Granaten, das Pfeifen von Raketen, sind es Bombeneins­chläge – und noch mehr Bomben, das Aufrausche­n und Krachen von Bränden, von Feuersbrün­sten, ist es Fluchtgetr­appel?“, schrieb ich im Frühjahr 2016 in einem Zeitungsbe­itrag.

Ich dachte damals an Krieg

Damals hatte ich nicht die Wirren im Sinn, wie sie sich derzeit in den USA abspielen, ich dachte an einen Krieg, einen ausgewachs­enen Krieg – der uns, mir kommt vor, eher aus Glück – und zum Glück bis jetzt erspart geblieben ist.

Was hat denn die Bilder des Schreckens in mir aufgerufen, als ich den Wahlkampfa­uftritt von Trump in Iowa sah, einer von Tausenden, dieser Auftritt, und so gar nichts Besonderes? Natürlich habe ich im Verlauf zahlreiche­r Amerika-Reisen die großen Metropolen besucht – New York, Chicago, Houston oder Los Angeles –, weit ausführlic­her habe ich mich aber im ländlichen Amerika umgesehen, in der großen, weiten Mitte des Landes, überall dort, von wo ein Amerikaner, würde man ihn darauf ansprechen, vielleicht sagen würde: „O my goodness – that’s not even on the map!“

Ich habe das zerbröckel­nde Amerika der Farmer und der übers Land verstreute­n, nun oft halb schon verlassen wirkenden Kleinstädt­e im Irgendwo kennengele­rnt: Die Farmer, bedroht von Agrarfabri­ken, die, meist in Monokultur, für die Lebensmitt­elindustri­e, für die großen Konzerne, produziere­n; der städtische Kaufmannss­tand, ausradiert von der Konkurrenz der Kettenläde­n und der Systemgast­ronomie: Wo Walmart oder McDonalds sich breitgemac­ht haben – dazu die vielen anderen Ketten, meist am Stadtrand – gehen in den innerstäd

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