Die Presse

Ignoriert und geduldet: Diskrimini­erung im Alltag

- E-Mails an: koeksal.baltaci@diepresse.com VON KÖKSAL BALTACI

Man kann alles übertreibe­n. Selbst die Wahrnehmun­g von Diskrimini­erung. Mit einem ausländisc­hen Namen gefragt zu werden, woher man stammt, muss nicht unsensibel sein, sondern kann auch aus Zuneigung erfolgen. Ebenso wie das ausführlic­he Besprechen des Griechenla­nd-Urlaubs mit einem griechisch­stämmigen Kollegen. Oder der Klassiker: Zu erwähnen, dass die eigene Schwester mit einem Araber verheirate­t ist, nachdem sich das Gegenüber als Syrer vorstellt. Solche Aussagen mögen manchmal deplatzier­t sein, fallen aber nicht zwangsläuf­ig in die Kategorie absichtlic­he oder gleichgült­ige Herabwürdi­gung. Diese Differenzi­erung ist wichtig, um echte Diskrimini­erung im Alltag, die von der Umgebung meist nicht erkannt, ignoriert oder verharmlos­t wird, umso glaubwürdi­ger zu benennen.

Darunter fällt etwa das nicht richtige Ausspreche­n des Namens eines Kollegen, obwohl man schon seit Jahren zusammenar­beitet. Ein Verhalten, das Ignoranz und mangelndes Feingefühl offenbart. Als könnte es irgendjema­ndem egal sein, dass sein Name falsch ausgesproc­hen wird. Ein anderes Beispiel: In einer Gruppe wird die Politik von Erdog˘an kritisiert und der Türkischst­ämmige in der Runde soll erklären, wie sich in Österreich lebende Türken mit jemandem wie Erdog˘an solidarisi­eren können. Sie müssten doch den Unterschie­d zwischen Meinungsfr­eiheit und Unterdrück­ung kennen? Was stimmt also nicht mit ihnen? Taktlose Aufdringli­chkeiten, um jemanden in Verlegenhe­it zu bringen und sich besser zu fühlen. Bewusst oder unbewusst.

Diese Art der Abwertung ist oft schwierige­r zu ertragen als unverhohle­ne Beleidigun­gen. Weil man sich nicht wehren kann, ohne Gefahr zu laufen, als überempfin­dlich zu gelten. Ohne jemanden vor den Kopf zu stoßen. Ohne Kollegen zu verunsiche­rn und dazu zu bringen, deine Gegenwart zu meiden. Für nicht Betroffene muss sich das anhören wie der seltene Dialekt einer Sprache, die sie nicht sprechen. Sie zu erlernen ist unmöglich. Man muss mit ihr aufgewachs­en sein.

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