Ferienlagern droht der Lagerkoller
Kinderbetreuung. Ein neuer Leitfaden des Familienministeriums soll Sommercamps ermöglichen. An den strengen Abstandsregeln aber könnten viele vorzeitig scheitern. Wenige Wochen vor deren Beginn droht nun eine Absagewelle.
Einige Sommercamps könnten an den strengen Abstandsregeln scheitern.
Wien. Im bevorstehenden CoronaSommer sollen nach den wiederholten Appellen der Bundesregierung heimische Destinationen in den Fokus der Urlaubsplanung rücken, für manche Familien könnte es einen solchen aber heuer gar nicht geben: Der zuletzt durchlebte Ausnahmezustand erlaubt es vielen schlichtweg weder finanziell noch zeitlich, wirklich an Urlaub zu denken.
Die Ferien, die viele Kinder (trotz der angebotenen Sommerschule in den letzten beiden Ferienwochen) in den nächsten Wochen dann womöglich zu Hause verbringen werden, stellen Eltern nun vor eine zusätzliche Herausforderung. Das breite Angebot der vielen Sommercamps und –lager, die die heimischen Sport-, Kinderund Jugendorganisationen jährlich anbieten, könnte das Betreuungsproblem, das heuer verstärkt bestehen könnte, grundsätzlich mindern. Tennis-, Berg- und Fußballcamps sowie Pfadfinder oder Jungscharlager versprechen dabei kostengünstigen Spaß und Abenteuer für die Kinder, mehr Freizeit und Erholung für die Eltern.
Um das Angebot breitenwirksam zu kommunizieren, launchte das Familienministerium in Kooperation mit den Bundesländern und dem Gemeindebund in der Vorwoche eine eigene Datenbank, die Interessierte und Veranstalter vernetzen soll. Doch bei den Jugendorganisationen rief das Vorgehen der Bundesregierung heftige Kritik hervor. Denn die Lockerungs-Verordnung des Gesundheitsministeriums, die die Camps ermöglichen soll, hat deren Situation erschwert.
Der darauf basierende neue Leitfaden des Familienministeriums für die Sommerlager sieht demnach vor, dass generell ein Ein-Meter-Abstand eingehalten werden muss, bei Übernachtungen in Gemeinschaftsschlafräumen sind es jedoch 1,5 Meter. Zudem variiert die Grenze für die Teilnehmerzahl: Grundsätzlich sind 100 Kinder erlaubt, bei gekennzeichneten Sitzplätzen in geschlossenen Räumen ab Juli bis zu 250 Personen, im Freiluftbereich bis zu 500 Personen. Ab August dürfen bis zu 500 Personen in geschlossenen Räumen, im Freien bis zu 750 Personen teilnehmen. Betreuer werden in die begrenzte Zahl allerdings nicht einberechnet.
„Realitätsferner“Leitfaden
Für ein Mitglied einer der größten Jugendorganisationen des Landes, das selbst seit Jahren Camps betreut, ist der Leitfaden im Gespräch mit der „Presse“„in vielen Belangen ein absoluter Witz“und „Lügen in den eigenen Sack“. Die Vorsitzende der Bundesjugendvertretung (BJV), Isabella Steger, zeigte sich in der Vorwoche ebenfalls enttäuscht: Man habe die Organisationen „lange in der Planung für ihre Sommeraktivitäten hingehalten“, der neue Leitfaden aber gehe „an der Realität der Jugendarbeit vorbei“während die Zeit bis zum Sommer „immer knapper“werde.
Die zuständige ÖVP-Jugendministerin Christine Aschbacher habe „keinen Einblick in die Arbeit mit Kindern und Jugendlichen“wenn sie mitteile, „es wäre leicht, dass Kinder untereinander stets Abstand halten“. Steger fordert deshalb die Aufhebung der Abstandsregeln. Denn auf einem Sommerlager, das Kinder bis zu zwei Wochen miteinander verbringen, sei der Abstand für Betreuer eine „pädagogisch nicht sinnvoll lösbare Herausforderung“. Jugendgruppen sollen künftig als Gästegruppen gelten und daher keinen Abstand einhalten müssen. Als Argument dienen Steger die Daten der Kinder, die man „schnell griffbereit“hätte und eine Nachverfolgung der Kontaktpersonen „rasch“ermöglichten.
Lockerungen noch möglich
Sowohl im Gesundheits- wie im Familienministerium verweist man auf „Presse“-Anfrage auf Gespräche mit den Jugendorganisationen, die man infolge der Kritik aktuell führe. Dem Vernehmen nach könnte es tatsächlich noch zu Lockerungen der Abstandsregeln kommen. Dass die Zeit dränge, „ist uns bewusst“, heißt es aus dem Büro von Familienministerin Aschbacher. In jenem von Gesundheitsminister Rudi Anschober (Grüne) betont man indes das Wissen um die „psychosoziale Gesundheit der Kinder“, die im Mittelpunkt stehe.
Kinder hätten „ein Recht auf unbeschwerte Sommermonate“, betont Steger. Sollten die Vorgaben wie gehabt bleiben, könnten hunderte Lager abgesagt werden, da die Veranstalter nicht für deren Einhaltung garantieren könnten. Das wiederum ginge auf Lasten der Kinder, die „ohnehin eine sehr schwierige Zeit hatten.“Steger nennt das ein „geringe Wertschätzung“für Kinder und Familien, die „einfach inakzeptabel“sei.