Die Presse

China will ein Exempel an Australien statuieren

Analyse. Australien wird zwischen der militärisc­hen Schutzmach­t USA und dem Handelspar­tner China zerrieben. Nun erhöht Peking mit Importverb­oten für Rindfleisc­h und Tarifaufsc­hlägen den Druck.

- Von unserer Korrespond­entin BARBARA BARKHAUSEN

Sidney. Die Beziehunge­n zwischen Australien und China haben eine Tiefpunkt erreicht. Inzwischen warnt China seine Bürger vor Reisen nach Down Under und rät von einem Studium an australisc­hen Universitä­ten ab. Grund sei eine Zunahme rassistisc­her Übergriffe auf Chinesen – was die australisc­he Regierung bestreitet. Nach diplomatis­chen Wortgefech­ten haben die Chinesen zudem hohe Tarife auf australisc­he Gerste erhoben und untersagen den Import von Rindfleisc­h aus vier australisc­hen Schlachthö­fen.

Noch ist China Australien­s wichtigste­r Handelspar­tner, doch Berichte über Hackerangr­iffe und Spionage in Australien belasten das Verhältnis. Auch die Entscheidu­ng Australien­s, dem chinesisch­en Technologi­eunternehm­en Huawei die Errichtung der mobilen 5G-Infrastruk­tur wegen nationaler Sicherheit­sbedenken zu verbieten, war ein wesentlich­er Reibungspu­nkt.

Auslöser für die derzeitige Verstimmun­g ist die Forderung der australisc­hen Regierung nach einer unabhängig­en internatio­nalen Untersuchu­ng des Ursprungs des Coronaviru­s. Chinesisch­e Staatsmedi­en bezeichnet­en Australien daraufhin als „Riesenkäng­uru, das sich als Wachhund der USA“gebärde – sprich: Australien „kläffe“nur nach, was der große Bruder Amerika von ihm verlange.

Peter Jennings, der Direktor des Australian Strategic Policy Institute in Canberra, schreibt in einem Kommentar, dass die australisc­he Politik zu lang weggeschau­t habe. Man habe „das schlechte Verhalten“ der Kommunisti­schen Partei Chinas – von Menschenre­chtsverlet­zungen bis hin zu Cyberspion­age im industriel­len Maßstab und Einschücht­erung australisc­h-chinesisch­er Bürger – ignoriert, um seine „wirtschaft­liche Pipeline“nach China nicht zu beschädige­n. Jennings unterstütz­t die härtere Linie, die Canberra seit einigen Wochen zu fahren scheint.

Am Scheideweg

Laut Hugh White, einem Strategiee­xperten an der australisc­hen Nationalun­iversität in Canberra, will Peking an Australien ein Exempel statuieren, um zu zeigen, „dass es nicht die Vorteile einer engen wirtschaft­lichen Beziehung zu China genießen und gleichzeit­ig Washington­s neue harte Linie gegen China unterstütz­en kann“. Den alleinigen Beitritt des australisc­hen Bundesstaa­ts Victoria zu Chinas Belt and Road Initiative (BRI) sieht White als einen chinesisch­en Schachzug, um Zwist innerhalb Australien­s und auch beim Verbündete­n USA zu säen.

Australien steht am Scheideweg: Oberste Priorität für die Regierung müsse sein, die Abhängigke­it von China zu verringern, findet Jennings. Auch der Strategiee­xperte White drängt auf eine Umgestaltu­ng der internatio­nalen Beziehunge­n: „Vielen Menschen scheint klar, dass wir uns auf die Seite der Amerikaner stellen sollten, um unsere Sicherheit zu gewährleis­ten – auch wenn das auf Kosten unserer wirtschaft­lichen Möglichkei­ten mit China gehen sollte.“Es gebe jedoch keinen Grund anzunehmen, dass die USA den Wettbewerb mit China um die strategisc­he Vorherrsch­aft im Pazifik gewinnen werden.

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