Vurals Schuldbekenntnis zu Frauen
Islam. Nach dem Rücktritt der Frauensprecherin räumt der IGGÖ-Präsident ein, dass Frauen unterrepräsentiert sind. Man werde das ändern.
Wien. In der Islamischen Glaubensgemeinschaft in Österreich (IGGÖ) ist eine Debatte über die mangelnde Beteiligung von Frauen ausgebrochen. Eine Debatte, die so große Wellen schlägt, dass sich Präsident Ümit Vural in seiner wöchentlichen Videobotschaft am Freitag schuldbewusst zeigt und Reformen verspricht – und eine stärkere Beteiligung von Frauen in der IGGÖ.
Hintergrund ist der Rücktritt der bisherigen Frauensprecherin, Fatma Akay-Türker, die am vergangenen Wochenende ihre Funktion im Obersten Rat der IGGÖ zurücklegte. Sie habe festgestellt, sagte sie in einem Interview mit dem „Standard“, „dass die Interessen der muslimischen Frauen kaum wahrgenommen werden. Ich konnte mit diesem abwertenden Verhalten nicht umgehen, dass die muslimischen Frauen in verschiedenen Moscheen nur im Hintergrund einen Platz haben und keine ausreichende Anerkennung finden.“
Gleichzeitig klagte sie über das traditionelle Frauenbild, das in der IGGÖ vorherrsche. Es habe sich im Islam eine männerdominierte
Theologie entwickelt, „die weder dem Koran noch dem gesunden Menschenverstand“entspreche. Und der IGGÖ fehle die Fähigkeit zu einer kritischen Reflexion der islamischen Theologie. Im Gegenteil, ihrer Ansicht nach gehe es in der IGGÖ darum „nur den Stillstand zu bewahren“.
„Verpasstes nachholen“
Neben ihrem Abschied aus dem Obersten Rat, wo sie die einzige Frau war, beendet sie auch ihre Tätigkeit als Religionslehrerin an einem Gymnasium. Freiwillig. Weil sie, wie sie sagt, in dieser
Funktion „nicht in Freiheit reden“und die Verhältnisse nicht hinterfragen könne. Sehr viele Kollegen würden darunter leiden, dass ihre kritische Haltungen keine Anerkennung finden. „Ich wollte nicht Teil dieser schweigenden Mehrheit bleiben.“
Vural reagiert nach dem Rücktritt der einzigen Frau im Obersten Rat mit einem Schuldeingeständnis. Zwar sei der Frauenanteil innerhalb der IGGÖ in den vergangenen Jahren gestiegen, auch würden Frauen wichtige Schlüsselpositionen besetzen. Allerdings: „Eines lässt sich nicht leugnen: In den politischen Entscheidungsgremien unserer Glaubensgemeinschaft sind Frauen immer noch deutlich unterrepräsentiert. Die Gleichbehandlung von Frauen in unseren Reihen ist bei weitem noch nicht verwirklicht.“
Mit diesem Vorhaben sei er aber als Präsident angetreten, nämlich die gleichwertige Beteiligung und Sichtbarkeit von Frauen und Männern in allen Bereichen zu fordern und zu fördern. Dafür, dass das noch nicht so geschehen sei, wie es sein sollte, übernehme er als Präsident die Verantwortung. Und er kündigt auch Reformen an: „Was verpasst wurde, gilt es nun nachzuholen.“Konkret plant er, bis zur nächsten Sitzung des Schurarats, quasi des Parlaments der IGGÖ, weitere Posten im Obersten Rat, quasi der Regierung, freizumachen. Das könne aber nur ein erster Schritt sein.
Man werde auch eine unabhängige Kommission einrichten, in den die Themen Gleichstellung, Frauenförderung und Diversität innerhalb der Glaubensgemeinschaft evaluiert und konkrete Maßnahmen entwickelt werden sollen.
„An die Herren“in der IGGÖ
Vural nützt seine Videobotschaft aber auch zu einer Mahnung „an die Herren“in der IGGÖ: „Geschlechterungleichheit ist eine Tatsache, die in unserer Gemeinschaft noch nicht überwunden ist.“Man müsse daher künftig mehr Frauen in der Leitung und Administration einsetzen. Denn, so Vural, „wir dürfen uns nicht weiter der Hälfte unseres Potenzials berauben“.