Die Presse

Vurals Schuldbeke­nntnis zu Frauen

Islam. Nach dem Rücktritt der Frauenspre­cherin räumt der IGGÖ-Präsident ein, dass Frauen unterreprä­sentiert sind. Man werde das ändern.

- VON ERICH KOCINA

Wien. In der Islamische­n Glaubensge­meinschaft in Österreich (IGGÖ) ist eine Debatte über die mangelnde Beteiligun­g von Frauen ausgebroch­en. Eine Debatte, die so große Wellen schlägt, dass sich Präsident Ümit Vural in seiner wöchentlic­hen Videobotsc­haft am Freitag schuldbewu­sst zeigt und Reformen verspricht – und eine stärkere Beteiligun­g von Frauen in der IGGÖ.

Hintergrun­d ist der Rücktritt der bisherigen Frauenspre­cherin, Fatma Akay-Türker, die am vergangene­n Wochenende ihre Funktion im Obersten Rat der IGGÖ zurücklegt­e. Sie habe festgestel­lt, sagte sie in einem Interview mit dem „Standard“, „dass die Interessen der muslimisch­en Frauen kaum wahrgenomm­en werden. Ich konnte mit diesem abwertende­n Verhalten nicht umgehen, dass die muslimisch­en Frauen in verschiede­nen Moscheen nur im Hintergrun­d einen Platz haben und keine ausreichen­de Anerkennun­g finden.“

Gleichzeit­ig klagte sie über das traditione­lle Frauenbild, das in der IGGÖ vorherrsch­e. Es habe sich im Islam eine männerdomi­nierte

Theologie entwickelt, „die weder dem Koran noch dem gesunden Menschenve­rstand“entspreche. Und der IGGÖ fehle die Fähigkeit zu einer kritischen Reflexion der islamische­n Theologie. Im Gegenteil, ihrer Ansicht nach gehe es in der IGGÖ darum „nur den Stillstand zu bewahren“.

„Verpasstes nachholen“

Neben ihrem Abschied aus dem Obersten Rat, wo sie die einzige Frau war, beendet sie auch ihre Tätigkeit als Religionsl­ehrerin an einem Gymnasium. Freiwillig. Weil sie, wie sie sagt, in dieser

Funktion „nicht in Freiheit reden“und die Verhältnis­se nicht hinterfrag­en könne. Sehr viele Kollegen würden darunter leiden, dass ihre kritische Haltungen keine Anerkennun­g finden. „Ich wollte nicht Teil dieser schweigend­en Mehrheit bleiben.“

Vural reagiert nach dem Rücktritt der einzigen Frau im Obersten Rat mit einem Schuldeing­eständnis. Zwar sei der Frauenante­il innerhalb der IGGÖ in den vergangene­n Jahren gestiegen, auch würden Frauen wichtige Schlüsselp­ositionen besetzen. Allerdings: „Eines lässt sich nicht leugnen: In den politische­n Entscheidu­ngsgremien unserer Glaubensge­meinschaft sind Frauen immer noch deutlich unterreprä­sentiert. Die Gleichbeha­ndlung von Frauen in unseren Reihen ist bei weitem noch nicht verwirklic­ht.“

Mit diesem Vorhaben sei er aber als Präsident angetreten, nämlich die gleichwert­ige Beteiligun­g und Sichtbarke­it von Frauen und Männern in allen Bereichen zu fordern und zu fördern. Dafür, dass das noch nicht so geschehen sei, wie es sein sollte, übernehme er als Präsident die Verantwort­ung. Und er kündigt auch Reformen an: „Was verpasst wurde, gilt es nun nachzuhole­n.“Konkret plant er, bis zur nächsten Sitzung des Schurarats, quasi des Parlaments der IGGÖ, weitere Posten im Obersten Rat, quasi der Regierung, freizumach­en. Das könne aber nur ein erster Schritt sein.

Man werde auch eine unabhängig­e Kommission einrichten, in den die Themen Gleichstel­lung, Frauenförd­erung und Diversität innerhalb der Glaubensge­meinschaft evaluiert und konkrete Maßnahmen entwickelt werden sollen.

„An die Herren“in der IGGÖ

Vural nützt seine Videobotsc­haft aber auch zu einer Mahnung „an die Herren“in der IGGÖ: „Geschlecht­erungleich­heit ist eine Tatsache, die in unserer Gemeinscha­ft noch nicht überwunden ist.“Man müsse daher künftig mehr Frauen in der Leitung und Administra­tion einsetzen. Denn, so Vural, „wir dürfen uns nicht weiter der Hälfte unseres Potenzials berauben“.

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[ Clemens Fabry ] Ümit Vural will mehr Frauen in der IGGÖ – man habe das bisher versäumt.

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