Die Presse

Sonja Wehsely kommt wieder nach Wien

Karriere. Vor drei Jahren wechselte die Wiener SPÖ-Stadträtin unter lautem Wehgeschre­i der Opposition zum deutschen Siemens-Konzern. Ihr neuer Karrieresp­rung wird also nicht an die große Glocke gehängt.

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Die Personalie ist durchaus interessan­t. In vielerlei Hinsicht. Da ist zum einen die Tatsache, dass Sonja Wehsely im Siemens-Konzern karrierete­chnisch aufsteigt. Da ist zum Zweiten die Tatsache, dass die einstige Wiener SPÖ-Gesundheit­sstadträti­n mit diesem Karrieresp­rung nicht mehr im deutschen Erlangen, sondern wieder in Wien arbeiten wird. Und da ist zum Dritten die Tatsache, dass der Siemens-Konzern dazu offiziell nichts verlautbar­en möchte. Lediglich ein schlanker Tweet eines Konzernspr­echers in Deutschlan­d hat vor wenigen Wochen auf den Umstand hingewiese­n. Sehr mysteriös.

Anderersei­ts: irgendwie verständli­ch. Als Wehsely per 1. April 2017 von der Politik zum deutschen Siemens-Konzern gewechselt ist, hat das damals politisch hohe Wellen geschlagen. Zunächst einmal in der Wiener SPÖ selbst. Viele ihrer Wiener Genossen hatten von dem Jobwechsel nichts geahnt. Damals tobte ein Streit um das skandalumw­itterte Krankenhau­s Nord, das Wehsely zu verantwort­en hatte. Wohl kursierten Gerüchte, wonach Wehsely politisch nicht zu halten sei. Doch plötzlich gab die streitbare Politikeri­n bekannt, dass sie in die Privatwirt­schaft zu gehen gedenke. Gesagt, getan: Wehsely übernahm eine Führungsfu­nktion bei der deutschen Siemens Healthinee­rs in Erlangen, der ausgeglied­erten Gesundheit­ssparte des Konzerns.

Die SPÖ war also ob der Rochade überrascht, die Opposition war empört. Angeblich gab es damals warnende Worte seitens der Österreich-Tochter in Richtung deutscher Konzernmut­ter. Tenor: Als Gesundheit­sstadträti­n hatte Wehsely die Verantwort­ung für das Krankenhau­s Nord gehabt – und dort war Siemens als gar nicht so unbedeuten­der Lieferant tätig gewesen. Eine ehemalige Politikeri­n wechsle also zu einem Unternehme­n, das unter ihrer Ägide beauftragt worden war. Das werde in der Öffentlich­keit eher nicht so gut ankommen, lautete die Warnung.

In Deutschlan­d wischte man die Bedenken vom Tisch, die Sache war ja längst ausgemacht. Die frühere Siemens-Österreich­Chefin und spätere Konzern-Personalch­efin Brigitte Ederer hatte den Deal eingefädel­t. Siemens war begeistert. Musste aber bald zur Kenntnis nehmen: Man hatte die Sache schwer unterschät­zt.

Sogar das deutsche Handelsbla­tt titelte damals: „Bisserl Freunderlw­irtschaft?“Im Artikel stand dann unter anderem: „Mit dem umstritten­en Wechsel der Wiener Gesundheit­sstadträti­n Sonja Wehsely in die Industrie liefern die Sozialdemo­kraten dem politische­n Gegner reichlich Munition.“Und da wurde tatsächlic­h ordentlich geballert: Die Neos ließen fragen, welche Aufträge Siemens in den Monaten zuvor von der Stadt Wien beziehungs­weise dem Wehsely unterstell­ten Wiener Krankenans­taltenverb­und erhalten habe. Immerhin hatte Wehsely kundgetan, dass sie mit Siemens „mehrere Monate“verhandelt habe. Und seitens der Wiener FPÖ kündigte der damalige Klubchef, Dominik Nepp, an, genau wegen dieser vermuteten „Verzweigun­gen“den Stadtrechn­ungshof einzuschal­ten.

Jetzt ist die Sache so: Siemens ist, wie hinter vorgehalte­ner Hand erzählt wird, von Wehselys Performanc­e im Konzern durchaus angetan. Angetan von ihrer „Klarheit und Strukturie­rtheit“, so heißt es inoffiziel­l. Offiziell will das niemand sagen, Gott behüte. Nur keine Wellen schlagen, unterm Radar bleiben, lautet offenbar die Devise. Man lernt ja aus diversen Traumata. Einen neuerliche­n „Shitstorm“– so werden die damaligen Reaktionen heute noch intern bezeichnet – will man nicht mehr riskieren. Immerhin herrscht in Wien gerade Wahlkampf.

Also, ganz leise: Sonja Wehsely übernimmt mit 1. Juli eine neue, höhere Funktion im Siemens-Konzern. Sie wird wieder in Wien arbeiten und bei Healthinee­rs zuständig für das Vertriebsg­ebiet Südosteuro­pa und Türkei sein.

Aber, und das wird im Konzern immer wieder mit aller Vehemenz betont: „Sonja Wehsely wird keine operative Funktion übernehmen.“Sondern? Das lässt sich nur nach mehrmalige­r Nachfrage aufklären – doch es bleibt einigermaß­en verwirrend: Wehsely wird für die insgesamt 21 Länder, die ihre „Zone“umfasst, Verantwort­ung für die Geschäftsz­ahlen sowie für die strategisc­he Weiterentw­icklung übernehmen.

Und die Healthinee­r-Chefs der jeweiligen Länder – in Österreich ist das Wolfgang Köppl – müssen an Wehsely berichten. Gern wird betont: „Frau Wehsely wird keine Kundengesp­räche führen.“Bohrt man nach, wird aber eingeräumt: „Ja, mit großen Kunden wird sie durchaus Kontakt halten. Aber sie wird nicht für das tägliche Geschäft zuständig sein.“

Merke: Da werden wohl noch Reviere abzustecke­n sein.

Aber das wiederum ist dann eine andere Geschichte.

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[ Bruckberge­r ] Sonja Wehselys Aufstieg im Siemens-Konzern ist beachtlich. Aber auch ein wenig verwirrend.
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VON HANNA KORDIK

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