Tag der Entscheidung für die Industrie
IV-Wahl. Am Donnerstag wird der neue Präsident der Industriellenvereinigung gewählt – in einer Kampfabstimmung. Doch die Inhalte spielen nicht die entscheidende Rolle, wer die Wahl gewinnt.
Wien. Willkürlich zusammengesetzte Wahlkommissionen, beleidigte Briefwechsel, ein zuerst zögerlich, dann erratisch agierender Präsident – in der Industriellenvereinigung (IV) spielen sich Szenen ab, die man von der sonst sehr behutsam, berechnend und effektiv ihre Interessen durchsetzenden Organisation nicht kennt.
Der Grund: Die IV-Länderorganisationen konnten sich auf keinen Nachfolger von Georg Kapsch einigen – erstmals seit 25 Jahren steht der neue IV-Präsident nicht schon vor der offiziellen Wahl fest. Die Entscheidung wird in einer geheimen Kampfabstimmung zwischen drei Kandidaten am Donnerstag fallen. Wer in den kommenden vier Jahren den Ton am Schwarzenbergplatz angeben wird, ist nicht nur für Österreichs Industrie relevant: Die IV ist ein Machtfaktor im Land, keine andere freiwillige Interessenvertretung hat so viel Einfluss auf die Gesetzgebung.
Programm nicht entscheidend
Was die Sache noch spannender macht: Das Rennen ist völlig offen. Denn alle Bewerber bringen die Voraussetzungen mit, um die rund 4500 IV-Mitglieder angemessen zu vertreten: Wolfgang Eder, langjähriger Vorstandschef des börsenotierten Stahlkonzerns Voestalpine; Martin Ohneberg, Mehrheitseigentümer und Geschäftsführer des Vorarlberger Autozulieferers Henn; Georg Knill, Co-Eigentümer und Co-Geschäftsführer der KnillGruppe, einer steirischen familiengeführten Technologiefirma.
Doch worauf kommt es an, um die 137 IV-Bundesvorstände zu überzeugen? Nicht auf das Programm, da sind alle großteils auf einer Linie. „Die Presse“hat mit den Kandidaten, Industriellen und wahlberechtigten CEOs gesprochen – die entscheidenden Faktoren, um die Wahl zu gewinnen:
Die IV ist föderal strukturiert. Jedes Bundesland hat eine bestimmte Anzahl an Stimmen, mit denen es sich im Bundesvorstand einbringen kann. Das Prinzip: Je stärker die Industrie, desto mehr Mandate. Mit 24 Stimmen hat das traditionell industriestarke Oberösterreich großen Einfluss. Diese Hausmacht steht geschlossen hinter dem Oberösterreicher Eder. Jedoch hat das
Voestalpine-Urgestein kein gutes Verhältnis zu den übrigen IV-Länderpräsidenten. Sie haben sich in der Frühphase des Wettstreits für Ohneberg ausgesprochen. Im Frühjahr verweigerte Eder, sich ihnen in einem Hearing zu stellen.
Ohneberg kann sich indes auf den Westen verlassen: Der gebürtige Bregenzer ist Vorarlberger IVPräsident, auch Tirol, Salzburg und Kärnten werden ihm ihre Stimmen geben. Die vier Organisationen kommen gemeinsam auf 24 Bundesvorstände. Auch in Wien, mit 20 Stimmen die zweitstärkste Industrieregion, hat Ohneberg viele Sympathisanten. Zu Beginn war die Steiermark mit 16 Mandaten auf Ohnebergs Seite, hat nun aber mit ihrem Präsidenten Knill einen eigenen Kandidaten im Rennen.
Knill brachte sich vergleichsweise spät ins Spiel, kann aber auf einige Kärntner, Niederösterreicher und Wiener zählen. Das Burgenland spielt mit zwei Stimmen keine tragende Rolle, dürfte aber Knill wählen. Entscheidend wird sein, wer die meisten in Wien und Niederösterreich überzeugen kann.
Für Außenstehende mag das seltsam erscheinen, aber innerhalb der IV spielt es eine große Rolle, ob ihr oberster Vertreter ein Industrieunternehmen „nur“operativ als Manager leitet oder auch gleichzeitig als Eigentümer. So zählt IV-Präsident Kapsch zur eigentümergeführten Gruppe, sein Vorgänger Veit Sorger als CEO des Papierkonzerns Mondi (damals Frantschach und Neusiedler AG) war Manager. Einige argumentieren, dass nun wieder ein Spitzenmanager wie Eder übernehmen soll. Der 68-Jährige könne seine Zeit gänzlich der Interessenvertretung widmen, da er nicht mehr operativ tätig ist – das sei in Anbetracht der schwierigen Zeiten, die der Industrie wegen der Coronakrise bevorstehen, ein Argument – neben seiner Erfahrung in der krisengebeutelten Stahlindustrie.
Ohneberg verkauft sich hingegen als Selfmademan – und das ist er auch. Ohne dass ihm das Unternehmertum in die Wiege gelegt worden ist, hat er sich früh in der IV engagiert, 2011 den Autozulieferer Henn mehrheitlich übernommen und den Umsatz vervielfacht. Erst dann wurde er im Kreis der Industriellen akzeptiert, erzählt er.
Knill steht hingegen für den klassischen österreichischen Industriellen: Den Betrieb 2002 von seinem Vater in zwölfter Generation übernommen, führt er gemeinsam mit seinem Bruder die Knill-Gruppe. Sie haben einen global tätigen Hidden Champion aufgebaut und ihn mit Komponenten für den Energie- und Technologiesektor ins 21. Jahrhundert geführt.
Doch die Qualifikation kann noch so gut sein, wenn das Netzwerk nicht passt. Hier wird die Wahl entschieden. Eder kann sich auf die Industriellen Oberösterreichs verlassen, darunter Industrie-Bosse wie KTM-Chef Stefan Pierer oder das hinter den Kulissen „Old Boys“genannte Netzwerk, allen voran die ehemaligen IV-Präsidenten Veit Sorger und Peter Mitterbauer.
Ohneberg und Knill haben indes einen guten Draht zur Regierung, konkret in die engsten Kreise der türkisen ÖVP. Das könnte bei der Wahl die eine oder andere Stimme bringen, sich aber auch als Nachteil erweisen – die IV legt großen Wert auf ihre Unabhängigkeit von der Politik. Ohneberg ist von den drei Kandidaten am besten vernetzt, seine Kontakte reichen über die Soravia-Brüder, „Krone“-Eigentümer Christoph Dichand bis hin zur B&C-Industrieholding. Doch sein größter Nachteil ist sein engster Geschäftspartner: Michael Tojner. Seinetwegen ist er in ein Verfahren verwickelt. Das hat überhaupt erst dazu geführt, dass Knill zur Sicherheit als eine Alternative zu Eder ins Rennen geschickt wurde.