Die Presse

„Investoren auf Abstand gehalten“

Fidelity-Internatio­nal-Chefin Anne Richards übt Kritik an Regierunge­n.

- VON BEATE LAMMER

Wien. Im Zuge der Coronapand­emie haben zahlreiche europäisch­e Regierunge­n milliarden­schwere Hilfspaket­e aufgelegt. Sie würden damit künftiges Wachstum und Ausgaben einfach vorziehen – auf Kosten künftiger Generation­en, beklagt Anne Richards, Chefin von Fidelity Internatio­nal, in einem Kommentar.

Ihrer Meinung nach sollten viel stärker Eigenkapit­algeber mobilisier­t werden – sprich: Unternehme­n, die Geld brauchen, sollten sich stärker über Aktien finanziere­n, und die Regierunge­n sollten dafür einen entspreche­nden Rahmen schaffen.

„In den Anfängen einer Krise hat Fremdkapit­al einen natürliche­n Vorteil gegenüber seinem Bruder, dem Eigenkapit­al“, räumt die Expertin ein. Es lasse sich schneller und leichter aufnehmen. Zudem verstehe jeder, was eine Schuldvers­chreibung ist. „Viele Finanzpoli­tiker haben, mit oder ohne Absicht, diesen Vorteil in den vergangene­n Jahren auf Kosten von Aktienbete­iligungen verstärkt.“

„Aktienrisi­ko aufgebausc­ht“

Fremdkapit­al sei gegenüber Eigenkapit­al steuerlich begünstigt. Auch die zusätzlich­en Kosten eines börsenotie­rten Unternehme­ns verglichen mit einer privaten Firma machten es für Unternehme­n unattrakti­ver, Kapital an den Aktienmärk­ten aufzunehme­n.

Potenziell­e Investoren würden auf Abstand gehalten. So werde etwa die europäisch­e Versicheru­ngsbranche mit ihren sieben Billionen Euro an verwaltete­m Vermögen bei Aktienbete­iligungen durch regulatori­sche Vorschrift­en ausgebrems­t, die die Aktienrisk­en aufbausche­n und ihre Erträge mindern würden.

Auch Privatanle­ger seien gefragt. Dafür müssten erst die Ursachen für den rückläufig­en Aktienbesi­tz im noch jungen 21. Jahrhunder­t beseitigt werden.

In Europa eröffne sich mit der Initiative für eine Kapitalmar­ktunion eine gute Möglichkei­t, Nachfrage und Angebot von Aktien zu stärken. Aber dazu müssten Reformen, die Kleinanleg­er zu einem Eintritt in den Markt ermuntern, mit mehr Nachdruck vorangetri­eben werden, fordert Richards.

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