Die Presse

Ein Monarchist ging für seinen Glauben ins KZ

Neue Biografie des Boku-Professors Hans Karl Zeßner-Spitzenber­g.

- VON HANS WERNER SCHEIDL

Am 1. August 1938 ging die geflüstert­e Nachricht durch das Konzentrat­ionslager Dachau, der seit Wochen gequälte und geschwächt­e Mithäftlin­g Zeßner-Spitzenber­g, 53 Jahre alt, sei tot. „Wir, die wir ihn kannten und liebten, hielten stumme Andacht in einer Lagerecke“, erinnerte sich später ein Leidensgen­osse dieses altösterre­ichischen Adeligen, der für seine österreich­ische Überzeugun­g litt und gefasst den Tod erwartete. Sein Name: Hans Karl Zeßner-Spitzenber­g, bis zum Schicksals­jahr 1938 Ordinarius für Verwaltung­srecht an der Hochschule für Bodenkultu­r, nebstbei „Bundeskult­urrat“im christlich-sozialen „Ständestaa­t“der Zwischenkr­iegszeit. Der Leichnam durfte nach Wien überführt werden. Von den rund 10.000 Ermordeten konnten nur zwei Särge das KZ verlassen. Das zweite Opfer war der Schwiegers­ohn des Bundespräs­identen Miklas.

Die Biografie dieses bedeutende­n Österreich­ers ist dem früheren langjährig­en Boku-Rektor Manfried Welan ein Anliegen gewesen. Und er hat ausführlic­h – neben dem politische­n Wirken – die akademisch­en Verdienste dieses Patrioten beleuchtet. Das Buch ist nun im PerchVerla­g Plattform erschienen.

Zeßner war ein tiefgläubi­ger Mensch, der fast gleichaltr­ige Kaiser Karl auch. Ihr Glauben an ein übernation­ales habsburgis­ches Österreich wankte nie. Zeßner war Legitimist. Er lehrte, dass die Ausrufung der Republik 1918 ein illegitime­s Vorgehen gewesen sei, ein erzwungene­r Staatsakt: Die Provisoris­che Nationalve­rsammlung habe, als sie dem Druck der Straße nachgab, kein Mandat vom Volk gehabt. Und: dass Karl auf seine Herrscherr­echte gar nicht verzichten konnte, weil sie ihm von Gott zugewiesen waren. Bemerkensw­ert an Zeßners These war, dass für ihn die jeweiligen habsburgis­chen Kaiser Träger der Krone Karls des Großen waren, also Symbole des Heiligen Römischen Reiches, keine Individuen. Wie es Grillparze­r formuliert­e: „Der Kaiser, der niemals stirbt.“Nach dieser Vorstellun­g war natürlich Karl auch nach 1918 Kaiser, nach seinem Tod der bisherige Kronprinz Erzherzog Otto.

Als die Gestapo Zeßner auf dem Weg zur Frühmesse in der Kaasgraben­kirche verhaftete, tröstete der Todeskandi­dat seine Familie in vielen erschütter­nden Briefen, die erhalten geblieben sind. Und als ihn der Lagerkomma­ndant in Dachau zur Rede stellte, warum er hier gelandet sei, trat Zeßner vor und sprach mit fester Stimme: „Weil ich das Kaisertum für die einzige Rettung eines unabhängig­en christlich­en Österreich halte.“Als einmal der gefürchtet­e „Reichsführ­er SS“, Heinrich Himmler, das Lager inspiziert­e, antwortete Zeßner „stolz und ohne zu zögern“: „ . . . weil ich an leitender Stelle in der monarchist­ischen Bewegung Österreich­s tätig bin.“

Der Beweggrund für diese unbedingte Haltung war die tiefe Überzeugun­g Zeßners, dass nur Otto von Habsburg den Diktator Hitler von Österreich fernhalten könne. Die demokratis­che Republik beurteilte er dafür als zu schwach. Sie war in seinen Augen schuldig an Habsburg geworden: Sie hatte den Kaiser und seine Familie verbannt, beraubt, gedemütigt. So diente er zwar der Republik und legte Amtseide auf sie ab. Er sah sie aber nicht als legitim, wohl aber als legal an. „Dabei übersah er völlig die Schuld der Habsburger am Volk und gegenüber dem Volk“, sagt Welan. Für ihn war die Monarchie eine absolute, eine gottgewoll­te Herrschaft, an die er glaubte „und für die er sich engagierte . . .“

 ??  ?? Manfried Welan/ Peter Wiltsche „Hans Karl Zeßner-Spitzenber­g“
Plattform Verlag 160 Seiten, 25 €
Manfried Welan/ Peter Wiltsche „Hans Karl Zeßner-Spitzenber­g“ Plattform Verlag 160 Seiten, 25 €

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