Der Mundschutz darf nicht zum Maulkorb werden
Die Regierung muss den Weg zurück zum Dialog mit der Gesellschaft finden.
Bereitwillig hat sich der Großteil von uns den Mundschutz übergezogen. Das Haus haben wir nur noch für das Nötigste verlassen, auf soziale Kontakte verzichtet. Schließlich ging es darum, die Kurve flach zu halten, Oma und Opa zu schützen. So sagte man uns. Wir haben zugehört und teilweise massive Einschränkungen auf uns genommen. Sogar auf demokratische Grundrechte haben wir vorübergehend verzichtet, um die Verbreitung des Virus zu stoppen und uns und unsere Mitmenschen zu schützen.
Drei Monate später hat sich die Stimmung gedreht. Zu viele Fragezeichen stehen im Raum: Hat die Politik richtig reagiert? Haben wir damit, ihren teilweise verfassungsrechtlich problematischen Verordnungen zu folgen, alles richtig gemacht? Und vor allem: Wie wird es jetzt, da die Folgen der Krise deutlich werden, weitergehen?
Im Rahmen einer aufstehnUmfrage zu Corona mit knapp 15.000 Teilnehmern und Teilnehmerinnen haben 56 Prozent angegeben, dass sie sich Sorgen um die finanzielle Zukunft ihrer Mitmenschen machen; 60 Prozent befürchten, dass demokratische Grundrechte und Freiheiten langfristig unter der Krise leiden könnten.
Es ist Zeit für Antworten. Zu lang hat Türkis/Grün via Pressekonferenz regiert, jetzt braucht es den Dialog mit der Gesellschaft. Wer Politik im stillen Kämmerchen macht und nur mit einstudierten täglichen Ansprachen und perfekten Bildern vor die Kamera tritt, schwächt das Vertrauen der Bevölkerung in das demokratische System. Das ist gefährlich.
Desinformation schlägt zu
Verschwörungsmythen erleben gerade eine Renaissance. Selbst ernannte Aufdecker und charismatische Möchtegern-Virologen ziehen auf YouTube und in anderen sozialen Medien Hunderttausende in ihren Bann. Sie werden gefeiert und millionenfach geteilt, weil sie das scheinbar Verbotene tun, indem sie Machtverhältnisse und Entscheidungen hinterfragen. Sie geben vor, die Antworten zu kennen, die so viele von uns vermissen. Desinformation schlägt zu, wenn Dialog fehlt und Kritik kleingehalten wird. Dahinter stecken nicht selten dubiose Absichten – von der Verbreitung rassistischer Theorien über die Weltherrschaft bis hin zu Kauftricks für Anti-Corona-Produkte.
Das Wohl aller im Fokus
Die Hoffnung in Zeiten grenzübergreifender Desinformation liegt in einer engagierten Zivilgesellschaft mit einer gemeinsamen Erzählung, bei der das Wohl aller Bürger und Bürgerinnen im Fokus steht. Unter dem Titel „Wir schreiben den Plan aus der Krise gemeinsam!“diskutierten zuletzt Hunderte Menschen – von der pensionierten Bäuerin aus Vorarlberg bis zum Sozialarbeiter aus Wien – auf Einladung von aufstehn mit Experten über Zukunftsfragen.
Wer soll die Krise bezahlen? Wie können wir unsere demokratischen Strukturen wahren? Wie schaffen wir es, den Wiederaufbau so zu gestalten, dass unser Planet dabei nicht zugrunde geht?
Viele Antworten auf diese Fragen gibt es bereits: 73 Prozent der Österreicher sind laut Ifes-Studie für eine Vermögensteuer. Unklare Erlässe und Verordnungen könnten mit Blick auf die Verfassung bereinigt und das Vertrauen in das demokratische System mit Informations- und Transparenzoffensiven (Stichwort Amtsgeheimnis) wiederhergestellt werden. Und mit einer Reduktion der Erderwärmung auf 1,5 Grad können wir die Klimakatastrophe noch abwenden. Noch.
Es ist Zeit, dass sich die Bundesregierung öffnet und sich damit auseinandersetzt. Es ist ein Dialog, für den wir kämpfen werden.
Maria Mayrhofer (*1987) studierte Politikwissenschaften und ist Gründungsgeschäftsführerin der digitalbasierten Kampagnenorganisation aufstehn.
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