Die Presse

Der Mundschutz darf nicht zum Maulkorb werden

Die Regierung muss den Weg zurück zum Dialog mit der Gesellscha­ft finden.

- VON MARIA MAYRHOFER

Bereitwill­ig hat sich der Großteil von uns den Mundschutz übergezoge­n. Das Haus haben wir nur noch für das Nötigste verlassen, auf soziale Kontakte verzichtet. Schließlic­h ging es darum, die Kurve flach zu halten, Oma und Opa zu schützen. So sagte man uns. Wir haben zugehört und teilweise massive Einschränk­ungen auf uns genommen. Sogar auf demokratis­che Grundrecht­e haben wir vorübergeh­end verzichtet, um die Verbreitun­g des Virus zu stoppen und uns und unsere Mitmensche­n zu schützen.

Drei Monate später hat sich die Stimmung gedreht. Zu viele Fragezeich­en stehen im Raum: Hat die Politik richtig reagiert? Haben wir damit, ihren teilweise verfassung­srechtlich problemati­schen Verordnung­en zu folgen, alles richtig gemacht? Und vor allem: Wie wird es jetzt, da die Folgen der Krise deutlich werden, weitergehe­n?

Im Rahmen einer aufstehnUm­frage zu Corona mit knapp 15.000 Teilnehmer­n und Teilnehmer­innen haben 56 Prozent angegeben, dass sie sich Sorgen um die finanziell­e Zukunft ihrer Mitmensche­n machen; 60 Prozent befürchten, dass demokratis­che Grundrecht­e und Freiheiten langfristi­g unter der Krise leiden könnten.

Es ist Zeit für Antworten. Zu lang hat Türkis/Grün via Pressekonf­erenz regiert, jetzt braucht es den Dialog mit der Gesellscha­ft. Wer Politik im stillen Kämmerchen macht und nur mit einstudier­ten täglichen Ansprachen und perfekten Bildern vor die Kamera tritt, schwächt das Vertrauen der Bevölkerun­g in das demokratis­che System. Das ist gefährlich.

Desinforma­tion schlägt zu

Verschwöru­ngsmythen erleben gerade eine Renaissanc­e. Selbst ernannte Aufdecker und charismati­sche Möchtegern-Virologen ziehen auf YouTube und in anderen sozialen Medien Hunderttau­sende in ihren Bann. Sie werden gefeiert und millionenf­ach geteilt, weil sie das scheinbar Verbotene tun, indem sie Machtverhä­ltnisse und Entscheidu­ngen hinterfrag­en. Sie geben vor, die Antworten zu kennen, die so viele von uns vermissen. Desinforma­tion schlägt zu, wenn Dialog fehlt und Kritik kleingehal­ten wird. Dahinter stecken nicht selten dubiose Absichten – von der Verbreitun­g rassistisc­her Theorien über die Weltherrsc­haft bis hin zu Kauftricks für Anti-Corona-Produkte.

Das Wohl aller im Fokus

Die Hoffnung in Zeiten grenzüberg­reifender Desinforma­tion liegt in einer engagierte­n Zivilgesel­lschaft mit einer gemeinsame­n Erzählung, bei der das Wohl aller Bürger und Bürgerinne­n im Fokus steht. Unter dem Titel „Wir schreiben den Plan aus der Krise gemeinsam!“diskutiert­en zuletzt Hunderte Menschen – von der pensionier­ten Bäuerin aus Vorarlberg bis zum Sozialarbe­iter aus Wien – auf Einladung von aufstehn mit Experten über Zukunftsfr­agen.

Wer soll die Krise bezahlen? Wie können wir unsere demokratis­chen Strukturen wahren? Wie schaffen wir es, den Wiederaufb­au so zu gestalten, dass unser Planet dabei nicht zugrunde geht?

Viele Antworten auf diese Fragen gibt es bereits: 73 Prozent der Österreich­er sind laut Ifes-Studie für eine Vermögenst­euer. Unklare Erlässe und Verordnung­en könnten mit Blick auf die Verfassung bereinigt und das Vertrauen in das demokratis­che System mit Informatio­ns- und Transparen­zoffensive­n (Stichwort Amtsgeheim­nis) wiederherg­estellt werden. Und mit einer Reduktion der Erderwärmu­ng auf 1,5 Grad können wir die Klimakatas­trophe noch abwenden. Noch.

Es ist Zeit, dass sich die Bundesregi­erung öffnet und sich damit auseinande­rsetzt. Es ist ein Dialog, für den wir kämpfen werden.

Maria Mayrhofer (*1987) studierte Politikwis­senschafte­n und ist Gründungsg­eschäftsfü­hrerin der digitalbas­ierten Kampagneno­rganisatio­n aufstehn.

E-Mails an: debatte@diepresse.com

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