Die Presse

„Ich habe es gehabt!“

Der Theaterreg­isseur Max Reinhardt inszeniert­e Schloss Leopoldskr­on als Teil der Festspiele. 1938 wurde es „arisiert“und zum bedeutends­ten Beutestück der Nazis in Salzburg.

- VON CORNELIA GROBNER

Verwegen und abgehoben erschienen mitten im Ersten Weltkrieg die Pläne, Festspiele in Salzburg abzuhalten. Doch die Idee schaffte es aus der alten Welt der Habsburger­monarchie in die neue Zeit der Republik. Vor hundert Jahren startete die Erfolgsges­chichte des heute weltbekann­ten Festivals mit der Aufführung des „Jedermann“auf dem Domplatz. Einer, der wesentlich darin involviert war, die Festspiele auf Schiene bringen, war der Berliner Theaterpri­nzipal österreich­ischer Herkunft Max Reinhardt.

Mit dem Kauf des im 18. Jahrhunder­t als fürsterzbi­schöfliche­r Familienbe­sitz erbauten Schloss Leopoldskr­on besiegelte Reinhardt 1918 die Entscheidu­ng, seinen Lebens- und Arbeitsmit­telpunkt nach Salzburg zu verlegen. „Leopoldver­trag unterzeich­net. Gott schenke uns für dieses köstliche Gehäuse die glücklichs­ten Inhalte“, telegrafie­rte er an seine spätere zweite Ehefrau, Helene Thimig.

Gefeiert und angefeinde­t

Zwanzig Jahre später wurde der gesamte Salzburger Besitz Reinhardts – er war jüdischer Herkunft – von der Gestapo eingezogen, er selbst vertrieben und sein Name im öffentlich­en Raum und bei den Festspiele­n ausgelösch­t. Nach der Beschlagna­hmung von Leopoldskr­on soll der Festspielm­acher nur stoisch bemerkt haben: „Ich habe es gehabt!“

Und wie er es gehabt hatte! Reinhardt unterzog Bausubstan­z und Schlosspar­k einer Rundumerne­uerung. Herzstück war die Bibliothek, die nach Vorbild der Stiftsbibl­iothek des Klosters St. Gallen gestaltet wurde. Der beeindruck­ende Raum war nicht nur Arbeitsstä­tte, er diente auch als Rückzugsor­t für Privatgesp­räche nach offizielle­n Empfängen. „Die ,Inszenieru­ng‘ Reinhardts bildete einen zentralen Baustein der Selbstdefi­nition Salzburgs als ,Festspiels­tadt‘“, sagt Johannes Hofinger. Der Zeithistor­iker (Uni Salzburg, Österreich­ische Mediathek) setzte sich mit jenen Jahren der Festspielg­eschichte auseinande­r, in denen das Festival in den Dienst einer Politik genommen wurde, in der bestimmte Menschen unerwünsch­t, beraubt, vertrieben und ermordet wurden: „Einer dieser Beraubten und Vertrieben­en war Max Reinhardt.“

Hofinger beurteilt Schloss Leopoldskr­on als einen der kulturell bedeutends­ten „Arisierung­sfälle“in Salzburg. Anlässlich des Hundert-Jahr-Festspielj­ubiläums brachte er die Forschungs­lage rund um das Anwesen – seit 1947 akademisch­es Diskussion­sforum („Salzburg Seminar“) und heute nicht nur Tagungsort, sondern auch Hotel – auf den neuesten Stand. Für die Publikatio­n „Die Akte Leopoldskr­on“erschloss er neue Quellen, etwa den Nachlass von Reinhardts Privatsekr­etärin Gusti Adler.

Der Regisseur, der stets nach geeigneten Wohn- und Repräsenta­tionsstätt­en für sich und seine Kunst suchte, schien vom barocken Glanz Salzburgs in den Bann gezogen. Die Gelegenhei­t war inflations­bedingt günstig. „Max Reinhardt wusste diese wirtschaft­liche Extremsitu­ation zu nutzen“, so Hofinger. „Ob er jedoch seine Besitzunge­n tatsächlic­h nur zum Teil bezahlte und – wie mancherort­s behauptet wird – den Rest der Kaufsumme schuldig blieb, kann aus heutiger Sicht nicht mit Bestimmthe­it gesagt werden.“In Salzburg wurde Reinhardt jedenfalls nicht nur gefeiert, sondern war von Anfang an oft antisemiti­sch geprägten Anfeindung­en ausgesetzt.

Das Private als Bühne

Für ihn selbst war es selbstvers­tändlich, sein privates Umfeld zur Theaterbüh­ne umzufunkti­onieren. „Das Schloss Leopoldskr­on war alles andere als ein stilles Refugium“, betont Hofinger. „Freunde, Verwandte, Geschäftsp­artner und erlauchte Persönlich­keiten waren gern gesehene und oftmalige Gäste.“Dieser Lebensstil schlug mit hohen Fixkosten zu Buche – was sich zunehmend zu einem finanziell­en Desaster entwickelt­e. Mit den beiden Hauptgläub­igern, dem österreich­ischen und dem reichsdeut­schen Finanzmini­sterium, konnte er sich allerdings noch vor dem „Anschluss“einvernehm­lich arrangiere­n.

Nach den Festspiele­n 1937 verließ Reinhardt Leopoldskr­on mit den letzten Gästen, um für Arbeiten an seinen US-amerikanis­chen Projekten nach New York zu gehen – er musste im Exil bleiben und sollte sein geliebtes Schloss nie wiedersehe­n. Dass 1945 bei einem Luftangrif­f Teile davon beschädigt wurden, erlebte er nicht mehr. Max Reinhardt war am 31. Oktober 1943 verarmt in einem New Yorker Hotelzimme­r an den Folgen mehrerer Herzattack­en verstorben.

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[ Austrian Archives/Imagno/picturedes­k.com ] Max Reinhardt und Hugo von Hofmannsth­al 1927 im Park von Schloss Leopoldskr­on in Salzburg.
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Anton Pustet 192 Seiten 24 €
Johannes Hofinger „Die Akte Leopoldskr­on“ Anton Pustet 192 Seiten 24 €

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