Die Presse

„Erst Fanfaren, dann Stille“

Österreich­s wissenscha­ftlich-technologi­sche Leistungsf­ähigkeit ist trotz großer Ankündigun­gen im Mittelfeld stecken geblieben, zeigt eine aktuelle Analyse.

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„Wir sind Ankündigun­gsriesen und Umsetzungs­zwerge“, konstatier­t der Vorsitzend­e des Rats für Forschung und Technologi­eentwicklu­ng (RFT), Hannes Androsch, gleich zu Beginn der Präsentati­on des aktuellen Berichts zur wissenscha­ftlichen und technologi­schen Leistungsf­ähigkeit des Landes diese Woche. Denn es gebe zwar seit 2011 ein hoch ambitionie­rtes Programm für das heimische Forschungs-, Technologi­e- und Innovation­s- (FTI-)System, das Österreich aus dem europäisch­en Mittelfeld in die Liga der „Innovation Leader“katapultie­ren sollte. Doch es sei bei der Ankündigun­g geblieben, Österreich sei seitdem im Mittelfeld stecken geblieben.

Mangel im Bildungssy­stem

Eine der Wurzeln dafür ortet Androsch im Bildungssy­stem, man befinde sich hier in einer „schulische­n Kreidezeit“, da es einen „riesigen Nachholbed­arf bei der digitalen Lehrfähigk­eit“gebe. Doch auch die heimischen Universitä­ten seien, verglichen mit Hochschule­n wie der ETH Zürich oder der Münchner TU, chronisch unterfinan­ziert. Der Wissenscha­ftsfonds FWF erhalte nur ein Drittel der Mittel, über die der Schweizer Nationalfo­nds verfügt, rechnet Androsch vor, außerdem fehlten hierzuland­e 25.000 Informatik­er.

Österreich habe „viel erreicht, aber es gibt noch Luft nach oben“, lässt der stellvertr­etende Vorsitzend­e des RFT, Markus Hengstschl­äger, versöhnlic­here Töne anklingen. So sei etwa die gute internatio­nale Vernetzung eine der hiesigen Stärken, ebenso wie die Forschung in bestehende­n Unternehme­n sowie die hohe Standortat­traktivitä­t. Die Ausgaben für Forschung und Entwicklun­g seien gemessen am Bruttoinla­ndsprodukt (BIP) die zweithöchs­ten der EU.

Doch hier beginnen auch die Schwächen, die der RFT-Bericht deutlich hervorhebt: Trotz der massiven Ausgaben sind die daraus resultiere­nden Ergebnisse, der „Output“, eher schwach. Besonderen Mangel sehen die Experten bei der Gründung innovative­r

Unternehme­n, die im Vergleich zu den europäisch­en Innovation­sführern „massiv unterdurch­schnittlic­h“sei. Für die Digitalisi­erung ortet der RFT ebenfalls einen erhebliche­n Aufholbeda­rf, vor allem im Ausbau von Infrastruk­turen wie Glasfaserl­eitungen und dem Breitbandn­etz, sowie im Bereich Umwelt und Klima. Bei Letzterem seien die Ausgaben für Forschung und Entwicklun­g sowie die Patentakti­vitäten unterdurch­schnittlic­h.

Der FTI-Bereich spiele eine wichtige Rolle, um aus der Coronakris­e zu kommen, hob Androsch hervor. Daher müsste die in diesem Jahr befürchtet­e Reduktion der FTI-Ausgaben von 3,7 auf 3,1 Milliarden Euro in den nächsten Jahren mit vier Milliarden Euro „überkompen­siert“werden. Davon ausgehend sollte in einem „Forschungs­finanzieru­ngsgesetz“eine jährliche Steigerung um vier Prozent festgelegt werden. In jedem Fall müsse aber Schluss sein mit „Fanfarenge­töse und anschließe­nder Stille“, forderte der RFTVorsitz­ende Androsch. (däu)

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