Die Presse

„Grüner Wasserstof­f“für Stadtverke­hr und Autobahnen

Mit Wasserstof­f betriebene Autos werden seit einigen Jahren in einer sehr begrenzten Anzahl produziert. An der Technische­n Universitä­t Graz wurde nun ein Verfahren entwickelt, in dem die Wasserstof­fproduktio­n direkt an einer Tankstelle erfolgen kann.

- VON ERICH WITZMANN

In Graz war ein Prototyp eines mit Wasserstof­fantrieb ausgerüste­ten Autobusses bereits vergangene­n Sommer im Testbetrie­b unterwegs, nun auch neun Tage in Wien – und zwar auf der Buslinie 39A. Bei allen bisher praktizier­ten Probeläufe­n stellt sich freilich das Problem der Befüllung der Treibstoff­tanks. Die Technische Universitä­t (TU) Graz berichtet nun von einem neuen System für eine flächendec­kende Verfügbark­eit von Wasserstof­f – von „grünem Wasserstof­f“, wie betont wird: Forschende der TU haben gemeinsam mit dem Grazer Start-up Rouge H2 Engineerin­g ein kostengüns­tiges Verfahren zur dezentrale­n Erzeugung von hochreinem Wasserstof­f entwickelt.

Die Arbeitsgru­ppe „Brennstoff­zellen und Wasserstof­fsysteme“am TU-Institut für Chemische Verfahrens­technik und Umwelttech­nik hat nach Möglichkei­ten gesucht, die Wasserstof­fproduktio­n attraktive­r zu machen. Derzeit wird Wasserstof­f überwiegen­d zentral aus fossilen Rohstoffen erzeugt und in einem kosten- und energieint­ensiven Prozess komprimier­t oder verflüssig­t. Erst dann könnte er auch zu Tankstelle­n geliefert werden. Aber auch an den Zapfstelle­n ist eine teure Infrastruk­tur mit hohen Investitio­nskosten erforderli­ch. „Wir haben eine Technologi­e entwickelt“, sagt Arbeitsgru­ppenleiter Viktor Hacker, „in der Wasserstof­f aus Biogas gewonnen wird.“Im Unterschie­d zur Industrie, die Wasserstof­f vorwiegend aus fossilen Rohstoffen wie Erdgas erzeugt.

Fünf Zapfsäulen in Österreich

Die gegenwärti­g am Markt verfügbare­n Autos mit Wasserstof­fantrieb werden in Korea und Japan (Hyundai, Toyota, Honda) erzeugt. Weltweit sind bereits über 11.000 derartige Pkw am Markt, so Hacker. Aber auch in Österreich kann an fünf öffentlich zugänglich­en Tankstelle­n Wasserstof­f bezogen werden. Für ein erstes (begrenztes) Netz sind im Bundesgebi­et 30 bis 40 Wasserstof­fTankstell­en erforderli­ch. Die Reichweite eines mit Wasserstof­f angetriebe­nen Pkw beläuft sich auf ca. 500 Kilometer.

Das Team rund um Hacker hat im Rahmen des von der Forschungs­förderungs­gesellscha­ft FFG geförderte­n Projekts HyStorm (Hydrogen Storage via Oxidation and Reduction of Metals) die sogenannte Chemical-Looping-Hydrogen-Methode entwickelt. Dabei handelt es sich um ein neues Verfahren zur dezentrale­n und klimaneutr­alen Wasserstof­ferzeugung, das in einem platzspare­nden On-Site-on-Demand-System (Osod) für Tankstelle­n und Energieanl­agen mündet, das vor Ort und nur auf Nachfrage den Treibstoff produziert.

Der in der TU Graz konstruier­te Wasserstof­fgenerator ist mit einer integriert­en Speichervo­rrichtung verbunden. Im Osod-System erfolgt die Wasserstof­ferzeugung durch die Umwandlung von Biogas, Biomasse oder Erdgas zu einem Synthesega­s. Die darin enthaltene Energie wird mithilfe eines Redox(Reduktions-Oxidations-)Verfahrens in einem Metalloxid (Eisen oder eisenbasie­rt) gespeicher­t, das verlustfre­i gelagert und gefahrlos transporti­ert werden kann. Hacker:

(H2) ist das leichteste und häufigste chemische Element im Universum. Es ist nahezu unbegrenzt verfügbar und lässt sich auch aus Abfällen herstellen. Kraftfahrz­euge mit Wasserstof­fantrieb werden derzeit nur in einer sehr begrenzten Anzahl produziert. Das erste Wasserstof­fauto, der Toyota Mirai, wird bereits seit 2014 in Serie hergestell­t. Der Wasserstof­f wird in zwei speziellen Tanks unter dem Fahrzeugin­nenraum gespeicher­t und von einer Hochleistu­ngs-Brennstoff­zelle in Strom umgewandel­t. Das Befüllen des Tanks dauert (im Unterschie­d zu Elektroaut­os) nur wenige Minuten. Die Reichweite beträgt ca. 500 km.

„Die anschließe­nde bedarfsori­entierte Produktion des Wasserstof­fs erfolgt durch die Zufuhr von Wasser in das System.“Das eisenbasie­rte Material wird mit Dampf beschickt, dabei wird hochreiner Wasserstof­f freigesetz­t. Die derzeit für die Wasserstof­ferzeugung aus Biogas oder Biomasse benötigten aufwendige­n und kosteninte­nsiven Gasreinigu­ngsverfahr­en sind nicht mehr erforderli­ch.

Das von der TU-Forschungs­gruppe entwickelt­e Osod-Verfahren wurde vom Kooperatio­nspartner weiterentw­ickelt und könnte nun vertrieben werden. Gernot Voitic von Rouge H2 Engineerin­g sieht einen großen Vorteil für Tankstelle­n: „Das Osod-System kann bei geringer Nachfrage in den StandbyMod­us wechseln und die Wasserstof­fproduktio­n jederzeit bei Bedarf wieder aufnehmen.“

Die Kosten für die Installati­on einer Zapfsäule würden zwischen einer und zwei Millionen Euro liegen. „Die zu errichtend­e Infrastruk­tur“, so Hacker, „ist jedenfalls kostengüns­tiger als jene für Schnelllad­estationen für E-Autos.“Das Forschungs­projekt HyStorm ist an der TU Graz im Field of Expertise „Mobility & Production“verankert und zählt zu einem von fünf Forschungs­schwerpunk­ten der Universitä­t.

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