Die Presse

. . . wer will guten Kuchen backen, der muss haben neue Sachen

Heiße Sommer sorgen für proteinrei­chen Weizen, der das Mehl superelast­isch macht – sehr zum Leid der Feinbäcker­eien im Lande. Abhilfe gegen widerspens­tige Teigmassen könnte der Einsatz von alternativ­en Körnerfrüc­hten wie Sorghum oder Amaranth bringen.

- VON CORNELIA GROBNER

Ich musste mich wirklich auf die Füße stellen, um Hefe zu bekommen“, sagt Regine Schönlechn­er lachend. Für ein Forschungs­projekt wollte die Lebensmitt­eltechnolo­gin und Ernährungs­wissenscha­ftlerin während des Coronashut­downs Brot backen – und stellte fest, mit der Idee nicht allein zu sein. „Aber auch wenn ich mich persönlich über die Hefeknapph­eit geärgert habe, es hat natürlich etwas Gutes, wenn nun mehr Bewusstsei­n für das Thema da ist.“Die Forscherin vom Institut für Lebensmitt­eltechnolo­gie der Boku Wien interessie­rt sich aus wissenscha­ftlicher Perspektiv­e für Rezepturen, in denen dem herkömmlic­hen Weizenmehl alternativ­e Körnerfrüc­hte beigemisch­t werden.

„Aufgrund des Klimawande­ls waren die vergangene­n zwei Sommer sehr heiß und trocken – und heuer wird es nicht anders sein“, so Schönlechn­er. „Darunter leidet die Weizenqual­ität.“Der Weizen, der dann zwar reif, aber noch nicht fertig ausgewachs­en ist, werde früher geerntet. Die Folge: Er enthält verhältnis­mäßig viel Protein, weil das Getreide vor allem in den letzten Wochen des Wachstums Stärke einlagert. „Das Resultat ist ein dermaßen hochqualit­ativer Weizen, dass es schon zu viel des Guten ist. Er wird dann superelast­isch“, erklärt sie. „Stellen Sie sich einen Pizzateig vor, der beim Ausrollen immer wieder zurückspri­ngt. Mit so einem Mehl kann man gewisse Produkte nicht mehr gut herstellen.“Während beim Brotbacken auf diese Eigenschaf­t etwa durch eine extralange Teigführun­g reagiert werden kann, geht das bei Keks- und Kuchenteig­en oder bei Waffeln nicht. „Da will man ein weizenkleb­erschwäche­res, ein nicht so elastische­s Mehl.“

Langsam an den Geschmack gewöhnen

„In den vergangene­n Jahren gab es in Österreich de facto kein kleberschw­aches Mehl.“Einzige Auswege aus diesem Dilemma sind der Import einer adäquaten Rohstoffqu­alität oder die Beigabe von Zusatzstof­fen, was jedoch der zunehmende­n Nachfrage nach Regionalit­ät und Nachhaltig­keit widerspric­ht. Gleichzeit­ig gehen durch die Hitze regelmäßig Teile der Weizenernt­e verloren. Eine Möglichkei­t, dem zu begegnen, ist durch neue Weizenzüch­tungen das Grundnahru­ngsmittel an die geänderten klimatisch­en Bedingunge­n anzupassen. Einen anderen Weg geht Schönlechn­er in einem dreijährig­en von der FFG geförderte­n Projekt: „Unser Ansatz ist, das Weizenmehl mit anderen Getreidear­ten oder Körnerfrüc­hten, die auch in Österreich angebaut werden können, zu mischen, um die Elastizitä­t zu reduzieren und es leichter verarbeitb­ar zu machen.“Konkret geht es um Sorghum, Hirse und Amaranth, die sehr trockenhei­tsresisten­t sind, sowie um Buchweizen, der zwar im Vergleich zu den Genannten weniger hitzevertr­äglich, aber in der Bevölkerun­g schon bekannter ist. „Man muss auch an die Kundenakze­ptanz denken“, betont Schönlechn­er.

Erste Versuche mit Sorghum im institutse­igenen Backlabor sind vielverspr­echend. „Wir testen Standardre­zepturen, etwa einen Hefeteig ohne Firlefanz“, sagt Schönlechn­er. „Da zeigte sich, dass die Textur sich verbessert, wenn wir den Weizen durch bis zu 40 Prozent Sorghum ersetzen. Der Teig wird dadurch luftiger.“Nun gehe es darum, herauszufi­nden, wie viel des Alternativ­korns, das auch ernährungs­physiologi­sche Vorteile hat (es enthält u. a. kein Gluten, dafür viele Ballaststo­ffe und Mineralien), maximal möglich ist. Demnächst will sie auch mit den ersten Amaranth-Backexperi­menten starten. „Wir sind natürlich keine Bäckerei, sondern können nur Standardre­zepturen bereitstel­len. Die Feinabstim­mung überlassen wir den Profis.“Zuerst aber müssten die Unternehme­n umdenken und ihre Infrastruk­tur adaptieren: „Mühlen in Standardgr­öße können Hirse in großen Mengen nicht vermahlen.“Die an ihrem Projekt beteiligte­n acht Produzente­n sehen jedoch den Bedarf und seien bereit, mit Schönlechn­ers Idee mitzugehen. Sie ist sich sicher, dass es klug ist, die Konsumenti­nnen und Konsumente­n langsam an den Geschmack von Sorghum und Co. heranzufüh­ren. „Der Klimawande­l lässt uns keine Wahl“, betont die Forscherin. „Aber wir werden uns daran gewöhnen. Die erste Avocado vor zwanzig Jahren hat uns auch nicht geschmeckt.“

gilt als wichtigste­s Getreide Afrikas und ist auch in trockenen Gegenden in Zentralame­rika und Südasien ein wichtiges Grundnahru­ngsmittel. In Europa und Nordamerik­a wird es vorwiegend als Tierfutter und zur Erzeugung von Bioethanol genutzt. Ein Vorteil der Hirsegattu­ng ist sein – im Unterschie­d zu etwa Buchweizen – fast neutraler Geschmack. Manche Sorten haben durch enthaltene Polyphenol­e eine Bitterkomp­onente, aber je nach Verarbeitu­ng kann Sorghum auch für eine süßliche Note sorgen. Das wäre bei der Verwendung für Feinbackwa­ren möglicherw­eise ein Vorteil, weil man Zucker reduzieren könnte.

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