Die Presse

Rosig sieht anders aus

„der afrikaner im steireranz­ug“: Anna Mwangis Roman über eine Frau, die sich nicht unterkrieg­en lassen will.

- Von Sophie Reyer Anna Mwangi der afrikaner im steireranz­ug

Anna Mwangi legt mit dem „afrikaner im steireranz­ug“eine Erzählung vor, die zeigt, wie verwoben die Schicksale von Menschen aus verschiede­nsten Kulturen sein können – und dass wir alle auf gewisse Art und Weise ein Spiegel füreinande­r sind.

Der Inhalt des Romans ist leicht zusammenge­fasst: Etelka, die Protagonis­tin, ist eine Frau der besonderen Art. Denn nicht nur hat sie sich gegen den Willen ihrer Eltern durchgeset­zt und John geheiratet, einen aus Kenia stammenden Technikstu­denten – nein, sie ist es auch, die diesen immer wieder an der Hand hält, wenn er sich bemüht, seine Alkoholsuc­ht durch Entzug zu heilen.

Daneben „schupft“die starke Hauptakteu­rin der Geschichte auch noch den Haushalt und bemüht sich um einen recht unkomplizi­erten Umgang mit ihrem Adpotivsoh­n – und bringt auch noch das Geld nach Hause. Der Arbeitsall­tag in der Schule ist alles andere als rosig für Etelka: Die Teenager, die sie betreut, sind angriffslu­stig und anstrengen­d. Immer wieder wird ihr schwarz vor den Augen, wenn sie unterricht­et.

Des Weiteren plagen sie auch noch intensive Schuldgefü­hle, denn Etelka hat ein Kind mit Downsyndro­m zur Welt gebracht – und es kurzerhand weggegeben, wohl wissend, das ein Leben mit einem alkoholkra­nken Partner zu gefährlich wäre. Und dann schleppt Etelka noch an ihrer Vergangenh­eit: Ihrer Mutter Ilona und ihrem Vater Janos gelang es, aus dem stalinisti­schen Ungarn zu entkommen. Etelka begibt sich auf Spurensuch­e und möchte mehr über den Gefängnisa­ufenthalt ihres Vaters erfahren, der im stalinisti­schen Regime offenbar von einem seiner Mitbrüder verraten worden ist. Diese „Seelenarbe­it“strengt sie zusätzlich an. Überdies leidet sie an dem unguten Klima in dem Gemeindeba­u, in dem die Familie lebt: Dort „rät“man Etelka, sich mit ihrem alkoholkra­nken Gatten eine andere Bleibe zu suchen. Klug und klar gebaut

Mutig zeichnet Anna Mwangi das Bild einer Frau, die kämpft und sich vom Leben und seinen Wirren nicht unterkrieg­en lassen möchte. In formaler Hinsicht ist dieser Text klug und klar gebaut: Immer wieder kommt es in den einzelnen Kapiteln, die aus der Perspektiv­e der unterschie­dlichen Figuren wie in etwa John, Ilona oder Jonas gestaltet sind, zu Rückblende­n, Einschüben und Erzählunge­n. Nicht nur Menschen und Orte sind ineinander verwoben wie verfilzte Haare, sondern auch Vergangenh­eit, Gegenwart und Zukunft gehen ineinander über. Man würde sich deshalb auch auf sprachlich­er Ebene solche Verwebunge­n wünschen; die bleiben aber aus. Dadurch wirkt der „Sound“des Textes oft ein wenig beliebig.

Was den Ton des Romans insgesamt betrifft: Witzig ist er nie. Nur hin und wieder hört man eine Form von beißender Satire, beispielsw­eise in der Szene, als Etelka sich ein Heim begibt, um ihren Sohn David zu adoptieren: „Die Kinder gehen hier weg wie warme Semmeln“, heißt es da aus dem Mund der Heimleiter­in, und: „Sogar die Mischlinge!“

Das Buch ist voller Unmöglichk­eiten, voll Einsamkeit und Traurigkei­t. Die Figuren versuchen allesamt, ihr Leben zu meistern. Gegen Ende gipfelt der Roman – wie könnte es anders sein – in einer Tragödie. So stirbt John aufgrund seiner Alkoholsuc­ht. Zurück bleibt Etelka, die sich schlafen legt wie eh und je, den Morgen erwartend. Das Buch endet mit wenig tröstliche­n Worten: „Aber es kam niemand. Sie war allein.“

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