Salz bestimmte die Geschicke
Kulturreise. Mehr als 80-mal war er in Bad Ischl. 60-mal davon als Kaiser. Kein Wunder, dass Franz Joseph und seine Familie Spuren in der Kurstadt hinterlassen haben. Dieser Sommer ist die Gelegenheit, sich in Ruhe in der Gegend umzusehen.
Für die Habsburger hatte die Gegend um Bad Ischl großen wirtschaftlichen Wert. Nein, nicht die Kurgäste spülten Geld in die Kassen, sondern das Salzgeschäft. In der damals kleinen Marktgemeinde wurde das Salz aus den umliegenden Bergwerken gesammelt, für den Transport vorbereitet und auf Plätten die Traun hinunter bis Gmunden geschippert. Einige der Ringe, an denen die Salzschiffer ihre Boote vertäuten, sind noch in der Esplanadenmauer oberhalb der Straßenbrücke von Bad Ischl zu sehen, auch Teile des Treppelwegs, auf dem die Pferde die Frachtkähne stromaufwärts zurückschleppten.
Einen Aufschwung als Badeort erlebte Ischl in den 1820ern, als Ärzte erstmals Gäste zur Kur und Erholung hierherschickten. Im frühen 19. Jahrhundert wurde nämlich ein weiterer Bodenschatz, die Heilquellen, zum Verkaufsschlager. Man hatte die Heilkraft der Ischler Salzquellen zwar schon zu Kaiser Maximilians Zeit gekannt, aber erst Dr. Josef Götz analysierte das an Mineralien reiche Wasser, wandte es systematisch an und veröffentlichte seine Erkenntnisse. Er behandelte Salinenarbeiter mit Hauterkrankungen und Rheumatismus erfolgreich mit Solebädern und eröffnete 1823 eine Badeanstalt. Der große Durchbruch gelang aber erst, als Professor Franz de Paula von Wirer, Lehrer an der Wiener Medizinischen Schule und Leibarzt des Kaisers, die durch drei Fehlgeburten geschwächte Erzherzogin Sophie zwecks Kur nach Ischl schickte. Der Erfolg ließ nicht lang auf sich warten, Kaiser Franz Joseph wurde geboren und danach noch zwei weitere Kinder.
Unterhaltung für den Adel
Wirer setzte das neue Heilverfahren mit Enthusiasmus für seine prominenten Patienten ein, der Ruhm von Ischls Sole und Schwefelquellen verbreitete sich schnell über Europa. Den noblen Kurgästen fehlte es an nichts. Luxushotels, Landhäuser, Infrastruktur entstanden. Diese Bauphase prägt das heutige Bild der Stadt. Das Kongress- und Theaterhaus war einst ein Kurhaus, ein Ort der Konzerte und Bälle. Nestroy inszenierte hier. Auch die nun als Hotel geführte klassizistische Villa Seilern wurde 1881 für Teekonzerte und Theaterabende gebaut. Johann Strauss und Alexander Girardi unterhielten dort illustre Gäste.
Ein historistischer Prachtbau ist das schönbrunngelbe Post- und Telegraphenamt. Die Trinkhalle daneben wurde 1830 als Solebadeanstalt geplant. Im 1827 errichteten Hotel Post wurde bis 1895 das kaiserlich-königliche Postamt betrieben. Dazu gehörten auch Stallungen für bis zu 120 Pferde, die Post nach Ebensee, Aussee und Salzburg brachten. Sogar ein Wiener Konditor wurde engagiert. Wirer holte den Wiener Zuckerbäcker und Weinhändler Johann Zauner als k. u. k. Hoflieferant. Bis dahin war kein Konditor in Ischl ansässig, der den kaiserlichen Ansprüchen gerecht wurde. Die Vorliebe der Kaiserin Sisi für Süßes war bekannt. Der berühmte Zaunerstollen entstand aber erst 1905 durch die Weiterentwicklung der Ischler Oblaten.
Historische Balkonszene
Die Geschichte von Franz und Sisi begleitet Besucher auf Schritt und Tritt. Bevor man in die Esplanade einbiegt, kommt man am FranzCarl-Brunnen vorbei. Auf einem Sandsteinmonument von Hans Greil verkörpern drei Bronzefiguren die Berufe der Ur-Ischler: Bergmann, Jäger und Fischer. In einer der drei Nischen sind die Porträts der Kaisereltern Franz Carl und Sophie angebracht. Gleich um die Ecke spaziert man am Seeauerhaus, heute Museum der Stadt, vorbei. Hier wohnte die Familie des Erzherzogs. Im August
Villa Seilern Vital-Resort auf den Jainzenberg (Frühsport a` la Sisi, 400 Hm). Oben Frühstück mit Aussicht. Danach mit der Seilbahn auf die Katrin, www.katrinseilbahn.com Führung durch die Kaiservilla, www.kaiservilla.at in der k. u. k Hofzuckerbäckerei Zauner, www.zauner.at
Tipp: von Ischl mit E-Bikes zum Hallstättersee (25 km). Vom Bike in die Bergbahn und zum ältesten Salzbergwerk der Welt und WelterbeblickSkywalk (www.salzwelten.at) danach Plättenfahrt über den See und Hallstatt www.badischl.at, www.dachsteinsalzkammergut.at 1853 fand hier die Verlobung ihres Sohnes Kaiser Franz Joseph mit Elisabeth in Bayern statt, verkündet wurde sie vom Balkon.
Als Hochzeitsgeschenk bekam das Paar eine Sommervilla, die Kaiservilla. Der Raum, in dem Franz Joseph 1914 das Manifest „An meine Völker“schrieb, die inoffizielle Kriegserklärung zum Ersten Weltkrieg, wirkt heimelig: Auf einer Chaiselongue zum Mittagsschlaf liegt eine Wolldecke. Im Regal stehen Blechfiguren und Lieblingspfeifen, an der Wand im Nebenraum der Gebetsstuhl. Bei einer Führung durch die Villa scheint alles wie in einem Dornröschenschlaf. Das Schreibzimmer des Kaisers ist unverändert, auch die Salons, das Wartezimmer und Sisis Reich mit dem Glaskasten voll persönlicher Gegenstände – Reitgerte, Portemonnaie, Uhr, Fächer. „Die Kaiservilla war nie einer anderen Nutzung zugeführt, immer im Besitz der Familie“, erklärt der Ururenkel Valentin HabsburgLothringen, der mit seiner Familie in den für die Öffentlichkeit abgetrennten Räumlichkeiten wohnt. Er springt auch schon einmal selbst als Guide durch die Villa ein.
Zehn Stunden Sport
Unterm Treppenaufgang parken Sänften und Tragestühle. Denn die vornehme Gesellschaft des 19. Jahrhunderts wollte an die frische Luft und auf die Berge. Bloß nicht zu Fuß. Damals erledigten dies hier die Sesselträger. Einzige Ausnahme war die sportliche Kaiserin, sehr zum Leidwesen ihrer Begleiterinnen. Jainzen heißt der Berg hinter der Kaiservilla, den Sisi um fünf Uhr zum Frühsport erwanderte. Die Kaiserin lief quer durch ihre Parkanlage, überwand Kehre um Kehre den Pfad bergauf. Sie soll nur rund 30 Minuten für die 350 Höhenmeter gebraucht haben. Sportliche Wanderer schaffen es heute in einer Stunde – da kann man gut nachvollziehen, wie die Hofdamen im Gefolge ins Schwitzen kamen, vor allem mit den langen Kleidern, ganz zu Schweigen von den engen Korsetts.
Unten lockte sogleich Erfrischung, ein Pool bei der Kaiservilla, heute ein wunderschönes ParkFreibad. Wer’s ursprünglicher mag, springt in den Ischl-Fluss. Und wem 22 Grad im Hochsommer zu warm sind, hat ein paar Schritte weiter die Traun – ein Abfluss des Hallstätter Sees voll Dachstein-Gletscherwasser, maximal 18 Grad warm. Sisi würde danach noch ein wenig Gymnastik machen, reiten und dann zu einer ordentlichen Bergtour aufbrechen. „Zehn Stunden Sport pro Tag waren das Standardprogramm“, bestätigt Habsburg-Lothringen.
Heute geht es bequemer aufwärts, dank der traditionsreichen Katrin-Seilbahn auf den gleichnamigen Hausberg von Ischl. Von der Katrin-Alm eröffnet sich ein atemberaubender Blick auf viele Gipfel, den Dachsteingletscher, die Zacken des Gosaukamms und den blaugrünen Hallstätter See.
Noch imposanter ist nur noch der „Welterbeblick“ein paar Kilometer weiter: Die Gäste stehen auf einer aus dem Salzberg ragenden Aussichtsplattform rund 360 Meter über den Dächern Hallstatts. In der äußersten Ecke der Skywalks drängen sich in Nicht-Corona-Zeiten Touristen um den besten Platz für Fotos und Selfies. Salz war als lebensnotwendiges Gewürz und Konservierungsmittel Gold wert. Das erfahren Besucher in den Salzwelten Hallstatt, dem ältesten Salzbergwerk der Welt, oberhalb des Welterbeblicks. Es geht zu Fuß oder mit Schmalspurbahnen durch Stollen 400 Meter unter Tag. Wichtige Schauobjekte und Informationen werden leider zugunsten multimedialer Shows und von Gaudi vernachlässigt. Beeindruckend bleibt die Geschichte. 2002 etwa wurde im prähistorischen Teil des Salzbergs die älteste Holzstiege Europas gefunden. Man kann sie nun im Bronzezeit-Kino, das gemeinsam mit dem Naturhistorischen Museum Wien und Mitarbeitern der Salinen Austria AG errichtet wurde, besichtigen.
Wieder unten, empfiehlt sich eine Plättenfahrt, um die Einzigartigkeit Hallstatts zu genießen. Teilweise sind die Häuser, die sich zwischen Berg und See drängen, sogar auf Pfählen gebaut. Vor Corona hatten sich hier die Touristen geschoben. Chinesen fanden in Hallstatt angeblich den perfekten Feng-Shui-Ort und ließen ihn zu Hause nachbauen. Trotzdem wollten viele das Original sehen, und manche erkannten nicht, dass der Ort kein Freilichtmuseum war.
Salz für das Bad der Kaiserin
Zurück in der „kaiserlichen“Stadt, die heute 14.000 Einwohner hat, aber an vielen Stellen aussieht wie damals. Bis auf einen Bombenabwurf über Perneck überstand Bad Ischl die Weltkriege unbeschadet. Das „Bad“gehört übrigens seit 1907 zum Ort, der 1940 zur Stadt erhoben wurde. Dass Bad Ischl noch immer von Kaiserlichem profitiert, zeigt die Kur-Apotheke. Ein blasser Teint war und ist wieder modern, Cremen mit Rosenessenzen, die Pigmentflecken verhindern, findet man daher im Portfolio. Es werden zudem Produkte hergestellt, die die Kaiserin gern verwendet hat: Rosen-Badesalz. In Sisis Badezimmer standen aber auch kuriose Mittel, weiß Apotheker Heimo Hrovat, der die Kur-Apotheke in vierter Generation führt: eine Creme mit Schneckenschleim. Die gibt’s hier nicht.