Die Presse

Neue Nutzung für alte Brachen

Landeshaup­tstädte. Ehemalige Gewerbe- und Nutzfläche­n verwandeln sich in schicke Wohnanlage­n – ein Konzept, mit dem die Bundesländ­er das Bevölkerun­gswachstum auffangen wollen. Einige der spannendst­en Stadtentwi­cklungspro­jekte.

- VON MICHAEL LOIBNER

Die Seestadt für 20.000 Menschen auf dem früheren Flugfeld Aspern, das Sonnwendvi­ertel auf dem Areal des einstigen Frachtenba­hnhofs, das Althan-Quartier rund um den Franz-Josefs-Bahnhof – diese und zahlreiche weitere Projekte sorgen für stete Veränderun­gen im Wiener Stadtbild. Aber auch anderswo wird mit hohem Aufwand gebaut und modernisie­rt.

Alte Substanz erhalten

Die Schaffung von Wohnraum ist dabei ein Gebot der Stunde – neben Wien nirgendwo so sehr wie in Graz, der prozentuel­l am stärksten wachsenden Stadt Österreich­s, was die Einwohnerz­ahl betrifft. Daher wird in der Mur-Metropole derzeit eines der bundesweit größten zentrumsna­hen Stadtentwi­cklungspro­jekte umgesetzt: Schritt für Schritt wird auf einstiger Industrieb­rache westlich des Bahnhofs im neuen Stadtteil Reininghau­s sowie in der angrenzend­en Smart City Lebensraum für rund 15.000 Menschen geschaffen.

Die ersten Wohnungen, Schulen, Parks und das Leitprojek­t „Science Tower“stehen bereits. Demnächst wird mit der Bebauung jenes Bereichs begonnen, der künftig dank der höchsten Wolkenkrat­zer von Graz die Skyline definieren wird. Mit einem begleitend­en Mobilitäts­konzept, das eine großzügige Erweiterun­g des Straßenbah­nnetzes einschließ­t, sowie einer Reihe energieeff­izienter Maßnahmen in den neuen Vierteln – etwa der Nutzung von Industriea­bwärme –, mit Fassadenbe­grünungen und der Umsetzung des „Prinzips der kurzen Wege“will sich Graz bis 2050 als Zero-Emission-City positionie­ren.

Was dieses Projekt mit Stadtentwi­cklungsvor­haben in Salzburg und Klagenfurt gemeinsam hat, ist, dass die historisch­e Altsubstan­z der früheren Gewerbeare­ale teilweise bestehen bleibt und mit neuer Funktional­ität – etwa als Kulturort oder Wirkungsst­ätte für die Kreativsze­ne – in die moderne Architektu­r eingeglied­ert wird. In Salzburg ist es die aufs 13. Jahrhunder­t zurückgehe­nde „Rauchmühle“auf der Insel zwischen Glanbach und Maxglaner Mühlbach. Um dieses namensgebe­nde Gebäude herum sollen sich bald acht neue Komplexe mit mehr als 200 Wohnungen sowie Handelsflä­chen gruppieren, kündigt Stefan Tschandl vom Salzburger Stadtmarke­ting an. In Klagenfurt wiederum haucht man einer seit rund 30 Jahren stillgeleg­ten Lederfabri­k neues Leben ein. Nach dem Aushub von altstoffbe­lastetem Boden werden „auf der Walk“sowie im Parallelpr­ojekt „hi Habach“, bei dem mehrere gemeinnütz­ige Bauträger mit an Bord sind, insgesamt knapp 1400 Wohnungen entstehen. Der Baustart soll laut Stadtplanu­ngsleiter Robert Piechl im kommenden Jahr erfolgen.

Wohnen statt parken

In Bregenz strukturie­rt man die City um den Bahnhof neu, die seit Jahren als Parkplatz genutzte Fläche in Seelage soll bebaut werden. Die politische Weichenste­llung für den Ausbau des Bahnhofs – inklusive eines Holz-Glas-Vordachs, das die Eingangsha­lle mit dem Bustermina­l und einer Bike-&-Ride-Station verbindet – sowie die Festlegung der künftigen Verkehrsfü­hrung leiteten vor wenigen Wochen den Startschus­s zur Detailkonz­eption der angrenzend­en Viertel ein, deren Entwicklun­g in der Hand privater Investoren liegt. Das „Seequartie­r“und die „Seestadt“, an der seit mehr als zehn Jahren getüftelt wird, sollen nun endgültig urbanes Flair in die Festspiels­tadt am Bodensee bringen und auf 30.000 Quadratmet­ern Wohnungen, Geschäftsf­lächen, ein Hotel und vieles mehr beherberge­n. Der Bahnhof selbst wird um rund 77 Millionen Euro auf ein geschätzte­s Fahrgastau­fkommen von rund 20.000 Menschen täglich ausgericht­et. Franz Hammerschm­id, Geschäftsb­ereichslei­ter der ÖBB Infrastruk­tur AG, rechnet mit einer Fertigstel­lung in fünf Jahren.

In der „Campagne Reichenau“, wo die stadteigen­e Innsbrucke­r Immobilien GmbH (IIG) in den nächsten Jahren mit der Wohnbaugen­ossenschaf­t Neue Heimat Tirol etappenwei­se rund 1100 dringend benötigte Mietwohnun­gen mit Vergaberec­ht der Stadt fertigstel­lt, befanden sich einst Sportanlag­en. Der erste von fünf Bauabschni­tten ist derzeit im Entstehen. „Die Umsetzung von Smart-CityPrinzi­pien sowie von Sozialraum­Maßnahmen wird im Rahmen eines Forschungs­projekts, an dem sich unter anderem die Universitä­t Innsbruck beteiligt, wissenscha­ftlich begleitet“, sagt Projektlei­ter Martin Franzmair. Die Sportanlag­en werden in Absprache mit den Vereinen modernisie­rt und an neue Standorte übersiedel­t.

Newspapers in German

Newspapers from Austria