„Wer fliegen kann, der will auch fliegen“
Reisen. Viele Österreicher werden wie geplant ihren Sommerurlaub antreten. Die schon tot geglaubten Reisebüros erleben eine Auferstehung. Viele Unsicherheiten bleiben aber.
Wien. Seit 20 Jahren wird den Reisebüros regelmäßig erklärt, dass sie eine aussterbende Spezies sind. Onlineplattformen setzten der Branche ähnlich zu wie etwa dem Buchhandel. Doch mit der Coronakrise hat sich dieses Bild radikal verändert. „In den vergangenen Wochen gab es sogar Schlangen vor den Reisebüros“, erzählt Kathrin Limpel von TUI Österreich. Den Leuten wurde durch die dramatischen Rückholungen von gestrandeten Touristen im März deutlich vor Augen geführt, dass in der Vermittlungsgebühr auch eine große Portion Sicherheit steckt. Und Sicherheit ist im Tourismus dieser Tage die wichtigste Währung.
Mit Sicherheit ist aber nicht nur der gesundheitliche Aspekt gemeint, sondern auch die finanzielle. Die größte Werbung für Pauschalreisen machen ohnehin Fluglinien wie die AUA. Wer direkt bei Airlines gebucht hat, erlebt einen Rundflug durch die bürokratische Hölle. Pauschalreisende delegieren diesen Trip an das Reisebüro und den jeweiligen Reiseveranstalter.
Aber wie schaut es nun mit der Reiselust der Österreicher konkret aus? „Wer fliegen kann, der will in der Regel auch fliegen“, sagt Limpel. Nachdem es ab 16. Juni eine Reiseerleichterung für 31 Länder gibt, steht vielen Urlaubsreisen, etwa nach Griechenland oder Italien, nichts mehr im Wege. Fast nichts mehr.
Denn noch ist unklar, ob tatsächlich genügend Flüge und genügend Zimmer zur Verfügung stehen. „Wie es aussieht, wird es im Sommer etwa nur einen Flug pro Woche von Wien nach Rhodos geben“, sagt Limpel. Bisher flog TUI die österreichischen Urlauber zweimal wöchentlich auf die griechische Ferieninsel. Dementsprechend flexibel müssen Reisende sein. Flüge können sich verschieben – auch um mehrere Tage.
Aber wie lang darf man als Reisender im Ungewissen gelassen werden? Beim größten Reisekonzern der Welt, TUI, steht man auf dem Standpunkt, dass es Pauschalreisenden zuzumuten ist, bis zwei Wochen vor dem Abreisetag zu erfahren, ob die Reise nun stattfindet oder nicht. Das trifft aktuell vor allem auf jene zu, die Reisen außerhalb Europas oder nach Spanien und Portugal gebucht haben. Diese beiden wichtigen Urlaubsländer gehören bekanntlich mit Großbritannien und Schweden zu jenen europäischen Ländern, für die nach wie vor strenge Reisebestimmungen gelten. Eine Rückreise aus Mallorca wäre also nur mit einem negativen Coronatest oder einer 14-tägigen Quarantäne möglich. Nun hofft die Branche, dass es für die iberische Halbinsel bis Anfang Juli ebenfalls mehr Reisefreiheit gibt.
Aber allein, dass die Grenzen nach Italien, Kroatien und Griechenland wieder offen sind, ist für die Tourismuswirtschaft wichtig. „Im Vorjahr haben über vier Millionen Österreicher einen Urlaub in diese drei Länder gebucht“, sagt Josef Peterleithner, Präsident des Österreichi
Ich höre von arabischen Gästen, die kommen würden, wenn sie einreisen dürfen.
Susanne Kraus-Winkler WKO-Fachverband Hotellerie
schen Reiseverbands ÖRV. Allein die heimischen Reiseveranstalter und Reisebüros erzielten im vorigen Jahr einen Umsatz von 4,7 Milliarden Euro. Sie wickelten 2018 etwa 21,2 Millionen Urlaubs- und 3,3 Millionen Geschäftsreisen ab. Die Grenzöffnung ist aber auch wichtig für den heimischen Tourismus. Dass die deutschen Gäste nun uneingeschränkt kommen können, bewahrt die Ferienhotellerie vor noch schlimmeren Einbußen.
Flugreise oder doch Urlaub mit Auto?
Gute Lagen im Kärntner Seengebiet sind ausgebucht. „38 Prozent der Deutschen haben noch nicht entschieden, wohin die Reise geht“, sagt Susanne Kraus-Winkler, Obfrau des Fachverbands Hotellerie in der Wirtschaftskammer. Es gehe vor allem um die Frage: Flugreise oder mit dem Auto? Und Tausende Deutsche mehr könnten sich wieder – wie in den guten alten Zeiten des Sommertourismus – ins nahe Österreich stauen.
Bleibt die Frage: Waren die Hilferufe der Tourismusbranche am Ende übertrieben? „Für die Stadthotellerie schaut es nach wie vor schlecht aus“, betont Michaela Reitterer, Präsidentin der Hoteliervereinigung. Und auch die Reservierungen in den Ferienhotels könne man noch nicht für bare Münze nehmen. Noch gibt es kaum Stornierungen, aber viele warten bis zur letzten Möglichkeit ab. „Ganz differenziert“sei die Lage der Hotellerie, meint Reitterer. Viele Gäste, die in Österreich Urlaub machen, gehören einer Risikogruppe an. Sprich: sind älter als 60.
In der gebeutelten Stadthotellerie hofft man nun vor allem auf weitere Lockerungen. „Ich höre von arabischen Gästen, die kommen würden, wenn sie einreisen dürfen“, sagt Kraus-Winkler. Und in Michaela Reitterers Boutiquehotel Stadthalle hat sich zuletzt eine Wiener Damenrunde angesagt. Normalerweise unternehmen die Freundinnen eine Städtereise. Heuer bereisen sie die eigene Stadt – inklusive Hotelaufenthalt.