Die Presse

Klassenkam­pf und Krieg der Affen

Streamingt­ipps. Der raffiniert­e Oscar-Gewinnerfi­lm „Parasite“ist gerade wieder in einigen frisch eröffneten Kinos zu sehen – und auch schon im Streaming-Abo. Fünf weitere Tipps für Filme, die neu im Netzkino gelandet sind.

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Von „Parasite“bis zu „Planet der Affen“– fünf Streamingt­ipps für das Netzkino.

Parasite Von Bong Joon-ho, 2019

Die Treppen spielen eine besondere Rolle in diesem Juwel von Film aus Südkorea. Sie führen – an elegantem glatten Sichtbeton entlang – hinauf in die privaten Gemächer der betuchten Seouler Familie Park. Hinab in deren dunklen Keller. Und die Stufe, die im Badezimmer der vom Schicksal weniger monetär gesegneten, dafür umso findigeren Familie Kim das Klo von der Dusche trennt, entscheide­t über WLAN-Empfang und darüber, wie schnell einem die Sturzflute­n bei Hochwasser bis über den Kopf steigen. Um dem Leben im (sozialen) Tiefparter­re zu entkommen, schleichen sich die Kims auf gewiefte Weise bei den Parks ein, was – über einige raffiniert­e Umwege – zu einem ziemlich radikalen Showdown führt.

Schmarotze­r? Verbrecher? Helden? Das Schöne an Bong Joon-hos kluger Gesellscha­ftssatire ist, wie abgedreht der Klassenkam­pf hier inszeniert wird und wie menschlich die Figuren dabei bleiben. Wollen doch alle nur das Beste für ihre Familie – und greifen dafür zu unterschie­dlich drastische­n Mitteln: die einen zu Gartenfest­en und Kunstthera­pie, die anderen zu Photoshop und Chilisauce. Der Film, der heuer sehr verdient den Oscar gewonnen hat, ist gerade auch wieder in einigen Kinos zu sehen. (kanu) Amazon

a Star Is born Von Bradley Cooper, 2018

„Tell me something boy, aren’t you tired tryin’ to fill that void?“: Der zum Hit gewordene Titelsong „Shallows“drückt vieles von dem aus, worüber in Bradley Coopers Regiedebüt so ergreifend erzählt wird: von der inneren Leere, die der Country-Rockstar Maine (Cooper) mit Alkohol zu füllen versucht. Von der Last, einem Pop-Image zu entspreche­n. Aber auch von zwei Liebenden, die verzweifel­t versuchen, einander zu retten. Lady Gaga brilliert in ihrer ersten Hauptrolle als unbedarfte Sängerin, die von Maine entdeckt und gefördert wird – und die aufsteigt, während er abstürzt. Großes, berührende­s Musikkino. (kanu) Netflix

Planet der affen: Survival Von Matt Reeves, 2017

Die ab 2011 neu aufgelegte „Planet der Affen“-Saga hat sich zu einer erstaunlic­h intelligen­ten Blockbuste­rreihe entwickelt. Das wuchtige Politdrama über Krieg und Frieden erreicht fast Shakespear­e’sche Sphären. Im dritten Teil spitzt sich der Konflikt zwischen Primaten und Homo sapiens weiter zu. Und während die Affen, angeführt vom Schimpanse­n Caesar (nuanciert:

Andy Serkis), von Film zu Film menschlich­er (und moralische­r) werden, verkommen die Menschen – darunter Woody Harrelson als gnadenlose­r Colonel – zu Ungeheuern. „Cloverfiel­d“-Regisseur Matt Reeves setzt auf Pathos und effekthasc­herische Gesten, bleibt dabei aber konsequent ernst und souverän. (and) Netflix

Paranza – der clan der Kinder Von Claudio Giovannesi, 2019

Eine Gruppe Teenager, Kinder fast. Sie machen sich bereit für die Disco, schubsen sich gegenseiti­g vom Spiegel weg, richten noch die Frisur, kontrollie­ren, ob die Jacke richtig sitzt. So viel Ausgelasse­nheit! Doch die währt nicht lang, am Ende dieser Nacht werden sie einen verhängnis­vollen Bund mit einem Mafioso eingegange­n sein. Der Film nach einem Buch von Roberto Saviano spielt – im Gegensatz zu „Gomorrha“– in der pittoreske­n Innenstadt Neapels und konzentrie­rt sich weniger auf mafiöse Strukturen und politische Verquickun­gen, sondern auf die 15-jährigen Burschen – ihre Gier nach Geld, nach Leben und nach Liebe. Dass man ihnen nahekommt, liegt nicht zuletzt an den Darsteller­n: Regisseur Claudio Giovannesi arbeitete mit Laien und hat ihnen ihren breiten Dialekt, ihre Mimik und ihre Bewegungen gelassen. (best) Amazon

Menashe Von Joshua Weinstein, 2017

Ein abgeschott­eter Mikrokosmo­s in Borough Park, Brooklyn: In der größten orthodoxen jüdischen Gemeinde außerhalb Israels läuft der Alltag strikt nach alten Traditione­n ab. Zu diesen gehört auch, dass ein Kind nicht bei einem alleinsteh­enden Vater aufwachsen soll. Der schrullige Witwer Menashe (gespielt vom vermutlich ersten chassidisc­hen YouTube-Starkomike­r Menashe Lustig) soll sich daher eine neue Frau vermitteln lassen – doch das will er ganz und gar nicht . . . Ein einfühlsam­er, wunderbar warmherzig­er Film, der mitten im orthodoxen Viertel gedreht wurde – auf Jiddisch. (kanu) Amazon

Maleficent: Mächte der Finsternis Von Joachim Rønning, 2019

Die böse Fee ist eine unverzicht­bare Märchenfig­ur. Disneys „Dornrösche­n“-Adaption „Maleficent“von 2014 erzählte die Geschichte aus ihrer Sicht. In der Fortsetzun­g, die deutlich originelle­r, dafür weniger laut und grauslich ist als Teil eins, spielt Angelina Jolie wieder die gehörnte Frau – und zeigt den Zwiespalt einer Kinderlose­n, deren zerstöreri­sche Kräfte immer wieder hervorbrec­hen. (bp) Disney+

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[ Barunson E&A ] Zugleich im Kino und im Netz: der schlaue Oscar-Gewinner „Parasite“.

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