Abschied des AbdullahZentrums
Umzug. Das umstrittene Zentrum für interreligiösen und interkulturellen Dialog übersiedelt von Wien nach Genf. Werden sich die Saudis danach an Österreich revanchieren?
Das umstrittene saudische Dialogzentrum übersiedelt von Wien nach Genf.
Wien. Die Würfel sind gefallen. Das König-Abdullah-Zentrum für interreligiösen und interkulturellen Dialog (KAICIID) hat keine Zukunft mehr in Wien. Das hat das Außenministerium den saudiarabischen Botschafter, Prinz Abdullah bin Khalid bin Sultan Al Saud, Informationen der „Presse“zufolge schon vor ein paar Wochen wissen lassen. Möglichst schon vor Ende des Jahres soll die internationale Organisation schrittweise nach Genf umsiedeln.
Es geht jetzt nur noch um Gesichtswahrung. Ziel der diplomatischen Bemühungen ist es, den Eindruck zu vermeiden, die Österreicher hätten das großteils von den Saudis finanzierte Dialogzentrum aus dem Land geworfen. Am Ende soll es so aussehen, als würde die Institution ihren Sitz im Palais Sturany an der Ringstraße aus freien Stücken Richtung Schweiz verlassen. Doch ob das illusionistische Kunststück gelingt, ist mehr als fraglich: Für jeden halbwegs interessierten Beobachter liegt auf der Hand, dass das Abdullah-Zentrum aus innenpolitischen Gründen nicht wohlgelitten ist. Keine einzige Parlamentspartei setzt sich mehr dafür ein.
Entgegenkommende Schweizer
Am 10. Juni, dem Tag vor Fronleichnam, berieten in Wien Repräsentanten der Vertragsparteien über die Zukunft der Organisation: Alle Gründungsstaaten waren vertreten: Österreich, Saudiarabien und Spanien (der Heilige Stuhl hat Beobachterstatus). Am Tisch saß natürlich auch der saudische Generalsekretär. Zwei Punkte standen auf der Agenda: die Aufnahme neuer Mitgliedstaaten und die Einrichtung einer Dependance in Genf. Diese Zweigstelle soll die embryonale Struktur für das neue Hauptquartier bilden. Formal ist die Entscheidung noch nicht gefallen. Offiziell nehmen weder das Außenamt noch die saudiarabische Botschaft Stellung. Man habe Stillschweigen vereinbart, heißt es auf Anfrage der „Presse“. Auch die Medienstelle im AbdullahZentrum gibt sich zugeknöpft. Doch die Verhandlungen mit dem Eidgenössischen Departement für Auswärtige Angelegenheiten und der Stadt Genf laufen schon länger. Die Schweizer sollen sehr entgegenkommend sein. Sie freuen sich über jede neue internationale Organisation.
So agierte lange Zeit auch Österreich, das in Wien einen der Hauptsitze der Vereinten Nationen beherbergt. Die Bundesregierung war ganz stolz, als es ihr im Oktober 2011 gelang, das Dialogzentrum an die Ringstraße zu lotsen. Es war der damalige VP-Außenminister Michael Spindelegger, der vorschlug, die Einrichtung nach König Abdullah zu benennen. Die Saudis selbst wollten das anfangs gar nicht. Für die Österreicher war es ein angenehmer Deal. Das Haus Saud zahlte fast alles, renovierte das Palais Sturany aufwendig. Und Wien hatte sehr kostengünstig eine internationale Organisation mehr. Zur feierlichen Eröffnung kam sogar der damalige UN-Generalsekretär, Ban-Kimoon, nach Österreich. Die damaligen Koalitionspartner SPÖ und ÖVP zogen an einem Strang. Nicht einmal die FPÖ hatte anfangs etwas gegen das Dialogzentrum einzuwenden. Einzig die Grünen meldeten Bedenken an.
Der Fall Badawi brachte die Wende
Ihnen missfiel, dass sich ausgerechnet die Saudis, die in ihrem eigenen Land die Ausübung anderer Religion rigoros unterbanden und Abtrünnigen vom islamischen Glauben mit der Todesstrafe drohten, im fernen Wien als Hüter der Toleranz inszenierten. Diese Lesart setzte sich auch bei den anderen Parteien immer stärker durch. Eine entscheidende Rolle spielte der Fall des saudischen Aktivisten Raif Badawi, der 2013 wegen Beleidigung des Islams zu zehn Jahren Haft und 1000 Peitschenhieben verurteilt wurde. Wenig hilfreich war auch ein Interview, in dem die damalige Vize-Generalsekretärin des Zentrums, Ex-Justizministerin Claudia Bandion-Ortner, Hinrichtungen in Saudiarabien verharmloste („nicht jeden Freitag“).
Die österreichischen Regierungen, egal in welcher Zusammensetzung, rückten fortan immer weiter ab vom Dialogzentrum. Zur Zeit der Expertenregierung nach dem Ende der schwarz-blauen Koalition stimmte der Nationalrat im Juni 2019 mit breiter Mehrheit für einen Entschließungsantrag, wonach das Außenamt das Amtssitzabkommen kündigen möge. Alexander Schallenberg, schon damals Außenminister, erklärte umgehend, er werde den Beschluss umsetzen.
Im türkis-grünen Koalitionsabkommen erhielt das Abdullah-Zentrum eine letzte Gnadenfrist. Die Regierung werde sich für eine Reform und Erweiterung der Mitgliederbasis einsetzen, hieß es darin. Wenn das jedoch innerhalb eines Jahres nicht gelinge, werde „unter größtmöglicher Wahrung der Bedeutung des Dialogstandorts Österreich und seiner Rolle als verlässlicher Amtssitz das Ziel des Ausstiegs aus dem KAICIID in enger Abstimmung mit allen Vertragsparteien geplant“.
Genau das passiert nun. Die Ironie dabei: Informationen der „Presse“zufolge konkretisierten sich Absichten Marokkos, Nigerias, Japans und Argentiniens, dem Dialogzentrum beizutreten. Doch diese Ernte werden erst die Schweizer einfahren. Ein großer Haken bleibt: Noch ist unklar, wie schnell ein Amtssitzabkommen mit der Schweiz unter Dach unter Fach gebracht werden kann. Das Abdullah-Zentrum könnte eine Zeit lang in der Luft hängen. Peinlich wäre das am Ende nicht nur für die Saudis.
Drohungen hinter den Kulissen
Und auch nach einem Umzug nach Genf wird die Geschichte womöglich noch nicht vorbei sein. Denn dann könnten die Saudis sich an ihren früheren Gastgebern revanchieren. In Wien haben ja auch noch die Organisation erdölproduzierender Länder (Opec) und der Opec-Fonds für internationale Entwicklungen ihren Sitz. Die einflussreichen Saudis könnten in beiden Fällen auf einen Ortswechsel drängen. Sie haben hinter den Kulissen schon damit gedroht.