Innere Stadt: Wer ist Markus Figl?
Innere Stadt. Bezirksvorsteher Markus Figl über eine Verkehrsberuhigung, die er nicht Verbot nennen will und seine Pläne.
Der Bezirksvorsteher spricht über seine Pläne zur Verkehrsberuhigung und seine politische Heimat.
Wien. Markus Figl ist gefragt wie nie. So viele, sagt er, deutet mit den Fingern einen dicken Stoß (ausgedruckter) Mails an, hätten ihn in wenigen Tagen erreicht. Und wenn er durch die Stadt geht (dass man seinen Bezirk in ganz Wien mitunter nur „die Stadt“nennt, gefällt ihm gut, wie er sagt) wird er oft angesprochen. „Viele haben Fragen, wollen sich das erklären lassen. Die Reaktionen sind sehr positiv, aber ja, es gibt auch Sorgen“, sagt Figl.
Schließlich steht sein Bezirk vor einer der radikalsten Veränderungen seit Jahren: „Die Innenstadt wird autofrei“, lautete der Titel des gemeinsamen Plans mit Verkehrsstadträtin Birgit Hebein (Grüne), auf den sich die beiden kürzlich geeinigt haben. Dass die Veränderung vorerst so radikal nicht sein wird (verboten wird nur Durchqueren des Bezirks und Parken an der Oberfläche für Bezirksfremde) tat der Aufregung wenig Abbruch.
„Es sind turbulente Tage“, sagt Figl. Turbulentere, als er sich vielleicht gewünscht hätte. Schließlich hatte man im Bezirk zwei Jahre an einem Gesamt-Verkehrskonzept gearbeitet, die Mittelfrist-Lösung stand weitgehend, bis es vor wenigen Wochen aus dem Verkehrsressort sinngemäß hieß, mittelfristige
Lösung, schön und gut, „aber machen wir auch gleich etwas“.
Dann ging es schnell, das Ergebnis: Ein „Fahrverbot“mit vielen Ausnahmen, das noch im Sommer umgesetzt wird. Und ein Konzept, bei dem Figl lieber gewesen wäre, man hätte statt von der „autofreien Innenstadt“von Verkehrsberuhigung, von Parkplätzen für Anrainer gesprochen. Aber, immerhin hat sich Figl mit dem radikal klingenden Weg auf einen Schlag bis über die Stadtgrenzen hinaus profiliert. Schließlich kannte man Figl dort zwar wegen seiner Verwandtschaft zu „dem“Figl, der Nachkriegskanzler war sein Großonkel. Wegen inhaltlicher Aufreger, für die der Bezirk unter Vorgängerin Ursula Stenzl berühmt war, eher nicht.
Dabei ist Figl hier seit mehr als 20 Jahren politisch aktiv. Aufgewachsen in Ottakring „habe ich mich immer viel in der Innenstadt bewegt“. Seit rund 20 Jahren lebt er nun im Ersten, mittlerweile mit Ehefrau und vier Kindern im Grätzel um die Wollzeile. In der Inneren Stadt war Figl ab 1999 Chef der Jungen Volkspartei, auch in jener Zeit, als dieser ein gewisser Sebastian Kurz beitrat. Auch Gernot Blümel kennt er aus der Innen
stadt-JVP, mit Blümel verbindet ihn auch die Studentenverbindung Norica, er war wie Blümel Mitglied des Kabinetts von Michael Spindelegger, seit 2015 ist Figl nun Bezirkschef. Und vielleicht ist es diese Nähe zu den Türkisen im Bund, die ihm jüngst, im Vorfeld der WienWahl im Herbst, den Vergleich einbrachte, er übe wohl für TürkisGrün auf Stadtebene. Vor allem von Seiten der Wirtschaft musste Figl Kritik für allzu „grüne“Pläne einstecken. Man sperre Kunden aus, „stranguliere“die InnenstadtWirtschaft. Oder es hieß: Man schaffe einen beschaulich-musealen Bezirk für (wenige) Bewohner.
„Ich verstehe die Sorge der Wirtschaft. Man muss das erklären und klar sagen: Gäste sind sehr willkommen, aber bitte Garagen nutzen. Zu Zweiterem: Die Hauptfrage als Bewohnervertreter ist: Wie schaffen wir es, weiter eine bewohnte Innenstadt zu haben? International haben wir das Phänomen, dass Zentren aussterben. Wir hatten eine intensive Debatte über Overtourism. Für eine authentische Stadt brauchen wir Bewohner, auch in einer gemischten Struktur. Ich will kein Reichenghetto. Es braucht Lebensqualität, es braucht Mobilität, das nicht nur für jene, die sich eine eigene Garage leisten können.“Figl spricht von hohem Nutzungsdruck, von Strukturen, die nicht für heutige Anforderungen gebaut wurden. „Eine Stadt braucht Mobilität, aber ich bin dafür, auch Freiräume zu schaffen, Menschen brauchen Platz“, sagt Figl, und spricht von all dem, was man auf (von parkenden Autos befreiten) Flächen machen könnte: Bäume pflanzen, Bänke aufstellen, Raum für Kunst, für Schanigärten, für Radabstellanlagen. „Aber ich bin auch für Freiraum, in einem urbanen Lebensraum muss man nicht alles vollstellen, auch wenn der Druck wahnsinnig groß ist.“
Freiraum ohne Dauer-Events
Freiräume, Platz für Menschen statt für Autos – Aussagen wie diese hätte man der Stadt-ÖVP lange nicht zugeschrieben, hatte sich die doch eher ein „Autos und Parkplätze first“zur Verkehrsstrategie gemacht. Ist der, nach seiner glamourösen bis skandalträchtig-skurrilen Vorgängerin lange etwas grau wirkende Bezirksvorsteher ergrünt?
Figl spricht lieber davon, dass diese Ideen – Bäume, Schanigärten bis Spielplätzen – Anliegen seien, die an ihn herangetragen würden. Und, dass er Interessen vieler „Stakeholder“berücksichtigen müsse.
Und da geht er offenbar eher pragmatisch als dogmatisch vor. Er erinnert an Erhard Busek und desen Ideen, die Stadt zu beleben – und dass sich seither viel verändert habe, die Zahl der Einpendler und (vor Corona) der Touristen ist rapide gewachsen. Die Belebung sei zu viel geworden, zu viele Touristen „die in Ruderleiberln durch die Stadt spazieren. Das ist nicht das Stadtbild das wir haben wollen“. Oder, er spricht davon, dass man die „Würde“zentraler Orte, etwa des Stephansplatzes, bewahren müsse statt diese nur als „Eventzone“zu nutzen. Er wolle nicht, dass der ganze Erste eine Art großes Bermudadreieck sei. Und dass jede (größere) Demonstration oder Parade auf der Ringstraße stattfinden muss, das sieht er kritisch.
Figl spricht eher vom Wohnbezirk, erzählt vom Grätzlleben, von den Schustern und Schneidern, die man hier noch persönlich kenne, vom Aufwachsen seiner Kinder im Zentrum, davon, dass er den Bus nur nutze, um diese in den Kindergarten zu bringen, sonst seine Wege aber alle zu Fuß zurücklege. Auch wenn das oft dauere. „Meine Frau will schon nicht mehr, dass ich Einkaufen gehe, wenn ich schnell etwas holen soll dauert es oft lange, bis ich wieder daheim bin“, erzählt Figl. Schließlich halte er, mit seinen zwei Metern kaum zu übersehen, mitunter spontane Sprechstunden auf der Straße. Und die werden in den kommenden Wochen wohl nicht kürzer werden.