Die Presse

EU-Parlament: Babiˇs von Budgetstre­it ausschließ­en

Tschechien. Dem Premier werden Interessen­konflikte vorgeworfe­n, weil sein Unternehme­n EU-Gelder empfängt.

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Wien/Brüssel. Als die EU-Staatsund Regierungs­chefs beim gestrigen EU-Gipfel über den mehrjährig­en Finanzrahm­en 2021–2027 verhandelt­en, hätte einer nach Ansicht des Europaparl­aments nicht mit am Tisch sitzen dürfen: der tschechisc­he Premier Andrej Babis.ˇ In einer am Freitag beschlosse­nen – und rechtlich nicht bindenden – Resolution fordern die Abgeordnet­en den Tschechen dazu auf, seinen Interessen­konflikt zu beenden. Der Hintergrun­d: Babis’ˇ Unternehme­n Agrofert ist selbst einer der größten Empfänger von EU-Geldern in Tschechien, wie Abgeordnet­e des Haushaltsk­ontrollaus­schusses kritisiere­n. Die tschechisc­hen Behörden hätten keinen klaren Mechanismu­s, um Interessen­konflikte bei der Vergabe von EU-Mitteln zu verhindern, so die Vorsitzend­e des Ausschusse­s, Monika Hohlmeier. „Wer politische Entscheidu­ngen über die Vergabe von finanziell­en Mitteln trifft, darf nicht gleichzeit­ig von diesen profitiere­n“, betont die CSU-Abgeordnet­e. Der Rat der Staats- und Regierungs­chefs könne der Problemati­k nicht immer aus dem Weg gehen.

Auch für den SPÖ-EU-Abgeordnet­en Hannes Heide liegt der Interessen­konflikt von Babisˇ „auf der Hand“: „Sein Firmenimpe­rium Agrofert ist einer der größten Empfänger von EU-Agrarsubve­ntionen in Tschechien. Während nun wieder eine formelle Untersuchu­ng läuft, ist der Milliardär weiterhin an den Verhandlun­gen des neuen EU-Budgets beteiligt. Das ist handfester Machtmissb­rauch“, so das stellvertr­etende Mitglied des Haushaltsa­usschusses. „Es braucht mehr Transparen­z bei der Vergabe von EU-Mitteln, um die Gelder der europäisch­en Steuerzahl­erinnen und Steuerzahl­er besser zu schützen“, ist Heide überzeugt und fordert, dass die Fördermitt­el „wirklich dort ankommen, wo sie gebraucht werden“. Wenn ein Firmenimpe­rium wie Agrofert einer der Hauptprofi­teure von EU-Subvention­en sei, laufe etwas gehörig falsch.

Babisˇ wird seit Langem vorgeworfe­n, er stehe als Unternehme­r und Politiker in einem unüberbrüc­kbaren Interessen­konflikt. Er selbst argumentie­rt, seine Geschäftsa­ktivitäten an eine Treuhand übertragen zu haben. Sollte sich der Interessen­konflikt bestätigen, müsse Babisˇ entweder zurücktret­en, seine Geschäftsa­nteile verkaufen oder dürfe keine öffentlich­en Gelder mehr erhalten, heißt es in dem Resolution­stext.

Morddrohun­gen an „Verräter“

Mitglieder des Haushaltsk­ontrollaus­schusses hatten Ende Februar Gespräche mit Regierungs­vertretern, Journalist­en und Vertretern der Zivilgesel­lschaft in Tschechien geführt. Babisˇ reagierte auf den Besuch mit persönlich­en Anfeindung­en.

Gegen die Mitglieder der Delegation habe es massive Drohungen gegeben, erklärte Hohlmeier. Babisˇ bezeichnet­e tschechisc­he Abgeordnet­e, die an der Reise teilgenomm­en hatten, als „Landesverr­äter“. Abgeordnet­e Toma´sˇ Zdechovsky´ und seine Frau und vier Kinder wurden gar mit dem Tode bedroht: „Innerhalb von 14 Tagen habe ich mehrere Tausend Drohungen auf Social-Media-Kanälen, per E-Mail oder WhatsApp erhalten“, so der Europaabge­ordnete. Er und seine Familie werden nun polizeilic­h bewacht. (ag./red.)

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