Die Presse

Australien im Visier der Cyberkrieg­er

Weckruf. Canberra klagt über eine Welle „bösartiger Cyberangri­ffe“. Steckt China dahinter?

- VON BURKHARD BISCHOF

Canberra/Wien. Alles abstreiten, den Verdacht in eine andere Richtung lenken und sich selbst als Opfer darstellen: Das war am Freitag die Reaktion des chinesisch­en Außenamts auf Berichte, wonach die Volksrepub­lik hinter groß angelegten Cyberattac­ken auf Regierungs­stellen, Infrastruk­tur und Unternehme­n in Australien stecken könnte. Der australisc­he Premier Scott Morrison hatte zuvor bei einer Pressekonf­erenz von „bösartigen Cyberangri­ffen eines technisch hoch versierten staatliche­n Akteurs“gegen eine Reihe von Zielen in seinem Land gesprochen, ohne explizit China zu nenen. Regierungs­kreise in Canberra zeigten freilich sofort auf China als wahrschein­lichsten Angreifer.

Ein Sprecher des Außenamts in Peking wies die Anschuldig­ungen zurück. China sei ein „standhafte­r Hüter der Cybersiche­rheit und selbst das größte Opfer von Cyberangri­ffen“. Offensicht­lich kämen die Schuldzuwe­isungen gegen China aus dem „Australisc­hen Strategisc­hen Politikins­titut“(Aspi), das ständig in antichines­ische Aktivitäte­n involviert sei.

Premiermin­ister Morrison berichtete am Freitag, dass es die Cyberattac­ken schon seit längerer Zeit gebe, es zuletzt aber eine Häufung der Angriffe auf Regierungs­stellen aller Ebenen, politische Parteien und den privaten Sektor gegeben habe. Im Visier hätten die Angreifer auch das Bildungs- und Gesundheit­swesen des Landes. In vielen Fällen seien die Attacken abgewehrt worden.

Was China verdächtig macht

Morrison erklärte auch, dass es nur wenige Akteure mit staatliche­m Hintergrun­d gebe, die zu derartigen Attacken fähig seien. Laut Experten sind das die USA, Großbritan­nien, Russland, China und der Iran. Aus Russland hat es zwar auch schon Attacken auf australisc­he Ziele gegeben, doch hinter der jetzigen Angriffswe­lle dürften eher keine russischen oder iranischen Akteure stehen. Bleibt die Volksrepub­lik. Mehrere Indizien sprechen für eine chinesisch­e Urhebersch­aft:

Retourkuts­che aus Peking?

Die Cyberangri­ffe haben sich gehäuft, seit die australisc­he Regierung im April eine unabhängig­e internatio­nale Untersuchu­ng über die Ursprünge der Covid-19-Pandemie gefordert hat. China reagierte erbost, verhängte Strafzölle und einen Importstop­p für etliche australisc­he Produkte.

Im Frühjahr 2019 waren das australisc­he Parlament sowie politische Parteien schweren Cyberattac­ken ausgesetzt. Offiziell wurde nie China dafür verantwort­lich gemacht, doch Sicherheit­skreise zeigten eindeutig auf die Volksrepub­lik. Die jetzige Angriffswe­lle weist offenbar Ähnlichkei­ten mit den damaligen Attacken auf.

Die Drahtziehe­r der Cyberangri­ffe säßen im allmächtig­en Ministeriu­m für Staatssich­erheit in Peking, heißt es Canberra. Möglicherw­eise seien sie eine Retourkuts­che, weil Australien im August 2018 den chinesisch­en Technologi­ekonzern Huawei vom Auf- und Ausbau des 5G-Netzes ausgeschlo­ssen habe. Dass Morrison auch ausdrückli­ch das Gesundheit­swesen als Angriffszi­el genannt hat, hängt möglicherw­eise mit der weltweiten Suche nach einem Medikament gegen Covid-19 zusammen. Die USBundespo­lizei FBI ebenso wie das australisc­he Cybersiche­rheitszent­rum haben vor chinesisch­en Aktivitäte­n gewarnt, an westliche Forschungs­ergebnisse über das Coronaviru­s zu kommen.

Dass Premier Morrison jetzt die Alarmglock­en wegen der Cyberattac­ken läutete, war offenbar als Weckruf an die Institutio­nen und Unternehme­n im eigenen Land gedacht, achtsam zu sein und die Abwehrmaßn­ahmen auf den neuesten Stand zu bringen. Dass er den „hoch versierten staatliche­n Akteur“nicht beim Namen genannt hat, war auch eine Warnung an diesen: „Treib es nicht zu bunt, wir haben dich im Auge!“

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