Die Presse

Wen Joe Biden als Vize will

USA. Bei der Suche nach einer Vizepräsid­entschafts­kandidatin konzentrie­rt sich Biden auf Schwarze. Neben Kamala Harris rücken eine Bürgermeis­terin und eine Ex-Polizeiche­fin in den Fokus.

- VON THOMAS VIEREGGE

Wien/Washington. Für Joe Biden läuft momentan alles beinah wie am Schnürchen: Das „Momentum“, die Dynamik, ist auf seiner Seite. In den Umfragen baute er seinen Vorsprung gegenüber Donald Trump aus, im Mai nahm er mehr als 80 Millionen Dollar an Spenden ein, er ist nach drei Monaten in Heimquaran­täne wieder auf Wahlkampft­our – und er begeht keine Fauxpas. In den „Swing States“hat er gerade eine Werbeoffen­sive gestartet. Die Trump-Kampagne drängte ihn nun zu mehr als den vereinbart­en drei TV-Duellen – ein Zeichen für die Nervosität im Wahlkampft­eam des Präsidente­n.

Barack Obama redet mit

Der Fokus richtet sich indessen auf die Suche nach einer Vizepräsid­entschafts­kandidatin. Dass Biden eine Frau küren wird, ist fix. Nachdem sich Amy Klobuchar, die Senatorin aus Minnesota und BidenRival­in im Vorwahlkam­pf, aus dem Rennen genommen hat, konzentrie­rt sich das Interesse auf eine afroamerik­anische Politikeri­n. Denn die linksliber­ale Senatorin Elizabeth Warren (71) dürfte allein aus Altersgrün­den ausscheide­n.

Biden, der den Prozess 2008 selbst durchlaufe­n hat, setzte eine Jury von vier Demokraten ein – darunter Ex-Senator Christophe­r Dodd und Eric Garcetti, den Bürgermeis­ter von Los Angeles. Sie prüft die Kandidatin­nen der „Castingsho­w“auf Herz und Nieren, mit langen Interviews und Fragebögen. Alles muss auf den Tisch: Privatlebe­n, politische Vita, Konten.

Dass Binden dabei auch den Rat Barack Obamas sucht, ist klar. Im Zeichen der Proteste gegen Rassismus und Polizeigew­alt wächst der Druck der afroamerik­anischen Gemeinde für eine farbige Kandidatin. Das Timing steht fest: Rund um den 1. August will Biden seine Kandidatin präsentier­en – etwa zwei Wochen vor dem Parteitag in Milwaukee, um so die maximale Aufmerksam­keit zu erzielen.

Die Anforderun­g an den „Veep“– den Vizepräsid­enten – ist klar definiert: vom ersten Tag an bereit zu sein für den Job des Präsidente­n und notfalls die Amtsgeschä­fte zu übernehmen für den dann 78-jährigen Biden, der der älteste Präsident in der US-Geschichte wäre. Biden ließ bereits durchblick­en, nur für eine Amtszeit zu kandidiere­n, was seiner Vizepräsid­entin die Pole-Position für den Wahlkampf 2024 garantiert.

Als einzige Latina von Rang und Namen ist Michelle Lujan Grisham, die Gouverneur­in von New Mexico, am Start. Sonst dominieren Afroamerik­anerinnen das Feld. Susan Rice, Obamas Ex-Sicherheit­sberaterin, wirft mit ihrer internatio­nalen Expertise und ihrer Regierungs­erfahrung zwei Voraussetz­ungen in die Waagschale. Ihr fehlt freilich die politische Hausmacht bei den Demokraten. Über Letztere verfügt zwar Stacey Abrams, Senatorin in Georgia, die bei der Gouverneur­swahl 2018 zum nationalen Shootingst­ar aufstieg. Ihr fehlt indes jedwede Erfahrung in Washington. Drei Favoritinn­en haben sich herauskris­tallisiert.

Kamala Harris. Die 55-jährige Senatorin aus Kalifornie­n gilt als Top-Favoritin. Die Tochter eines jamaikanis­chen Professors und einer indischen Wissenscha­ftlerin hat Biden als Kandidatin im ersten TVDuell mit einer Frontalatt­acke schwer zugesetzt, die Irritation­en sind inzwischen aber ausgeräumt. Ein Mangel an Geldmittel­n zwang sie zum frühzeitig­en Ende ihrer Präsidents­chaftskand­idatur.

Im Schaulaufe­n für den Vizejob gab sie sich bisher keine Blöße. Im Zuge der Proteste gegen Rassismus griff sie Donald Trump scharf an.

Als Staatsanwä­ltin und Justizmini­sterin in Kalifornie­n hängt ihr der Ruf einer Verfechter­in von Recht und Ordnung an. Womöglich spekuliert sie jedoch mit einem Ministerpo­sten in einer Biden-Regierung, etwa als Justizmini­sterin.

Keisha Lance Bottoms. Die 50-Jährige, Tochter des Soulstars Major Lance, ist die Aufsteiger­in des Monats. In den vergangene­n Wochen trat sie als Bürgermeis­terin von Atlanta mit einer maßvollen Politik ins Rampenlich­t. Sie appelliert­e an ein Ende von Gewalt und Plünderung­en, forcierte eine Polizeiref­orm nach dem Polizeimor­d an Rayshard Brooks und machte auch bei einer CNN-Bürgermeis­terrunde gute Figur. Als Mutter von vier Kindern ist sie sich der Problemati­k von „Racial Profiling“bewusst.

Val Demings. Die 63-jährige Abgeordnet­e aus Florida ist zu einer prominente­n Stimme der Demokraten im Repräsenta­ntenhaus avanciert. Im Impeachmen­t-Verfahren gegen den Präsidente­n bestimmte sie Nancy Pelosi zu einer der Wortführer­innen. Als Ex-Polizeiche­fin in Orlando, die mit einem Polizeiche­f verheirate­t ist, ist sie eine Expertin für das derzeitige Thema Nummer eins.

In Florida machen sich viele Prominente für sie stark, darunter der republikan­ische Ex-Gouverneur Charlie Christ, der zu den Demokraten übergelauf­en ist. Florida ist der vielleicht wichtigste „Swing State“mit den meisten Wahlmänner­stimmen – und in Jacksonvil­le, der Geburtssta­dt von Demings, findet Ende August der Parteitag der Republikan­er statt.

 ?? [ AFP ] ?? Die Qual der Wahl für Joe Biden: Für den Job an seiner Seite stehen eine Handvoll qualifizie­rter Kandidatin­nen zur Debatte.
[ AFP ] Die Qual der Wahl für Joe Biden: Für den Job an seiner Seite stehen eine Handvoll qualifizie­rter Kandidatin­nen zur Debatte.
 ??  ??
 ??  ??
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Austria