Die Presse

„Es ist legitim, dass der Staat eingreift“

Interview. Die Staatshilf­en sollen nicht durch neue Steuern, sondern durch Effizienzs­teigerung in der Verwaltung zurückverd­ient werden, sagt der neue IV-Präsident Georg Knill. Er hält temporäre staatliche Eingriffe durchaus für sinnvoll.

- VON GERHARD HOFER

Die Presse: Sie haben bei Ihrem Antritt als IV-Präsident eine Verlängeru­ng der Kurzarbeit gefordert, also mehr Staatshilf­en. Ihr Kollege Christian Pochtler von der IV Wien warnte hingegen davor und meint: „Die Hilfen von heute sind die Steuern von morgen.“Was gilt jetzt?

Georg Knill: Man muss da differenzi­eren. Aber es ist ganz klar, dass wir jetzt eine Verlängeru­ng der Kurzarbeit brauchen. Das ist volkswirts­chaftlich sinnvoll, weil wir unsere Mitarbeite­rinnen und Mitarbeite­r in Beschäftig­ung halten können. Es wäre nicht nur gesellscha­ftspolitis­ch, sondern auch ökonomisch fatal, würde die Arbeitslos­igkeit noch weiter steigen.

Aber es geht ja um Hilfen über die Kurzarbeit hinaus.

Uns steht ein massiver technologi­scher Wandel bevor, auch um dem wichtigen Thema Klimawande­l zu begegnen. Dieser herausford­ernde Wandel bedarf einer Unterstütz­ung. Die staatliche Begleitung hat ja eine Hebelwirku­ng. Damit werden Investitio­nen in Gang gesetzt, das führt zu mehr Beschäftig­ung.

Diese 50 Milliarden Euro an Staatshilf­en rechnen sich selbst, da braucht es keine Gegenfinan­zierung. Diese Rechnung ist aber selten aufgegange­n.

In diesen 50 Milliarden stecken ja zu einem großen Teil Garantien. Wir gehen davon aus, dass diese nicht alle schlagend werden. Auch der Rahmen für die Kurzarbeit wird derzeit etwas mehr als zur Hälfte ausgeschöp­ft. Es stehen hier also Maximalwer­te im Raum, die tatsächlic­h nicht schlagend oder abgerufen werden.

Aber dennoch wird die Staatsvers­chuldung neue Dimensione­n annehmen.

Diese Milliarden kann man durch zukünftige­s Wachstum und Effizienzs­teigerunge­n des Staates mittelfris­tig wieder zurückverd­ienen. Es ist der einzig richtige Zugang, wie wir diese Krise nicht nur überwinden, sondern auch Chancen für den österreich­ischen Wirtschaft­sstandort bestmöglic­h nutzen können. Deshalb auch eine klare Absage an neue zusätzlich­e Belastunge­n für Bürgerinne­n und Bürger und für Unternehme­n.

Wo kann der Staat sparen?

Es gibt genügend internatio­nale Studien und Vergleiche, wo Österreich leider nicht im Spitzenfel­d, sondern nur Mittelmaß ist. Ich möchte aber gleich betonen: Wenn ich von Effizienzs­teigerung spreche, dann meine ich nicht Leistungse­inschränku­ngen. Wir könnten in vielen Bereichen den Standard halten, obwohl wir weniger Mittel einsetzen. Sei es in der Verwaltung generell, sei es im Bildungsbe­reich oder bei den Pensionen. Hier ist durchaus viel Potenzial vorhanden. Gerade in der Coronazeit und in Anbetracht des Krisenmana­gements scheint es sinnvoll, über Effizienz in der gesamten Verwaltung nachzudenk­en.

Normalerwe­ise wurde bei Einsparung immer auch der teure Sozialstaa­t und da vor allem der Gesundheit­ssektor erwähnt, jetzt plötzlich nicht mehr.

Wir sind alle froh, dass wir so ein starkes Gesundheit­ssystem in Österreich haben. Wir sind in der Krise nicht annähernd an unsere Kapazitäts­grenzen gestoßen, das zählte sicher zum Positivste­n bei der Bewältigun­g dieser Gesundheit­skrise. Aber das heißt nicht, dass wir nicht auch im Gesundheit­swesen bei Aufrechter­haltung der Leistungen effiziente­r sein können.

Sie fordern eine „sofortige Reisefreih­eit“. Sie wissen aber schon, dass das Ansteckung­srisiko nicht überall so niedrig ist wie bei uns? Vorweg möchte ich einmal den Stellenwer­t der Industrie in diesem Land betonen. Sie trägt im engsten Sinne 22 Prozent der Wertschöpf­ung bei und beschäftig­t eine Million Menschen. Sie trägt also maßgeblich zum Wohlstand in diesem Land bei. Durch die Einschränk­ung der Reisefreih­eit haben wir massive Einbußen und Nachteile in unserem sonst so starken Exportgesc­häft. Seit Monaten ist es uns nicht möglich, unsere Kunden zu treffen. Wir können seit Monaten nicht zu unseren Baustellen im Ausland. Deshalb brauchen wir diese Reisefreih­eit, nicht nur aus touristisc­hen Gründen, zu unseren wichtigen Handelspar­tnern wie den USA, China oder Russland.

Und das Ansteckung­srisiko? Natürlich weiß ich, dass die Pandemie in vielen Ländern bei Weitem nicht so weit eingedämmt ist wie in Österreich und in weiten Teilen Europas. Deshalb ist auch leider zu erwarten, dass Einschränk­ungen bei Reisen in Drittstaat­en noch länger aufrecht bleiben werden. Aber klar ist, dass dies uns daran hindert, schneller aus der Krise zu kommen.

Apropos Drittstaat­en: Die Krise hat ja auch gezeigt, wie abhängig Europa etwa von China ist. Erwarten Sie künftig wieder mehr Produktion in Europa, gar in Österreich?

Es ist absolut begrüßensw­ert, dass auf europäisch­er Ebene versucht wird, wichtige Technologi­en wieder verstärkt in Europa anzusiedel­n. Das heißt aber nicht, dass wir die Vorteile der Globalisie­rung aufheben wollen. Aber natürlich ist jetzt ein guter Zeitpunkt, darüber nachzudenk­en, welche Produktion­en und welche Industrien wir wieder in Europa haben wollen. Da kann sich auch Österreich als attraktive­r Standort hervorhebe­n. Etwa durch die Senkung der Körperscha­ftsteuer auf 21 Prozent.

Diese Rückholakt­ion von Industriep­roduktion, dieser Schutz von Schlüsselt­echnologie­n geht aber auf Kosten der unternehme­rischen Freiheit. Diese zunehmende staatliche Einmischun­g stört Sie gar nicht?

Wir halten an der sozialen Marktwirts­chaft fest, der Konsument entscheide­t. Daran soll sich nichts ändern. Es ist aber legitim, dass der Staat eingreift – punktuell und temporär. Aber die Mechanisme­n der freien Marktwirts­chaft dürfen dadurch nicht eingeschrä­nkt werden. Gerade wir in Österreich haben von Globalisie­rung und freiem Markt am meisten profitiert.

 ?? [ imago images/SKATA ] ?? Georg Knill wurde im zweiten Wahlgang mit knapp drei Viertel der Stimmen zum IVPräsiden­ten gewählt.
[ imago images/SKATA ] Georg Knill wurde im zweiten Wahlgang mit knapp drei Viertel der Stimmen zum IVPräsiden­ten gewählt.

Newspapers in German

Newspapers from Austria