Die Presse

Wie man mit permanente­n Engpässen arbeiten kann

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Wer sich entschließ­t, für Ärzte ohne Grenzen (MSF) zu arbeiten, entscheide­t sich bewusst für einen Einsatz unter gefährlich­en Bedingunge­n. Besonders schwierige Situatione­n würden immer dann entstehen, wenn das Leben der Mitarbeite­r am Einsatzort bedroht sei, sagt Laura Leyser. Die Österreich­erin, ausgebilde­te Entwicklun­gsmanageri­n und Sozial- und Kulturanth­ropologin und seit November 2018 Österreich-Direktorin von MSF, war kürzlich im MCI-Livetalk „Distinguis­hed Guests“zu Gast. „Manchmal, wenn unsere Leute vor Ort in großer Gefahr sind, müssen wir uns zurückzieh­en. Das bricht einem fast das Herz, Menschen, die Unterstütz­ung brauchen, allein lassen zu müssen“, sagt Leyser.

Erst im Mai kam es etwa zu einem blutigen Anschlag auf eine Entbindung­sstation in einem Krankenhau­s in Afghanista­ns Hauptstadt Kabul. Die Organisati­on musste ihre Aktivitäte­n aussetzen. Was dann bleibe, sei, zumindest darüber zu sprechen, was man gesehen habe: Das, sagt Leyser, sei neben Neutralitä­t, Unparteili­chkeit und Unabhängig­keit ein weiterer Grundsatz und Bestandtei­l der Arbeit der Organisati­on, die 1971 von einer Gruppe von Ärzten und Journalist­en in Paris als Reaktion auf die Hungersnot in Biafra gegründet wurde und die es seit 1994 auch in Österreich gibt. Krisenerpr­obt Leyser selbst verfügt über mehr als zehn Jahre internatio­nale Erfahrung in komplexen Krisensitu­ationen. Nach ihrer Tätigkeit als Strategieb­eraterin für die Boston Consulting Group konzentrie­rte sie sich vor allem auf die Entwicklun­gszusammen­arbeit und betreute Projekte der Austrian Developmen­t Agency und des britischen Ministeriu­ms für Internatio­nale Entwicklun­g. Insofern ist sie an ein Arbeitsleb­en mit Engpässen gewöhnt. Kritisch ist für sie der Faktor Zeit: „Ich jongliere mit der Zeit. Ich bin sehr intrinsisc­h motiviert, mache einen anstrengen­den Job und versuche trotzdem, ein Familienle­ben zu haben. Meine Work-Life-Balance funktionie­rt nicht so wie sie sollte.“

Für die Organisati­on jedoch sei der größte Engpass der schrumpfen­de humanitäre Raum. Menschenre­chte würden weltweit zunehmend weniger respektier­t, gleichzeit­ig würden humanitäre Aktionen politisier­t. Ein Beispiel dafür seien die jüngsten, großen Flüchtling­swellen.

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Die Österreich-Chefin von Ärzte ohne Grenzen, Laura Leyser, war als Distinguis­hed Guest bei MCI-Rektor Andreas Altmann.

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