An der Donau, vom Delta bis zur Schallaburg
Ausstellung in Niederösterreich. „Donau. Menschen, Schätze & Kulturen“ist eine bunte, vielschichtige Schau zu einem grenzüberschreitenden Thema. Bis man am Ende bei Melk anlegt, hat man Jahrtausende und Dutzende Kulturen gestreift.
Herodot schrieb vor zirka 2470 Jahren in seinen „Historien“, dass die Donau im Land der Kelten entspringe, im äußersten Westen Europas, außerhalb der Säulen des Herakles (bei Gibraltar), also am Atlantik. Bei der Stadt Pyrene sei ihre Quelle. In den Pyrenäen? Die Donau spalte Europa der Länge nach. Herodot bezog sich oft aufs Hörensagen. Die Griechen kannten nur den Unterlauf genauer, zumindest seit der Kolonisation der Schwarzmeerküste. Was weiter westlich und nördlich lag, galt als barbarisch, verschwand rasch im mythisch Ungefähren. Die Argonautensage des Apollonius von Alexandria bekräftigt diesen Ansatz fantasievoll. Deren Abenteurer landen nach der Fahrt auf der Donau schließlich in der Oberen Adria, in wilder Fremde.
Zugleich aber förderte die Donau schon in der Antike nicht nur das Trennende. Sie war eine Hauptschlagader für den Handel. Und für Kriegszüge, Flucht. Herodot vergleicht diesen zweitgrößten Fluss Europas, den einzigen, der den Kontinent in west-östlicher Richtung durchquert, gar mit dem Nil.
Der alte Gott Danubius kann tatsächlich überwältigen. Bei der Ausstellung „Donau. Menschen, Schätze & Kulturen“auf der Schallaburg unternimmt der Besucher eine Fahrt wie aus der Perspektive alter Griechen. Über 2000 Kilometer führt sie in zehn Etappen stromaufwärts bis Niederösterreich. Die Richtung stimmt geografisch: Der Nullpunkt des Stromes liegt am Schwarzen Meer. Dann geht es vom Grenzfluss zwischen Rumänien und Bulgarien stromaufwärts via Serbien und Kroatien durch Ungarns Tiefebene, zur Slowakei und schließlich nach Österreich.
Als Mitteleuropäer gelangt man also vom eher Unbekannten ins Vertraute. Vor dem Anlegen bei Melk werden Dutzende Kulturen, Jahrtausende an Geschichte, Naturkunde und Technik gestreift. Der Schwerpunkt liegt in Südosteuropa. Regionalmuseen von dort haben der Schallaburg eine Vielzahl an Objekten zur Verfügung gestellt.
Scharfe Fischsuppe aus Baja
Die vom Historiker Dominik Heher kuratierte Schau ist bunt, didaktisch auch für Kinder geplant. Man kann spielerisch interagieren, Schiffsmodelle aus dem Technischen Museum in Wien bestaunen, einer Schar ausgestopfter Wasservögel begegnen, die von der Decke hängen, und einem riesigen präparierten Hausen (dieser Stör kam einst zum Ablaichen bis Österreich; durch das Kraftwerk am Eisernen Tor wird seine Wanderung unterbunden). Man kann Rezepte notieren, etwa ungarische Fischsuppe aus Baja – viel Paprika, eine Zwiebel. Die Ausstellung ist textlastig. Weil das Thema breit ist (wie die Donau eben), entsteht zuweilen der Eindruck von Oberflächlichkeit. Vorgegangen wird nicht chronologisch, sondern offenbar nach purer Reiselust. Ob nun ein römischer Brückenbau oder das Sticken von Brauthauben, alles kann hier auftauchen. Zweieinhalb Jahre war Hehers Team unterwegs, zu Orten, die ihm wichtig schienen. Der Katalog hilft dabei, etwas in die Tiefe zu gehen. Spezialisten aus allen Donauländern kommen zu Wort – oder einfach nur Menschen, die am und vom großen Strom leben.
auf der Schallaburg ist bis 8. November zu sehen: Mo. bis Fr. 9 bis 17 h, Sa., So. u. Feiertage 9 bis 18 Uhr. Schallaburg 1. Regelmäßig Führungen. Wunschtermine mittels Onlinetickets. Details unter www.schallaburg.at/de.
„Donau. Biographie eines Flusses“, aus dem Italienischen übersetzt von Heinz-Georg Held, im Zsolnay Verlag, (1996)
(Hrsg.): „Donaudelta“in der Reihe „Europa erlesen“, im Wieser Verlag (2013).
Beginnen wir also, nachdem Videowände passiert wurden, die uns in die fischreiche Tiefe der Donau tauchen ließen, im Delta mit seinem beeindruckenden Artenreichtum an Fauna und Flora. Karl-Markus Gauß hat einmal geschrieben, dass er aus einer merkwürdigen Scheu nie bis Sulina gelangt sei: „Dort, wo sie immer langsamer fließt und unüberschaubar breit geworden ist, ihre vom Schwarzwald auf 2888 Flusskilometern gesammelten Wassermassen nur mehr träge weiterrollt (. . .) ausgerechnet dort also, wo der Fluss zum Meer wird, markiert der Leuchtturm den messtechnischen Nullpunkt der Donau.“Peter´ Esterhazy´ schrieb einst zu diesem Punkt: „Das Meer ist nicht Ziel, sondern Feind: Tod. Das Meer ist nicht unendlich, im Gegenteil, es ist die Endlichkeit selbst. Die Donau ist das Unendliche.“
Der Leuchtturm mitten im Ort
Das beweist auch der Leuchtturm von Sulina. Im 19. Jahrhundert an der Mündung gebaut, befindet er sich heute mitten im Ort. Die Donau schiebt Sand und Steine seit Ewigkeiten immer weiter ins Meer. Was lag dabei nicht alles auf ihrem Weg? Von ersten Kulturen zeugen Ausgrabungen in Serbien. In Lepenski Vir, bei Starcevoˇ und Vincaˇ gibt es archäologische Funde, die bis in die Jungsteinzeit vor mehr als 8000 Jahren zurückreichen. Der Balkan-, speziell der Donauraum blieb damals für lange Zeit die am höchsten entwickelte Region Europas. Betont wird in der Schau die Vielschichtigkeit. Das Delta war ein Völkergemisch, so wie die Stadt Russe, die ihren Boom vor 150 Jahren einem aufgeklärten osmanischen Gouverneur verdankte. Elias Canetti, Nobelpreisträger für Literatur, wurde am größten bulgarischen Hafen geboren. Man nannte Russe „Kleines Wien“. Canettis Erinnerungsbuch „Die gerettete Zunge“bietet einen guten Eindruck von dieser Mischung aus Orient und Abendrot der Habsburger.
Das Multikulturelle ist auch an Landepunkten wie Novi Sad erkennbar. Die Vojvodina zeichnete sich lange Zeit durch friedliches Zusammenleben aus. Zugleich aber erinnert die Stadt an die Verheerungen im Krieg um Ex-Jugoslawien 1991 bis 1995, so wie Vukovar nebenan in Kroatien. Die Geschichte der Donau ist auch eine gewaltsame. Davon zeugen Festungen wie Petrovaradin, die hierzuland eher mit dem Sieg Prinz Eugens über die Osmanen bei Peterwardein 1716 assoziiert wird. Die Donau war auch immer eine Militärgrenze, weit vor der Ankunft der Römer. Auf der idyllischen Schallaburg möchte man das kaum glauben.