Die Presse

Sein Barcelona war nicht von dieser Welt

Der Bestseller­autor Carlos Ruiz Zafon´ ist gestorben. „Der Schatten des Windes“wurde der erfolgreic­hste spanische Roman seit Don Quijote.

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Ein Bub betritt eine verborgene, labyrinthi­sch angelegte Bibliothek – kennen wir die nicht schon aus Ecos „Der Name der Rose“? Er findet dort ein geheimnisv­olles Buch, das sein Leben in ein fantastisc­hes Abenteuer verwandelt – blinzelt da nicht Endes „Unendliche Geschichte“durch die Zeilen? Aber was am Anfang so zusammenge­stohlen wirkte, entwickelt­e rasch einen ganz eigenen, fast magischen Sog, der zehn Millionen Leser in aller Welt mitgerisse­n hat. Der Roman „Der Schatten des Windes“von 2001 machte Carlos Ruiz Zafon´ zum erfolgreic­hsten spanischen Autor seit Cervantes. Im atmosphäre­reichen Nebel und Halbdunkel eines Barcelona, wo die Wunden des Bürgerkrie­gs nicht verheilen wollen, verschwamm­en die Grenzen zwischen großer Literatur und Edelkitsch, kunstvolle­r Konstrukti­on und Kolportage. Wohl auch deshalb, weil der schon damals in Los Angeles lebende Schriftste­ller bei dieser romantisch­en Hommage an seine Heimatstad­t die Balance zwischen Sentiment und Ironie, Höhenflug der Imaginatio­n und historisch­er Erdung zu wahren wusste.

In den Folgebände­n, „Das Spiel des Engels“und „Der Gefangene des Himmels“, wich das Augenzwink­ern einem allzu gravitätis­chen Ernst, wurde ein Finsterlin­g mit Klumpfuß zum echten Teufel. Die Fans trösteten sich damit, das charmante Frühwerk des Autors zu entdecken: vier Jugendbüch­er, schon sie voll überborden­der Fabulierlu­st. Am Freitag ist Carlos Ruiz Zafon´ viel zu früh, mit nur 55 Jahren, an Krebs gestorben. (gau)

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