Die „17er“: Der Weg ins ersehnte Triest
Vom Wiener Matzleinsdorfer Platz in die Hafenstadt Altösterreichs.
Zwei zeitgenössische Fotos von unzähligen erzählen eine ganze Geschichte. Und die ist nicht fröhlich. Da ist zunächst die Luftaufnahme des Traiskirchener Semperit-Werks 1954. Taktgeber, Arbeitgeber für eine beträchtliche niederösterreichische Region, 1898 als Gummiwarenfabrik gegründet. „Semperit“– „Es geht immer“. Dann das zweite Foto – vom 19. Juli 2002: Der letzte hier erzeugte Autoreifen wird von den Arbeitern verabschiedet und verschwindet im Stadtmuseum. Eine Industrieära, eine Erfolgsstory, ist zu Ende.
Dies ist eine der vielen Geschichten, die die Triester Straße erzählen kann. Der Bildband von Beppo Beyerl illustriert die Geschichte der Reichsstraße von ihrem Beginn am Wiener Matzleinsdorfer Platz bis zu ihrem Ziel an der Piazza della Caserma in Triest, 1918 in Piazza Oberdan umbenannt. Keine freundliche Geste: Oberdan plante ein Attentat auf Kaiser Franz Joseph und wurde an diesem Ort (Kasernenplatz) hingerichtet.
Als im Jahr 1719 Kaiser Karl VI. die Stadt Triest zum Freihafen erklärte, war höchste Eile geboten, eine halbwegs passable Straßenverbindung zur Reichshauptstadt zu schaffen. Der Semmering erwies sich als hartnäckig, dann ging es wieder einfacher durchs Mürz- und Murtal, vom Drautal führte die Straße Richtung Cilli, dann nach Laibach, zum Adelsberger Tor und durch den Karst in die ersehnte Stadt Triest. Davor freilich, noch im Steirischen, rauscht der heutige Autoverkehr an einer Sehenswürdigkeit vorbei, die für die damalige Zeit – 1844 – kühn, gewagt, auf jeden Fall einmalig war: Die Badlwandgalerie, von 14.000 größtenteils italienischen Arbeitern errichtet, bot zu ebener Erd’ der Eisenbahn zwei Gleise und darüber, im „ersten Stock“, verlief auf einer Galerie die Trasse der Straße. Eine logische Lösung, denn die Mur ließ hier zu wenig Platz. Dieses Kuriosum hielt – auch das sehr österreichisch – von 1844 bis 1966!
Überbaut und doch gleich
Gar nicht einfach, heute noch den genauen Verlauf der alten Triester Straße zu rekonstruieren. Mehrfach überbaut, abgeändert, folgt die Straße dennoch in verblüffender Weise einer uralten Route, die von den Römern vorgezeichnet wurde. In Slowenien etwa. Dort heißt sie übrigens Wiener Straße, auch logisch. Gleich nach Laibach/Ljubljana tat sich der Große Sumpf auf, eine Schwierigkeit für die Erbauer der Südbahn wie der Straße. Die Bahntrasse über den Viadukt von Borovnica gilt als Weltwunder.
Doch es galt nicht nur, Sümpfe zu überwinden, sondern in den tief eingeschnittenen Karstgebieten wartete noch eine ganz andere Unannehmlichkeit auf die erbarmungswürdigen Straßenpassagiere: die gefürchtete Bora, dieser schneidende scharfe Karstwind. Der deckte nicht nur Gespanne ab und fegte die Ladung vom Wagen, er machte auch vor Mensch und Tier nicht halt. So schnitten die Straßenbauer ihre Trasse entweder ganz tief in das Gestein, oder sie bauten hohe verankerte Steinmauern, die Wucht der Bora abzumildern.
Und dann endlich Triest in Sicht! Zuvor hat die Straße noch eine Herausforderung anzubieten, die in früheren Zeiten den Fuhrleuten enorme Schwierigkeiten bereitete: Mit einer Linkskurve ging es in einem Gefälle von 15 Prozent hinab ins Glück. Erst Kaiser Franz I. ließ 1830 Serpentinen anlegen. Hier schließlich findet dieser abenteuerliche Weg sein Ende. Er bietet Entdeckungen sonder Zahl.