Die wandelbare Montagehalle
Noch lassen Fertigungshallen die Flexibilität für rasche Umbauten vermissen. Künftig könnten Produktions- und Bauplaner das Problem in der virtuellen Realität lösen.
Ein optisches Feuerwerk erfreut im Industriebau eher selten das Auge. Tolles, zeitgemäßes Design jedoch hat seinen Platz gefunden. „Funktionell? Sind die Gebäudestrukturen moderner Produktionshallen allemal“, sagt Iva Kovacic von der TU Wien. Sie sind aber auch eine Wette auf die Zeit, weiß die Forscherin für integrale Bauplanung aus leidvoller Erfahrung. Automobilzulieferer oder Metallverarbeiter, die in besonders kurzen Produktzyklen arbeiten, erneuern ihre Layouts häufig schon nach ein paar Jahren.
So wandelbar, wie der Produktionschef oder Werksleiter das gern hätte, ist ein Gebäude dann aber zumeist nicht. „Da steht schon mal eine tragende Stütze im Weg, oder ein anderes Element der Tragstruktur macht das Umrüsten der Linie schwierig“, so Kovacic. Die Folge: Nicht selten wird mangels Alternativen abgerissen und neu gebaut. Nicht bei der Architektur liege die Schuld. Fertigungsund Gebäudeplaner tauschen sich schlicht zu wenig aus, sagt Kovacic. Digitale Schnittstellen fehlen, Daten zirkulieren nicht.
Im Projekt „BIM_Flexi“, unterstützt von der Forschungsförderungsgesellschaft FFG, soll eine Softwareplattform für das synchrone Planen von Industriegebäuden entstehen. Die Idee: Planer und Bauherren treffen sich im virtuellen Raum. „Dort ändern sie im Objekt Parameter wie die Hallenhöhe oder die Spannweite des Tragwerks nach ihren Vorstellungen“, schildert TU-Informatiker Hannes Kaufmann.
Halle mit Reserven
Vieles dürfte auf eine etwas großzügigere Gebäudeauslegung hinauslaufen. Zwar sind bauliche Reserven in der Welt der Investitionsgüterindustrie, in der sich jeder Cent rechnen muss, eher unerwünscht. Hier gilt als Faustregel das Maßhalten. Doch ökologischökonomisch betrachtet kann die Rechnung aufgehen. Etwa, wenn im Laufe der Gebäudenutzung eben Aufwand und Ressourcen für den Umbau wegfallen. Oder das Gebäude gleich in CO2-bindender Holzbauweise errichtet wird, statt auf ein Stahltragwerk mit Betonfertigteilstützen zu setzen. „Dann gibt es eine Gutschrift für die Überinvestition“, sagt TU-Forscherin Kovacic. Auch deshalb ist sie einer mathematischen Funktion auf der Spur, die Flexibilität messbar machen soll. Die richtige Ausgabenbalance zu finden, sei das Ziel, heißt es an der TU.
Zugleich sammeln die Forscher eine Menge Daten, um die Planungsplattform auf die Beine zu stellen. Auf Basis von 25 Anwendungsfällen aus dem Portfolio der Bauplanungsbüros Gaigg und Scheibenecker – beide sind Projektpartner – sowie des Ingenieurbüros ATP führte die TU im ersten Schritt 19 qualitative Interviews mit Fachleuten quer durch alle Industriebranchen zu deren Anforderungen durch.
„Für ein prototypisches Gebäude einer Lebensmittelproduktion liegen die vollständig erfassten und digital modellierten Bauwerksdaten bereits auf unseren Rechnern.“
Virtuelle Optimierungen
Damit nähert man sich dem Kern des Projekts. Spannweite, Material, Kosten und CO2-Abdruck – nach all diesen Kriterien soll ein digitales Gebäudemodell letztlich optimierbar sein. Das geschieht in der 3-D-Modellierungssoftware Rhino samt dazugehöriger Programmier
Boden werden in Österreich jeden Tag verbaut oder umgewidmet.
Industriehallenfläche standen im Jahr 2015 in Österreich leer. Eine wandelbare Gebäudestruktur könnte die Lebensdauer von Bauwerken drastisch erhöhen. Digitale Technologien sollen dabei helfen, die Planung und Optimierung eines Gebäudes frühzeitig in der virtuellen Realität vorzunehmen.
App Grasshopper. „Die Software lässt bei der Handhabung von Geometrien große Freiheiten“, sagt Kovacic. Die Visualisierung des Gebäudes in der virtuellen Realität (VR) erfolgt hingegen mit der Echtzeit-Entwicklungsplattform Unity, zu der es schon eine programmierte Schnittstelle gibt. „Wir können bereits Daten austauschen“, sagt Kaufmann.
Am Ende wird der Bauplaner – eine 3-D-Brille vorausgesetzt – sehr einfach per Schieberegler Parameter wie die Raumhöhe verändern können. Alle Änderungen gelangen in wenigen Sekunden ins Modell zurück und bleiben dort bis zum Ende des Gebäudelebens aktuell. Begehen lassen sich die virtuellen Gebäude übrigens auf engstem Raum. Hannes Kaufmann sieht dazu vorerst aber keinerlei Veranlassung – dem VR-Labor der TU im Wiener Arsenal sei Dank. Auf 150 Quadratmetern kann er sich dort derzeit – die Corona-Abstandsregeln befolgend – frei im virtuellen Raum bewegen.