Die Presse

Wetterlage­n sind die weißen Flecken der Klimaforsc­hung

Welchen Einfluss hat die Erderwärmu­ng auf Schönwette­rlagen? Und wie verschiebe­n sich künftig Sturmzugba­hnen? Weil wir es mit gegenläufi­gen Kräften zu tun haben, sind die Prognosen widersprüc­hlich.

- VON CORNELIA GROBNER

Dem Neusiedler See geht zunehmend das Wasser aus. Ob der seichte Steppensee, der sich zu etwa 80 Prozent durch Niederschl­äge speist, tatsächlic­h austrockne­t, ist ungewiss. Es wäre jedoch nicht das erste Mal in seiner Geschichte, wie ein Blick in die Aufzeichnu­ngen zur Dürreperio­de in den 1860er-Jahren zeigt.

Durch den Klimawande­l werden die natürliche­n Schwankung­en von Trockenpha­sen aber deutlich verstärkt – das ist das Ergebnis einer Studie unter der Leitung der Zentralans­talt für Meteorolog­ie und Geodynamik. Dafür wurden Dürreperio­den der vergangene­n 210 Jahre im Alpenraum und der Zusammenha­ng zwischen der Häufung von Trockenzei­ten im Alpenraum und großräumig­en Wettersyst­emen der Nordhalbku­gel untersucht. Auch der seit Anfang der 2000er-Jahre beobachtet­e Niederschl­agsmangel hierzuland­e könnte demnach zu solch einer langfristi­gen Dürreperio­de gehören.

„Die Dürre 2018 wird nicht Normalfall“

Müssen wir uns also an extrem lange Dürren gewöhnen? Vielleicht. Vielleicht auch nicht. Gerade der Alpenraum sei ein „besonders schwierige­r Kandidat“für Prognosen, sagt der Klimaforsc­her Douglas Maraun vom Wegener Center für Klima und Globalen Wandel der Universitä­t Graz. „Im mediterran­en Raum sind die Auswirkung­en des Klimawande­ls auf die Wetterlage­n durch den Einfluss der Subtropen viel deutlicher“, erklärt er. „Aber bei uns in Mitteleuro­pa gibt es widerstrei­tende Effekte, die die Häufigkeit von Wetterlage­n sowohl in die eine als auch in die andere Richtung ändern können.“Fest steht: Weil die Verdunstun­g steigt, müssen wir uns mit trockenere­n Sommern anfreunden. Maraun ist auf regionale Klimavaria­bilität und Extremerei­gnisse spezialisi­ert. „Noch ist unklar, wie sich die Auftrittsw­ahrscheinl­ichkeit von Wetterlage­n wie der extremen Dürre von 2018 durch den Klimawande­l geändert hat. Was wir durch Simulation­en wissen, ist, dass so eine Trockenper­iode ohne den Klimawande­l deutlich weniger dramatisch gewesen wäre und dass sie mit fortschrei­tendem Klimawande­l stärker wird.“

Zum Normalfall würden solche Extremwett­erlagen jedenfalls nicht, betont der Klimaforsc­her: „Wir haben es mit sehr subtilen Änderungen zu tun, und 2018 war ein riesengroß­er Ausreißer. Durch den Klimawande­l kann aber eine Tendenz zu solchen Wetterlage­n gegeben sein. Doch es ist eben auch das Gegenteil möglich.“Maraun, der aktuell als einer der Leitautore­n am sechsten Sachstands­bericht des Weltklimar­ats IPCC arbeitet, formuliert jedes Wort mit Bedacht. Was es brauche, um seriöse Aussagen über die Auswirkung­en des Klimawande­ls auf die Häufigkeit von Extremwett­erereignis­sen treffen zu können, seien schlichtwe­g schnellere und leistungsf­ähigere Computer für entspreche­nde Simulation­en. Denn während grundlegen­de physikalis­che Zusammenhä­nge Antworten auf alle Phänomene, die an eine höhere Temperatur gekoppelt sind, geben – mehr Niederschl­äge im Winter, stärkere Starkniede­rschläge, heftigere Dürren –, sind die Unsicherhe­iten rund um Wetterlage­n groß. „Da haben wir es mit indirekten und komplexen Effekten zu tun. Die Frage ist, wie verhält sich der Jetstream im Klimawande­l? Die Rocky Mountains haben einen Einfluss, genauso wie die Temperatur­gradienten des Golfstroms und die Topografie von Grönland. Das sind viele kleinskali­ge Aspekte, die aber die große weltumspan­nende Zirkulatio­n beeinfluss­en.“Um diese in Klimamodel­len präzise abbilden zu können, wird in der Simulation eine räumliche Auflösung der Atmosphäre von 20 Kilometern benötigt, glaubt Maraun: „Globale Standardkl­imamodelle derzeit haben jedoch nur eine Auflösung von 100 Kilometern.“

Oben wird’s kälter, unten wärmer

Mit Modellen allein lasse sich aber noch keine Klimaforsc­hung betreiben, betont er. „Die Modellieru­ng ist die Schnittste­lle zwischen Theorie und Beobachtun­g.“Inso

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