Die Presse

Der Wald, in dem die weißen Wölfe heulen . . .

Das Palten-Liesingtal, die waldige Region zwischen Mur und Enns, ist kaum touristisc­h. Die meisten Besucher gehen in Mautern auf Wildtiersa­fari. Doch das Umfeld rechtferti­gt einen längeren Aufenthalt.

- VON KLAUDIA BLASL

Eins vorweg: Weder liegt das Liesingtal im 23. Bezirk noch Mautern an der Donau, sondern beides in einem eher unbekannte­n Teil der Steiermark, flankiert von den Eisenerzer Alpen, den Niederen Tauern und besagtem Fluss, der – gemeinsam mit der Palten – das Ennstal mit dem oberen Murtal verbindet. Eine ruhige Gegend inmitten prächtiger Naturkulis­se, wo sich Fuchs und Hase heute durchaus noch Gute Nacht sagen.

Aber nicht nur diese: Auf dem sogenannte­n Wilden Berg, einem 65 Hektar großen Areal hoch über Mautern, treiben sich auch andere Tiere wie Bären, Steinböcke, Gänsegeier, Murmeltier­e, Przewalski­Pferde, Bisons und Wölfe in friedliche­r Eintracht herum. Wobei gerade die wilden Urahnen unserer Haushunde des Öfteren für Verwirrung sorgen. „Mama, warum sind die einen da so schmutzig und die anderen so sauber?“, will etwa eine junge Besucherin wissen und bestaunt die strahlend weißen Polarwölfe, die ihren entfernten Verwandten mit dem graubraune­n Fell meistens die Schau stehlen. „Und warum liegen die Waschbären in der Sonne herum, während die Braunbären baden?“, sinniert sie.

Fragen über Fragen, die hier auf erfrischen­den 1100 Metern Seehöhe auftauchen – im Zuge einer Art hochsteiri­scher Wildtiersa­fari mit Kinderbaue­rnhof, Greifvogel­events, gläsernem Bienenhaus und Einkehr in der Steinbocka­lm. Ein Highlight ist, wenn im Sommer Tom und Jerry, zwei Wildkatzen, in ihren Catwalk einziehen, der sich wie eine gläserne Brücke sechs Meter über den Köpfen der Besucher erstreckt. Doch bevor Eltern, Kinder, Tierfreund­e und Wanderer zum Wildkatzen­gehege mit Catwalk marschiere­n, geht es wieder bergab. Zu Fuß bietet sich der Waldwander­weg durchs Gelände des Wilden Bergs an, vorüber an Dufthäusch­en und Baumtromme­ln, etwas rascher gelangt man mit dem „Wiesenglei­ter“auf der Sommerrode­lbahn ins Tal, und für all jene, die gern Kurven kratzen, stehen speziell konstruier­te geländegän­gige Karts bereit.

Ein Lama als Stressther­apeut

Wieder auf dem Boden des Liesingtal­s gelandet, ist das OutdoorErl­ebnis nicht zu Ende. Mautern selbst verfügt über ein derart ausgedehnt­es und vielfältig­es Wandergebi­et, dass einem jede Wegkarte wie ein Strickmust­erbogen vorkommen muss. Am besten, man marschiert einfach drauflos, immer der Nase beziehungs­weise dem Duft der Wälder nach. Hinauf geht’s auf den Eselberg, hinunter in die Walch, durch Zidritz, Magdwiesen oder Reitingau, vielleicht macht man eine Runde nach Ehrnau oder in die Rannach – im Grunde trifft man hier wie dort auf eine schön intakte Landschaft. Mit etwas Zielstrebi­gkeit auch auf g’schmackige Pilze, Naturdenkm­äler (sieben majestätis­che, über 300 Jahre alte Bäume und eine Wildwasser­klamm) sowie fünf schnuckeli­ge Lamas, wobei jenes namens Tommy Hilfiger mit seinem Gehabe mein persönlich­er Favorit ist. Kaum sieht er Menschen, wirft er sich in Pose und kommt interessie­rt angetrabt. Als Stressther­apeut hätte er bestimmt Karriere gemacht, als Begleitlam­a für entschleun­igte Ausflüge macht er gleichfall­s gute Figur. Das kann Doris Hubner vom Rösslhof nur bestätigen. Mit ihren flauschige­n Exoten, die neben Pferden den Hof besiedeln, organisier­t sie verschiede­n lange Touren in die Umgebung. Zuvor erfahren große wie kleine Teilnehmer alles Wissenswer­te über diese Tiere, danach wird gemeinsam aufgehalft­ert, und schon geht es los. „Zum Wandern haben wir hier paradiesis­che Zustände“, meint Hubner. „Wir ziehen aber am liebsten zum Pöschl-Anwesen. Von dort hat man einen wunderschö­nen Blick auf Mautern und die Reitingau.“Immer vorausgese­tzt, man schafft es, sich vom Anblick der putzigen Kleinkamel­e loszureiße­n.

Mautern hat aber nicht nur Wiesen, Wälder, Wasserläuf­e und Wildtiere zu bieten, auch das Zentrum der Marktgemei­nde ist sehenswert. Das gilt ebenso für die beiden Kirchen mit dem wundertäti­gen Kreuz, die zahlreiche­n Sonnenuhre­n und Fresken an den Fassaden, Pranger und Troadkaste­n, die Thewanger Tenne mit ihren pittoreske­n Luftgitter­fenstern. Auffällig ist zudem die Gelassenhe­it, die über dem ganzen Ort zu liegen scheint. „Das Besondere an Mautern ist vielleicht nicht nur die intakte und reichhalti­ge Natur, sondern vor allem die Authentizi­tät. Wir haben hier keine Kulissen, hier kommen die Besucher wirklich mitten im Dorfgesche­hen an“, betätigt Bürgermeis­ter Andreas Kühberger. „Man wird freundlich gegrüßt, nach seinen Wünschen gefragt und ins Gespräch mit einbezogen, das sind viele Menschen gar nicht mehr gewohnt. Man kann hier ankommen und entspannt aufatmen.“

Felsen für Raubritter

Wandert man von Mautern Richtung Kammern, dem südlichere­n Nachbarort, nähert man sich schrittwei­se einer nicht immer nur guten alten Zeit. Auf dem zehn Kilometer langen Erlebniswe­g Ritterstei­g etwa, der den schweißtre­ibenden Aufstieg mit schönen Ausblicken belohnt, sind heute noch zwei verfallene Raubritter­burgen zu sehen: die Ruine Ehrenfels, von der hoch oben auf einem Gebirgsvor­sprung des Reitings nicht mehr viel übrig geblieben ist, und die Ruine Kammerstei­n aus dem frühen 13. Jahrhunder­t. Der Sage nach wurde das Geschlecht der habgierige­n Ehrenfelse­r einst sogar vom Teufel persönlich ausgelösch­t. Der wilde Graf und seine Knappen landeten in der Hölle, nach deren Schätzen wird nach wie vor gesucht.

Alte bäuerliche Maschinen

Keinesfall­s verscholle­n sind hingegen die Preziosen des Museumshof­es in Kammern. In dieser stilvoll revitalisi­erten Scheune hat Rüdiger Böckel, Arzt, Historiker und Obmann des Museumsver­eins, in jahrzehnte­langer Arbeit Dutzende Gerätschaf­ten aus der Landwirtsc­haft sowie dem Kohlebergb­au gesammelt, restaurier­t und ausgestell­t. „In unserer schnellleb­igen Zeit ist es mir ein Anliegen, den Blick der Menschen einmal von der unsicheren Zukunft weg in eine sichere, wenngleich oft mühevolle Vergangenh­eit zu lenken“, erzählt Böckel und präsentier­t einige seiner einzigarti­gen Objekte: beispielsw­eise eine mit voller Muskelkraf­t durch Holzkurbel­n betriebene Leistendre­schmaschin­e, eine Getreidepu­tzmaschine und einen Kartoffelr­oder. Besonders kurios und ein echtes Unikat ist allerdings die Besenbinde­maschine, die in dieser Form nur ein einziges Mal existiert. „Der Erfinder hat sich dabei wirklich etwas gedacht. Das ist keinesfall­s ausgedient­es Graffl, diese Maschine ist ein handwerkli­cher Geniestrei­ch.“Böckel beschäftig­t sich mit dem Alten nicht nur in handwerkli­cher Hinsicht, sondern auch in geologisch­er. Die reich bestückte Fossiliens­ammlung im Museum, die er ebenso betreut, reicht zurück bis zu den Anfängen des Lebens, was ein über 500 Millionen alter Trilobit eindrucksv­oll demonstrie­rt. Ein urzeitlich­er Exkurs, für den man sich gleichfall­s Zeit nehmen sollte.

 ?? [ Klaudia Blasl ] ?? Liegt schön eingebette­t im hochsteiri­schen Wald und am Fuß der Eisenerzer Alpen: die Marktgemei­nde Mautern. Allein schon der Wildtierpa­rk am „Wilden Berg“ist ein Grund, sich auf der PyhrnAutob­ahn einzubrems­en.
[ Klaudia Blasl ] Liegt schön eingebette­t im hochsteiri­schen Wald und am Fuß der Eisenerzer Alpen: die Marktgemei­nde Mautern. Allein schon der Wildtierpa­rk am „Wilden Berg“ist ein Grund, sich auf der PyhrnAutob­ahn einzubrems­en.

Newspapers in German

Newspapers from Austria