„Es war quasi noch Öko-Steinzeit“
Hausgeschichte. Was Nachhaltigkeit für Michaela Reitterer in ihrem Boutiquehotel Stadthalle in Wien 15 bedeutet – und welche Erfahrungen sie bei der Umsetzung bis heute macht.
Ich habe 2009 das Hotel meiner Eltern übernommen und das Nebengebäude abgerissen“, erzählt Michaela Reitterer, Hotelchefin und Präsidentin der Österreichischen Hoteliervereinigung, von den Anfängen des nachhaltigen Hotelgedankens. „Und – ursprünglich eigentlich aus Ersparnisgründen – ein Passivhaus hinstellen lassen.“Baumaterial ist allerdings kein Holz, kein Lehm oder Ziegelwerk, sondern: Beton, mit vielen Glaselementen.
Kein Windrad auf dem Dach . . .
„Man darf nicht vergessen, dass damals, was ökologisches Bauen und vor allem Nachhaltigkeit betrifft, eine Art Steinzeit war.“Damals gab es noch keine Dämmungen aus natürlichen Materialien wie etwa Schafwolle. Aber man sei immer mehr in das Ganze hineingewachsen und habe nahezu jede Innovation berücksichtigt – oft sogar von Gästen initiiert. „Irgendwie ist das Haus mehr oder weniger rund um die Technik gebaut worden“, resümiert Reitterer die damaligen Entwicklungen und erzählt auch von nicht realisierten Ideen: „Wir wollten ursprünglich
Windräder auf dem Dach installieren lassen, das wurde uns aber nicht genehmigt.“Heute umschließen das vierstöckige Stammhaus, das sechsstöckige Passivhaus und ein einstöckiges Gartenhaus den gut 400 Quadratmeter großen Garten – das Herzstück der grünen Anlage.
. . . dafür Upcycling im Zimmer
Mit dem Bau des Hauses war es aber noch lang nicht getan mit der Nachhaltigkeit: „Wir haben eine 93 Quadratmeter große Fotovoltaikanlage, die für Strom sorgt, eine 110 Quadratmeter große Solaranlage für das Wasser, eine WasserWärme-Pumpe, deren Abwasser als Brauchwasser, etwa für Toilettenspülungen, wiederverwendet wird. Ökoduschköpfe, LED-Leuchten und der Verzicht auf Minibars in den Zimmern verringern zusätzlich den Energiebedarf“, verweist Reitterer auf weitere Maßnahmen.
Im einstöckigen Gartenhaus kam Upcycling zum Einsatz. „Wir haben alle Zimmer umgestaltet, eigene Möbel entwerfen und bauen lassen. Gemeinsam mit Gabarage, einem sozialen Unternehmen aus unserem Grätzel, wurde jedes Zimmer mit Upcycling-Möbeln eingerichtet. Wir wollen nicht zuletzt auch ein Bewusstsein für das Nachhaltigkeitsziel schaffen – und das mit Charme und Eleganz.“
Das Gebiet zwischen Westbahnhof und Hütteldorfer Straße in RudolfsheimFünfhaus wurde in der Gründerzeit verbaut und ist heute eine unaufgeregte, mit 7,6 bis 9,4 Euro/m2 Miete günstige Wohngegend. Geschäftsflächen kosten zwischen 4,7 und 20,9 Euro/m2.
Das Boutiquehotel Stadthalle besteht aus einem Bau aus der Gründerzeit, einem Gartenhaus und dem 2009 errichteten Passivhaus.
Bis Juli finden im Hotel noch Corona-Hofkonzerte statt.
Dass sich der grüne Gedanke auch optisch recht leicht erkennen lässt, zeigt ein Blick in den Garten oder auf die Fassade.
Nachhaltige Gartennutzung
Der Garten ist eine kleine grüne Oase mitten in Wien, große Bäume verheißen Schatten und Kühle, auch die Außenwände des Hotels sind ein grüner Dschungel – bewachsen sowohl mit Fassaden- als auch mit Bodenbegrünungen. Sogar ein Teil der Innenwände wurde mit Pflanzen überzogen. Ebenso sind alle Dächer mit Lavendel begrünt, und da die Häuser unterschiedliche Höhen aufweisen, können die Gäste nicht nur die Dachgärten bewundern, sondern auch die sechs hauseigenen Bienenvölker beim Honigsammeln beobachten.
Zur Coronakrise und den Absagen der meisten Kulturveranstaltungen hat Reitterer ihre eigene Lösung gefunden: „Loge und Logis“(„Die Presse“berichtete). Seit 30. Mai treten einmal wöchentlich österreichische Künstler auf der grünen Gartenbühne auf, von 27 Fensterlogen aus zu genießen. Auch eine Facette der nachhaltigen Nutzung von vorhandener Infrastruktur.