Einrichten im Wandel
Design. Coronamaßnahmen gehen, Home-Office bleibt. Als Ergänzung zum Büro ändert es die Arbeitswelt im Großen wie im Kleinen: Bürodesignstücke halten vermehrt Einzug in Wohnungen.
Die einen stecken sich für berufliche Telefonate nur einen Hörer aus dem Billigshop ans Handy, die anderen setzten auf exquisites Noise-Cancelling samt Headset. Manche suchen bei Vega Nova nach ergonomisch wie ökologisch verträglichen Sitzhockern, die am Esstisch nicht als Büro-Equipment auffallen und zu den Home-OfficeSchlappen passen. Und wieder andere gönnen sich nun Designklassiker für das Home-Office, die man sich bisher nicht leisten wollte – weil man ja so wenig zu Hause war.
Wie auch immer – man richtet sich ein in einer neuen Arbeitswelt. „Es wird eine vermehrte Koexistenz von Büro und Home-Office geben“, sagt Karin Voser, Head von Vitra Home Österreich und Schweiz. „Was vorher kaum denkbar war, hat sich Mitte März innerhalb kürzester Zeit als durchaus machbar erwiesen: Ein Heer aus Heimarbeitern hält den Betrieb aufrecht“, meint Voser. „Die Produktivität hat, abseits anfänglicher technischer Schwierigkeiten und weniger Ausnahmen, nicht gelitten.“Natürlich müsse man bei der Bewertung von Home-Office die Kinderbetreuung klar differenzieren. „Das sind zwei unterschiedliche Dinge. Sie können zwar zusammen sinnvoll sein, aber dass man nicht so effizient arbeiten kann, wenn man zeitgleich kleine Kinder betreut, ist klar.“
Treffpunkt Büro
Das Büro bliebe zentral und wichtig: Es stehe für das gemeinsame Ziel, Identifikation, Austausch und Kommunikation. „Kreativität im Team, das Lösen von Konflikten oder Kundengespräche laufen persönlich, vor Ort, einfach besser,“sagt Julian Schramek, Leiter des Geschäftsbereichs Building Consultancy bei CBRE in Wien.
Für Arbeiten, die man zu Hause genau so gut erledige, könne man sich die Pendelei aber durchaus sparen. „Für das gelegentliche Arbeiten zu Hause tut es die Couch sicher auch“, meint Schramek. „Wenn man den Arbeitsplatz aber als dauernde Ergänzung zum Büro nutzen will, sollte man sich schon mehr überlegen.“Ob man ein eigenes Zimmer zur Verfügung hat oder eine Ecke im Wohnraum – es sollte ein klar zugeordneter Platz sein, „ein Bereich, der für das Arbeiten definiert ist“. Da, anders als im Büro, kein Arbeitgeber Vorgaben macht, müsse man selbst entscheiden: Möchte man den Ausblick, vielleicht sogar ins Grüne, oder lieber einen Tisch an der Wand? Welche Lichtquellen sind notwendig? Und ist es sinnvoll, geräuschunterdrückende Kopfhörer
Zuhause wird der Kompromiss aus Funktionalität und Design gesucht – und dafür auch mehr ausgegeben als für reine Büromöbel. Klassiker wie die Soft Pad Chairs von Eames oder die Serie Studio von Bene sind ebenso nachgefragt wie TischlerAnfertigungen. Auch der Stauraum für Unterlagen soll hübsch sein – wenn kein eigenes Bürozimmer vorhanden. zu verwenden, weil sich im Raum auch andere Menschen aufhalten? „Es gibt ja unterschiedliche Prioritäten und Anforderungen, was für den einen wichtig ist, lässt den anderen kalt“, sagt Schramek. CBRE hat dazu einen Designguide mit fünf Raumtypen ausgearbeitet, der die passenden Utensilien, Farben und Materialien aufzeigt.
Die Suche nach geeigneter Infrastruktur ist stark spürbar: Von Anbietern wie Ikea bis zu Bene und Vitra vermelden die Unternehmen erhöhte Nachfrage an Büromöbeln für das Home-Office – von Drehsesseln, Schreibtischen und Stauraum bis zu Lampen. „Bei uns sind vor allem Klassiker angesagt, etwa die Soft Pad Chairs und Alu Chairs von Eames“, berichtet Voser. „Die Produkte müssen wohnlicher sein, die Farb- und Materialwahl abgestimmter auf die Umgebung.“Insgesamt werde nach nachhaltigen und langlebigen Stücken gesucht.
Home-Office prägt Office
Die Rückbesinnung auf das traute Heim zeigt sich auch in den Büros selbst. „Die Welten vermischen sich“, meint Friedrich Passler von Alleswirdgut-Architekten. Wo früher kalte, klare Farben dominierten, Metall und Kunststoff für einen effizienten Eindruck sorgten, sei heute nicht nur Holz das Material der Wahl. Auch (durchaus dicke) Teppiche, geräuschdämmende Textilien und – wie im Österreichische Volkswohnungswerk im 2. Wiener Bezirk – sogar Blümchentapeten und Kollagen aus kleinen gerahmten Fotos sollen für Behaglichkeit am Arbeitsplatz sorgen.
Abseits von Designfragen zeigt sich die neue Bedeutung des Home-Office aber auch daran, dass Firmen überlegen, wie viele Arbeitsplätze sie in Zukunft tatsächlich zu Verfügung stellen müssen – und wo. „Bürogebäude im Wiener Speckgürtel werden interessant, weil etwa Leute aus dem Wald- oder Weinviertel für zwei, drei Tage nach Korneuburg ins Büro kommen und dazu nicht nach Wien fahren müssen“, nennt Schramek ein Beispiel. „Vermehrtes Home-Office wirkt sich auf den gesamten Büro- und Wohnimmobilienmarkt aus.