Aufstehen – in eigener Sache
Arbeit. Frauen, so steht zu befürchten, könnten mittelfristig auf dem Arbeitsmarkt coronabedingt eher auf der Strecke bleiben als Männer. Was jetzt zu tun ist.
Es ist dabei geblieben. Die Arbeit im Home-Office infolge der Coronapandemie hat an der traditionellen Rollenverteilung in Paarhaushalten nichts geändert. Nach wie vor leisteten Frauen die meiste unbezahlte Arbeit, wenn Kinder vorhanden sind, fand ein Forscherteam um Katharina Mader von der WU Wien heraus.
Frauen in Paarhaushalten mit Kindern arbeiten insgesamt rund 14,5 Stunden täglich, davon 9,5 Stunden unbezahlt. Männer kommen auf eine gute halbe Stunde weniger Gesamtarbeitszeit (sieben Stunden unbezahlt, 6,75 bezahlt).
Frauen sind zwar von coronabedingter Arbeitslosigkeit minimal weniger betroffen als Männer. Sie drohen aber aufgrund von Teilzeitbeschäftigung und Mehrfachbelastung (Beruf, Familie, Haushalt, Pflege), mittelfristig eher auf der Strecke zu bleiben, meinen Forscher, die Geschlechterrollen könnten zudem einzementiert werden. Frauen würde die geringere Sichtbarkeit besonders zum Verhängnis werden – und der eine oder andere „unconcious bias“der Vorgesetzten, zum Beispiel, dass sich Frauen zunächst um die Familie kümmern wollen (Stichwort: Kinderferienbetreuung) und Arbeit nicht Priorität habe. Diese unbewussten Vorurteile teilen übrigens nicht nur männliche Führungskräfte.
Höhere Qualifikation hilft nur bedingt
Tatsächlich, sagt Christine Mayrhuber vom Wirtschaftsforschungsinstitut Wifo, zeige sich gerade jetzt, dass das Versprechen der ökonomischen Absicherung über den Arbeitsmarkt aus den 1970er-Jahren nie eingelöst wurde: Erwerbsarbeit könne die Existenzsicherung nicht garantieren.
Konkret sei die Arbeitslosigkeit in Branchen wie dem Tourismus stark gestiegen, der traditionell viele Frauen beschäftige und für Teilzeit- und Niedriglohnjobs bekannt sei. Zudem zeige sich, dass auch höhere Qualifikation (ab Matura) nur unbedingt helfe: Höher qualifizierte Frauen sind von Arbeitslosigkeit aktuell stärker betroffen als Männer.
Die dahinterliegenden strukturellen Probleme, sagt die Forscherin, könne man nur mit Unterstützungen der öffentlichen Hand eindämmen, die zusätzlich von Beschäftigungsprogrammen begleitet sind. Allerdings gibt es auch auf individueller Ebene Möglichkeiten, sich zu rüsten.
IIIIIEtwa durch Kommunikation. „Sprache schafft Wirklichkeit“, sagt Saskia Wallner, CEO der Agentur Ketchum Publico. Frauen positionierten sich nicht bewusst genug, meint sie. Sie würden sagen, „das habe ich nicht so schlecht gemacht“, statt: „Ich habe dieses Projekt perfekt umgesetzt.“Oder: „Vielleicht könnte ich dafür einen Bonus bekommen?“statt: „Ich verdiene den Bonus.“Diese Sätze schaffen Wirklichkeit: für die Sprechenden, die Kollegen, die Führungskräfte – aber eben unterschiedliche.
Verbunden damit gehe es darum, „sich zu trauen, ohne falsche Bescheidenheit, auf die eigenen Erfolge hinzuweisen“, meint Executive Coach Claudia Nuss, und sich selbst zu sagen: „Ich bin wichtig“und „Meine Arbeit hat den gleichen Wert, wie die jemandes anderen.“Dafür müsse man sich der eigenen Erfolge, schienen sie auch noch so unbedeutend, bewusst sein. Sie rät, eine „Mutliste“anzulegen, um die eigenen Erfolge als Mutmacher zu visualisieren – um sie auch artikulieren zu können.
Die Einstellung, „die anderen werden schon sehen, was ich alles leiste und wie hart ich arbeite“, werde nur sehr selten belohnt, sagt Wallner. Stattdessen müsse man in eigener Sache aktiv werden. Denn, „wer, wenn nicht du selbst, soll einen Lanze für dich brechen?“, fragt sie. Das bedeute nicht, „permanent den Genieverdacht gegen sich selbst zu erheben“, sondern vielmehr, die eigenen Glaubenssätze kritisch zu betrachten und „sich selbst infrage zu stellen. Denn daraus entsteht ein Zu-sich-selbst-Stehen.“
Daneben ist auch die Haltung – im physischen Sinn – ein wichtiger Faktor. On- wie offline mache es einen Unterschied, ob man aufrecht sitze oder stehe oder der Körper gekrümmt sei, sagt Nuss. Ebenso komme es auf Ernährung und Bewegung an. Richtig betrieben, würden sie Kraft geben. Zudem würden Menschen, die sich bewegen (und wenn es nur fünf Minuten täglich sind), entschlossener und konsequenter an Ziele herangehen.
Diese Positionierung gehe nicht, ohne sichtbar und hörbar und präsent zu sein. Klar ist es vor Ort am Arbeitsplatz meist einfacher, sichtbar/hörbar/präsent zu sein, man kann es aber auch im Home-Office sein, gleich ob in der Videokonferenz, am Telefon oder anderen unternehmensinternen Kanälen. Frauen, sagt Nuss, würden sich mitunter scheuen, vor Meetings Themen mit anderen Teilnehmern zu besprechen, und würden sich mangels Lobbying im Meeting selbst manchmal überrumpelt fühlen, weil Entscheidungen in für sie unerwartete Richtungen gehen. Vieles lasse sich aus dem Selbst heraus bewirken. Doch Wallner und Nuss empfehlen, auch Unterstützung von außen zu suchen: das Gespräch mit Familienmitgliedern und Freunden, um sich Inputs zu holen, oder Coachings und Weiterbildungen. „In sich selbst zu investieren“, sagt Nuss, „ist in Zeiten der Unsicherheit die beste Investition.“
IImmer verbunden mit dem Ziel, die eigenen Handlungsoptionen zu erweitern. Noch etwas: Um nicht auf der Strecke zu bleiben, rät Nuss, klare Vereinbarungen mit dem eigenen Partner zu treffen: Wer bekommt wann für wie lang den besseren Arbeitsplatz in der Wohnung? Und abgesehen von coronabedingter Arbeit im Home-Office: Wer betreut zu welcher Zeit die Kinder, wer kümmert sich wie um den Haushalt?