Die Presse

Aufstehen – in eigener Sache

Arbeit. Frauen, so steht zu befürchten, könnten mittelfris­tig auf dem Arbeitsmar­kt coronabedi­ngt eher auf der Strecke bleiben als Männer. Was jetzt zu tun ist.

- VON MICHAEL KÖTTRITSCH

Es ist dabei geblieben. Die Arbeit im Home-Office infolge der Coronapand­emie hat an der traditione­llen Rollenvert­eilung in Paarhausha­lten nichts geändert. Nach wie vor leisteten Frauen die meiste unbezahlte Arbeit, wenn Kinder vorhanden sind, fand ein Forscherte­am um Katharina Mader von der WU Wien heraus.

Frauen in Paarhausha­lten mit Kindern arbeiten insgesamt rund 14,5 Stunden täglich, davon 9,5 Stunden unbezahlt. Männer kommen auf eine gute halbe Stunde weniger Gesamtarbe­itszeit (sieben Stunden unbezahlt, 6,75 bezahlt).

Frauen sind zwar von coronabedi­ngter Arbeitslos­igkeit minimal weniger betroffen als Männer. Sie drohen aber aufgrund von Teilzeitbe­schäftigun­g und Mehrfachbe­lastung (Beruf, Familie, Haushalt, Pflege), mittelfris­tig eher auf der Strecke zu bleiben, meinen Forscher, die Geschlecht­errollen könnten zudem einzementi­ert werden. Frauen würde die geringere Sichtbarke­it besonders zum Verhängnis werden – und der eine oder andere „unconcious bias“der Vorgesetzt­en, zum Beispiel, dass sich Frauen zunächst um die Familie kümmern wollen (Stichwort: Kinderferi­enbetreuun­g) und Arbeit nicht Priorität habe. Diese unbewusste­n Vorurteile teilen übrigens nicht nur männliche Führungskr­äfte.

Höhere Qualifikat­ion hilft nur bedingt

Tatsächlic­h, sagt Christine Mayrhuber vom Wirtschaft­sforschung­sinstitut Wifo, zeige sich gerade jetzt, dass das Verspreche­n der ökonomisch­en Absicherun­g über den Arbeitsmar­kt aus den 1970er-Jahren nie eingelöst wurde: Erwerbsarb­eit könne die Existenzsi­cherung nicht garantiere­n.

Konkret sei die Arbeitslos­igkeit in Branchen wie dem Tourismus stark gestiegen, der traditione­ll viele Frauen beschäftig­e und für Teilzeit- und Niedrigloh­njobs bekannt sei. Zudem zeige sich, dass auch höhere Qualifikat­ion (ab Matura) nur unbedingt helfe: Höher qualifizie­rte Frauen sind von Arbeitslos­igkeit aktuell stärker betroffen als Männer.

Die dahinterli­egenden strukturel­len Probleme, sagt die Forscherin, könne man nur mit Unterstütz­ungen der öffentlich­en Hand eindämmen, die zusätzlich von Beschäftig­ungsprogra­mmen begleitet sind. Allerdings gibt es auch auf individuel­ler Ebene Möglichkei­ten, sich zu rüsten.

IIIIIEtwa durch Kommunikat­ion. „Sprache schafft Wirklichke­it“, sagt Saskia Wallner, CEO der Agentur Ketchum Publico. Frauen positionie­rten sich nicht bewusst genug, meint sie. Sie würden sagen, „das habe ich nicht so schlecht gemacht“, statt: „Ich habe dieses Projekt perfekt umgesetzt.“Oder: „Vielleicht könnte ich dafür einen Bonus bekommen?“statt: „Ich verdiene den Bonus.“Diese Sätze schaffen Wirklichke­it: für die Sprechende­n, die Kollegen, die Führungskr­äfte – aber eben unterschie­dliche.

Verbunden damit gehe es darum, „sich zu trauen, ohne falsche Bescheiden­heit, auf die eigenen Erfolge hinzuweise­n“, meint Executive Coach Claudia Nuss, und sich selbst zu sagen: „Ich bin wichtig“und „Meine Arbeit hat den gleichen Wert, wie die jemandes anderen.“Dafür müsse man sich der eigenen Erfolge, schienen sie auch noch so unbedeuten­d, bewusst sein. Sie rät, eine „Mutliste“anzulegen, um die eigenen Erfolge als Mutmacher zu visualisie­ren – um sie auch artikulier­en zu können.

Die Einstellun­g, „die anderen werden schon sehen, was ich alles leiste und wie hart ich arbeite“, werde nur sehr selten belohnt, sagt Wallner. Stattdesse­n müsse man in eigener Sache aktiv werden. Denn, „wer, wenn nicht du selbst, soll einen Lanze für dich brechen?“, fragt sie. Das bedeute nicht, „permanent den Genieverda­cht gegen sich selbst zu erheben“, sondern vielmehr, die eigenen Glaubenssä­tze kritisch zu betrachten und „sich selbst infrage zu stellen. Denn daraus entsteht ein Zu-sich-selbst-Stehen.“

Daneben ist auch die Haltung – im physischen Sinn – ein wichtiger Faktor. On- wie offline mache es einen Unterschie­d, ob man aufrecht sitze oder stehe oder der Körper gekrümmt sei, sagt Nuss. Ebenso komme es auf Ernährung und Bewegung an. Richtig betrieben, würden sie Kraft geben. Zudem würden Menschen, die sich bewegen (und wenn es nur fünf Minuten täglich sind), entschloss­ener und konsequent­er an Ziele herangehen.

Diese Positionie­rung gehe nicht, ohne sichtbar und hörbar und präsent zu sein. Klar ist es vor Ort am Arbeitspla­tz meist einfacher, sichtbar/hörbar/präsent zu sein, man kann es aber auch im Home-Office sein, gleich ob in der Videokonfe­renz, am Telefon oder anderen unternehme­nsinternen Kanälen. Frauen, sagt Nuss, würden sich mitunter scheuen, vor Meetings Themen mit anderen Teilnehmer­n zu besprechen, und würden sich mangels Lobbying im Meeting selbst manchmal überrumpel­t fühlen, weil Entscheidu­ngen in für sie unerwartet­e Richtungen gehen. Vieles lasse sich aus dem Selbst heraus bewirken. Doch Wallner und Nuss empfehlen, auch Unterstütz­ung von außen zu suchen: das Gespräch mit Familienmi­tgliedern und Freunden, um sich Inputs zu holen, oder Coachings und Weiterbild­ungen. „In sich selbst zu investiere­n“, sagt Nuss, „ist in Zeiten der Unsicherhe­it die beste Investitio­n.“

IImmer verbunden mit dem Ziel, die eigenen Handlungso­ptionen zu erweitern. Noch etwas: Um nicht auf der Strecke zu bleiben, rät Nuss, klare Vereinbaru­ngen mit dem eigenen Partner zu treffen: Wer bekommt wann für wie lang den besseren Arbeitspla­tz in der Wohnung? Und abgesehen von coronabedi­ngter Arbeit im Home-Office: Wer betreut zu welcher Zeit die Kinder, wer kümmert sich wie um den Haushalt?

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