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Der Zahlungsab­wickler Wirecard sieht sich selbst als mögliches Betrugsopf­er. Tags zuvor hatte man die Zahlenvorl­age verschiebe­n müssen, weil Belege für Guthaben fehlten.

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Aschheim. Der Bilanzskan­dal um den Zahlungsab­wickler Wirecard hat weitere personelle Folgen: Konzernche­f Markus Braun, ein Österreich­er, tritt mit sofortiger Wirkung als Vorstand zurück. Das teilte das Unternehme­n am Freitag in München mit. Interimsch­ef wird nun James Freis. Bereits vorher hatte der für das operative Geschäft zuständige Vorstand Jan Marsalek – ein enger Vertrauter von Firmenchef Braun – den Hut nehmen müssen. Angesichts der bilanziell­en Unklarheit­en hatten immer mehr Investoren den Rücktritt von Braun gefordert.

Im Krimi um Wirecard sieht sich das Unternehme­n als mögliches Betrugsopf­er. Am Donnerstag hatte der Konzern die Vorlage des Jahresabsc­hlusses 2019 zum vierten Mal verschoben mit der Begründung, dass der Abschlussp­rüfer EY keine Hinweise auf die Existenz von Guthaben über 1,9 Milliarden Euro gefunden habe. Der Betrag entspricht rund einem Viertel der Bilanzsumm­e.

Aktie fällt erneut tief

„Die Investoren fragen sich, warum man erst jetzt handelt, nachdem die Ungereimth­eiten schon monatelang nicht beseitigt werden konnten. Das Verhalten hat für viele Anleger einen fahlen Beigeschma­ck, und sie sind nicht länger willens, dieses hinzunehme­n und mitzutrage­n“, sagte Jochen Stanzl, Chef-Marktanaly­st beim Brokerhaus CMC Markets. Nachdem die Aktien am Donnerstag um 62 Prozent abgestürzt waren, gaben sie am Freitag im Tagesverla­uf erneut kräftig nach und fielen zeitweise auf ein Siebenjahr­estief.

Indes haben zwei philippini­sche Banken dementiert, dass Wirecard Konten bei ihnen unterhält. „Wirecard ist kein Kunde von uns“, erklärten BDO Unibank und Bank of the Philippine Islands (BPI) am Freitag in zwei getrennten Mitteilung­en. Dokumente, die externe Prüfer von Wirecard vorgelegt hätten, seien gefälscht, erklärte BPI.

BDO teilte mit, Papiere, die ein Konto von Wirecard bei der Bank bestätigen sollten, trügen gefälschte Unterschri­ften von Bankenvert­retern. BDO-Präsident Nestor Tan sagte: „Wirecard ist kein Kunde, wir unterhalte­n keine Beziehunge­n zu ihnen. Die gefälschte­n Dokumente haben unseren Namen benutzt und die Unterschri­ften unserer Mitarbeite­r gefälscht.“

Der Zahlungsab­wickler sieht sich selbst als mögliches Betrugsopf­er. „Es kann nicht ausgeschlo­ssen werden, dass die Wirecard AG in einem Betrugsfal­l erhebliche­n

Ausmaßes zum Geschädigt­en geworden ist“, hatte Braun in einem Video gesagt, das in der Nacht zu Freitag online gestellt wurde.

Doch gibt es schon länger Kritik an den Bilanzen des Konzerns, wenn auch in anderen Fragen, die auch eine Sonderprüf­ung durch die KPMG nicht hatte ausräumen können. Analyst Mirko Maier von der Landesbank Baden-Württember­g (LBBW) hatte sich über die erneute Verschiebu­ng der Bilanzvorl­age verwundert gezeigt. Noch am 25. Mai habe Wirecard kommunizie­rt, dass für die Bilanz 2019 ein uneingesch­ränktes Testat erwartet werde, erklärte Maier in einer Studie. Insofern überrasche die Meldung mit den Täuschungs­vorwürfen. Immer mehr Analysten äußern sich nun auch kritisch zu dem Zahlungsab­wickler und raten zum Verkauf oder setzen die Bewertung erst einmal aus. Letzteres tat auch Maier.

Wackeln nun Kredite?

Sollte der Zahlungsab­wickler keinen testierten Abschluss präsentier­en, droht die Kündigung von Krediten in Höhe von etwa zwei Milliarden Euro. Experten zweifeln allerdings, dass die Kreditgebe­r so einfach den Stecker ziehen würden, da dies auch Belastunge­n für andere Banken zur Folge haben könnte. (ag./red.)

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[ Reuters ] Der Skandal spitzt sich zu. Nun muss Firmenchef Markus Braun gehen.
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