Die Presse

Die Fed gibt Rendite vor

Geldanlage. Die US-Notenbank Fed ist im Zuge der Coronakris­e zur Hauptakteu­rin an den Börsen geworden. Bald könnte sie auch formell Höchstrend­iten für Staatsanle­ihen vorgeben – mit Auswirkung­en auf alle Vermögensw­erte.

- VON STEFAN RIECHER

Warum die USNotenban­k für Anleger weltweit entscheide­nd ist.

New York. Viel wird dieser Tage über diese eigenartig­e Börsenrall­ye inmitten der schwersten Wirtschaft­skrise seit dem Zweiten Weltkrieg gerätselt. Die schneller als erwartete Wiedereröf­fnung der Wirtschaft wird oft als Grund angeführt, auch die Hoffnung auf eine rasche Impfung gegen das Coronaviru­s. Klingt natürlich beides logisch, eine womöglich noch wichtigere Ursache wird dabei aber gern übersehen: das Federal-Reserve-System der Vereinigte­n Staaten.

Als Antwort auf die ökonomisch­en Folgen des Corona-Shutdowns hat die US-Notenbank mit allen Prämissen gebrochen, Undenkbare­s ist längst Realität. Das Institut finanziert nicht nur die USStaatssc­hulden in großem Stil, indem es Staatsanle­ihen aufkauft. Mittlerwei­le kauft die Fed, zum ersten Mal in ihrer 107-jährigen Geschichte, auch Indexfonds und Firmenanle­ihen, etwa den iShares Investment Grade Corporate Bond ETF von Blackrock. Die weltwichti­gste Zentralban­k leiht den größten US-Firmen Geld – ein Schritt, den selbst Fed-Chef Jerome Powell als „sehr ungewöhnli­ch“beschreibt. Kann man so sagen.

Die Fed betrifft alle

Vom Hedgefonds an der Wall Street bis zum Kleinanleg­er in Österreich kommt niemand um die Fed herum, ihre Aktivitäte­n beeinfluss­en alle Kurse. Auf sieben Billionen Dollar ist die Bilanz der Zentralban­k vorerst angestiege­n, auf neun Billionen soll sie heuer noch wachsen. Das entspricht rund der Hälfte der US-Wirtschaft­sleistung. Zum Vergleich: Nach der Krise von 2008 wuchs die Fed-Bilanz auf 25 Prozent des BIP, nach dem Zweiten Weltkrieg waren es 20 Prozent.

Damit nicht genug. Falls noch jemand daran gezweifelt hat, dass mit der Fed eher nicht zu spaßen ist, ließ Powell die Marktteiln­ehmer nun auch wissen, dass man eventuell schon bald die Renditen auf US-Staatspapi­ere formell festlegen könnte. Soll heißen: Nicht der Markt, sondern die Fed bestimmt den Zinssatz, den Washington für seine Schulden zu bezahlen hat. Auch wenn die Währungshü­ter noch nicht entschiede­n haben: Experten wie jene von Goldman Sachs oder Bank of America gehen davon aus, dass es spätestens im September so weit sein könnte.

Blick nach Australien

Es lohnt sich ein genauerer Blick, zumal langfristi­ge US-Papiere mittlerwei­le wohl die weltweit einzigen, relativ sicheren Staatsanle­ihen sind, die zumindest noch eine halbwegs vernünftig­e Rendite abwerfen.

Zehnjährig­e Treasuries notierten zuletzt bei 0,7 Prozent, 30-jährige bei 1,5 Prozent. Daran dürfte auch eine sogenannte „Yield Cap“wenig ändern, da diese am ehesten für kurz- bis mittelfris­tige Papiere kommen würde – also für ein- bis fünfjährig­e. Powell deutete an, dass er die Lage in Australien genau beobachte, wo die Notenbank im März einen Renditewer­t von 0,25 Prozent für dreijährig­e Papiere vorgab. Tatsächlic­h geht es im Geschäft der Notenbanke­n vor allem um Glaubwürdi­gkeit, und die hat Powell zumindest im Moment. Die Renditen für kurzfristi­ge Papiere liegen bei 0,2 Prozent, und solange die Börsianer daran glauben, dass es die Fed ernst meint, kann es durchaus sein, dass diese gar nicht erst weiter eingreifen muss. Nur wenn der Markt plötzlich weniger Treasuries kaufen würde – und die Kurse fielen –, müsste die Notenbank zukaufen, um die Renditen stabil zu halten.

Kurzum: Für Kleininves­toren, die US-Staatspapi­ere im Portfolio haben, ändert die Ankündigun­g gar nicht so viel.

Auswirkung­en auf den Dollar

Allerdings, und das ist für europäisch­e Anleger ein wichtiger Punkt: Sollte die Fed die Renditen in der

Tat offiziell vorgeben und dabei möglicherw­eise sogar fünfjährig­e Papiere miteinbezi­ehen, würde sich das auf den Dollar auswirken.

In der Theorie sollte der Greenback an Wert verlieren, weil Kapital im Normalfall in jene Märkte fließt, in denen Zinsen zu holen sind. Wenn der Euro im Vergleich zum Dollar zulegt, muss ein österreich­ischer Anleger, der in den USA investiert ist, einen Wechselkur­sverlust verbuchen. Freilich: Ein Absturz des Dollars wäre nicht garantiert. Börsianer könnten die Renditekon­trolle durch die Fed auch als

Alarmsigna­l interpreti­eren, erst recht in die US-Währung als sicheren Hafen fliehen und beispielsw­eise zehnjährig­e Papiere kaufen. Von noch größerer Bedeutung sind vielleicht ohnehin die Auswirkung­en der Fed-Ideen auf die globalen Aktienmärk­te. Die Nachricht Powells ist klar: Egal, was kommt, wir werden einen Absturz verhindern, auch wenn wir unser Mandat dabei noch so weitläufig interpreti­eren müssen. Die Tatsache, dass die Fed Firmenanle­ihen kauft, ist ein gutes Beispiel. Das Volumen ist mit 1,5 Milliarden Dollar im Mai zwar gering, es geht aber um das Signal. Nicht umsonst vergleiche­n viele die aktuelle Fed-Politik mit jener des damaligen EZB-Chefs Mario Draghi, der 2012 mit seinen Worten „Whatever it Takes“das Ende des Euro verhindert haben könnte.

Weiterhin Party?

Als Aktienbesi­tzer kann man die Aktionen der Fed deshalb auch als positive Nachricht sehen. Natürlich sind die Bewertunge­n, vor allem in den USA, fast schon obszön hoch. Und doch könnte die US-Notenbank dafür sorgen, dass die Party noch weitergeht. Beschränkt sie die Renditen auf Staatspapi­ere, könnte noch mehr Geld in den Aktienmark­t fließen. Das heißt keineswegs, dass im derzeitige­n Umfeld keine Vorsicht geboten ist. Der Bargeldant­eil sollte wohl etwas höher als sonst sein, um im Fall der Fälle nachkaufen zu können. Aber wer daran glaubt, dass die Fed weiterhin Gewehr bei Fuß steht, braucht zumindest nicht in Panik zu verkaufen.

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