Die Fed gibt Rendite vor
Geldanlage. Die US-Notenbank Fed ist im Zuge der Coronakrise zur Hauptakteurin an den Börsen geworden. Bald könnte sie auch formell Höchstrenditen für Staatsanleihen vorgeben – mit Auswirkungen auf alle Vermögenswerte.
Warum die USNotenbank für Anleger weltweit entscheidend ist.
New York. Viel wird dieser Tage über diese eigenartige Börsenrallye inmitten der schwersten Wirtschaftskrise seit dem Zweiten Weltkrieg gerätselt. Die schneller als erwartete Wiedereröffnung der Wirtschaft wird oft als Grund angeführt, auch die Hoffnung auf eine rasche Impfung gegen das Coronavirus. Klingt natürlich beides logisch, eine womöglich noch wichtigere Ursache wird dabei aber gern übersehen: das Federal-Reserve-System der Vereinigten Staaten.
Als Antwort auf die ökonomischen Folgen des Corona-Shutdowns hat die US-Notenbank mit allen Prämissen gebrochen, Undenkbares ist längst Realität. Das Institut finanziert nicht nur die USStaatsschulden in großem Stil, indem es Staatsanleihen aufkauft. Mittlerweile kauft die Fed, zum ersten Mal in ihrer 107-jährigen Geschichte, auch Indexfonds und Firmenanleihen, etwa den iShares Investment Grade Corporate Bond ETF von Blackrock. Die weltwichtigste Zentralbank leiht den größten US-Firmen Geld – ein Schritt, den selbst Fed-Chef Jerome Powell als „sehr ungewöhnlich“beschreibt. Kann man so sagen.
Die Fed betrifft alle
Vom Hedgefonds an der Wall Street bis zum Kleinanleger in Österreich kommt niemand um die Fed herum, ihre Aktivitäten beeinflussen alle Kurse. Auf sieben Billionen Dollar ist die Bilanz der Zentralbank vorerst angestiegen, auf neun Billionen soll sie heuer noch wachsen. Das entspricht rund der Hälfte der US-Wirtschaftsleistung. Zum Vergleich: Nach der Krise von 2008 wuchs die Fed-Bilanz auf 25 Prozent des BIP, nach dem Zweiten Weltkrieg waren es 20 Prozent.
Damit nicht genug. Falls noch jemand daran gezweifelt hat, dass mit der Fed eher nicht zu spaßen ist, ließ Powell die Marktteilnehmer nun auch wissen, dass man eventuell schon bald die Renditen auf US-Staatspapiere formell festlegen könnte. Soll heißen: Nicht der Markt, sondern die Fed bestimmt den Zinssatz, den Washington für seine Schulden zu bezahlen hat. Auch wenn die Währungshüter noch nicht entschieden haben: Experten wie jene von Goldman Sachs oder Bank of America gehen davon aus, dass es spätestens im September so weit sein könnte.
Blick nach Australien
Es lohnt sich ein genauerer Blick, zumal langfristige US-Papiere mittlerweile wohl die weltweit einzigen, relativ sicheren Staatsanleihen sind, die zumindest noch eine halbwegs vernünftige Rendite abwerfen.
Zehnjährige Treasuries notierten zuletzt bei 0,7 Prozent, 30-jährige bei 1,5 Prozent. Daran dürfte auch eine sogenannte „Yield Cap“wenig ändern, da diese am ehesten für kurz- bis mittelfristige Papiere kommen würde – also für ein- bis fünfjährige. Powell deutete an, dass er die Lage in Australien genau beobachte, wo die Notenbank im März einen Renditewert von 0,25 Prozent für dreijährige Papiere vorgab. Tatsächlich geht es im Geschäft der Notenbanken vor allem um Glaubwürdigkeit, und die hat Powell zumindest im Moment. Die Renditen für kurzfristige Papiere liegen bei 0,2 Prozent, und solange die Börsianer daran glauben, dass es die Fed ernst meint, kann es durchaus sein, dass diese gar nicht erst weiter eingreifen muss. Nur wenn der Markt plötzlich weniger Treasuries kaufen würde – und die Kurse fielen –, müsste die Notenbank zukaufen, um die Renditen stabil zu halten.
Kurzum: Für Kleininvestoren, die US-Staatspapiere im Portfolio haben, ändert die Ankündigung gar nicht so viel.
Auswirkungen auf den Dollar
Allerdings, und das ist für europäische Anleger ein wichtiger Punkt: Sollte die Fed die Renditen in der
Tat offiziell vorgeben und dabei möglicherweise sogar fünfjährige Papiere miteinbeziehen, würde sich das auf den Dollar auswirken.
In der Theorie sollte der Greenback an Wert verlieren, weil Kapital im Normalfall in jene Märkte fließt, in denen Zinsen zu holen sind. Wenn der Euro im Vergleich zum Dollar zulegt, muss ein österreichischer Anleger, der in den USA investiert ist, einen Wechselkursverlust verbuchen. Freilich: Ein Absturz des Dollars wäre nicht garantiert. Börsianer könnten die Renditekontrolle durch die Fed auch als
Alarmsignal interpretieren, erst recht in die US-Währung als sicheren Hafen fliehen und beispielsweise zehnjährige Papiere kaufen. Von noch größerer Bedeutung sind vielleicht ohnehin die Auswirkungen der Fed-Ideen auf die globalen Aktienmärkte. Die Nachricht Powells ist klar: Egal, was kommt, wir werden einen Absturz verhindern, auch wenn wir unser Mandat dabei noch so weitläufig interpretieren müssen. Die Tatsache, dass die Fed Firmenanleihen kauft, ist ein gutes Beispiel. Das Volumen ist mit 1,5 Milliarden Dollar im Mai zwar gering, es geht aber um das Signal. Nicht umsonst vergleichen viele die aktuelle Fed-Politik mit jener des damaligen EZB-Chefs Mario Draghi, der 2012 mit seinen Worten „Whatever it Takes“das Ende des Euro verhindert haben könnte.
Weiterhin Party?
Als Aktienbesitzer kann man die Aktionen der Fed deshalb auch als positive Nachricht sehen. Natürlich sind die Bewertungen, vor allem in den USA, fast schon obszön hoch. Und doch könnte die US-Notenbank dafür sorgen, dass die Party noch weitergeht. Beschränkt sie die Renditen auf Staatspapiere, könnte noch mehr Geld in den Aktienmarkt fließen. Das heißt keineswegs, dass im derzeitigen Umfeld keine Vorsicht geboten ist. Der Bargeldanteil sollte wohl etwas höher als sonst sein, um im Fall der Fälle nachkaufen zu können. Aber wer daran glaubt, dass die Fed weiterhin Gewehr bei Fuß steht, braucht zumindest nicht in Panik zu verkaufen.