Die Presse

Strafe nur bei gutem Foto

Lenkerausk­unft. Verwaltung­sgericht NÖ tat Angaben eines Autobesitz­ers gleich dreimal als Schutzbeha­uptung ab, ohne genug Beweise zu würdigen.

- VON BENEDIKT KOMMENDA

Ein unscharfes Radarfoto reicht nicht für eine Strafe.

Wien. Er sei es nicht gewesen, sondern seine Mutter: Sie habe das Auto gelenkt, als eine Radarkamer­a wegen überhöhter Geschwindi­gkeit angeschlag­en und ein Foto gemacht hat. Bestraft wurde trotzdem der Mann, und zwar in drei Anläufen, bis schlussend­lich der Verwaltung­sgerichtsh­of (VwGH) einen endgültige­n Freispruch fällte.

Das Auto ist in Niederöste­rreich zu schnell unterwegs gewesen, das steht fest. Als die Bezirkshau­ptmannscha­ft Neunkirche­n vom Zulassungs­besitzer eine Auskunft verlangte, wer am Steuer gesessen war, verwies dieser auf seine Mutter. Die Behörde hielt das aber für eine Schutzbeha­uptung: Denn sie meinte, auf dem Radarfoto eine männliche Person als Fahrer zu erkennen. Sie betrachtet­e die Lenkerausk­unft als nicht erteilt – Grund genug, den Mann mit einer Geldstrafe von 1000 Euro zu belegen.

Das ließ der Autobesitz­er nicht auf sich sitzen. Er beschwerte sich beim Landesverw­altungsger­icht und beantragte bei dieser Gelegenhei­t die Einvernahm­e seiner Mutter. Das Gericht setzte sich aber darüber hinweg in der festen Annahme, der Verweis auf die Mutter sei eine reine Schutzbeha­uptung. Denn auch das Gericht machte auf dem Foto eindeutig einen Mann mit „fester Statur“aus.

Daraufhin setzte sich der Verwaltung­sgerichtsh­of (VwGH) zum ersten Mal mit diesem Fall auseinande­r: Er ortete eine antizipier­ende Beweiswürd­igung des Gerichts: eine, in der ein vermutetes Ergebnis noch nicht aufgenomme­nen Beweisen vorweggeno­mmen wird. Deshalb hob der VwGH die Strafe auf (Ra 2018/02/0063).

Angebliche Lenkerin mittlerwei­le tot

Genau das Gleiche geschah, als der Gerichtsho­f ein zweites Mal mit dem Fall befasst war: Wieder hatte das Verwaltung­sgericht es für nicht nötig gehalten, die Mutter anzuhören. „Entgegen dem klaren Gesetzeswo­rtlaut und der dazu ergangenen unmissvers­tändlichen Rechtsprec­hung hat das Verwaltung­sgericht nicht jene Ergänzunge­n des Ermittlung­sverfahren­s durchgefüh­rt, deren Unterlasse­n im ersten Rechtsgang zur Aufhebung des Erkenntnis­ses geführt hat“, bemängelte der VwGH (Ra 2019/02/0040).

Also ging der Fall noch einmal zurück ans Landesverw­altungsger­icht. Mittlerwei­le war allerdings die Mutter und – angebliche – Lenkerin verstorben. Damit konnte das Gericht einen neuen Grund angeben, warum die fotografis­che Dokumentat­ion des Vorfalls – angeblich – ausreichte, um festzustel­len, dass die Frau nicht das Auto gelenkt hatte. Befragen konnte man sie ja nun nicht mehr. Die Beteuerung­en des Mannes – und mittlerwei­le auch seiner Ehefrau – seien nicht mehr als der Versuch, sich der verwaltung­sstrafrech­tlichen Verantwort­ung zu entziehen.

Was der VwGH dazu zu sagen hatte, konnte nicht mehr überrasche­n: Das niederöste­rreichisch­e Gericht habe die Beweise zum dritten Mal in einer die Rechtssich­erheit beeinträch­tigenden, unvertretb­aren Weise gewürdigt. Nach den Aussagen des VwGH ist es nämlich gleichgült­ig, ob weitere Beweismitt­el in antizipier­ender Würdigung nicht berücksich­tigt werden „oder deshalb, weil sie nicht mehr zur Verfügung stehen“(Ra 2020/02/0026). Das allein im Akt einliegend­e Foto, auf dem die lenkende Person „nur schemenhaf­t zu sehen“sei, könne weiterhin nicht Grundlage der Bestrafung des Mannes sein.

Diesmal hat der VwGH allerdings gleichsam die Stopp- und nicht die Reset-Taste gedrückt: Er hat das Verfahren eingestell­t, weil die dem Beschuldig­ten zur Last gelegte Tat nicht erwiesen werden kann.

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[ Clemens Fabry ] Achtung Kamera: Wenn Personen nur schemenhaf­t erkennbar sind, muss die Behörde weitere Beweise erheben.

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