Wirecard: Suche nach 1,9 Milliarden
Betrug. Die erste Spur bei der Suche nach dem verlorenen Geld des deutschen Zahlungsanbieters Wirecard führt auf die Philippinen. Doch dort weiß man von nichts.
Wien. Die in der Bilanz des deutschen Zahlungsabwicklers Wirecard fehlenden 1,9 Mrd. Euro befinden sich nach Angaben der philippinischen Zentralbank nicht in dem Land. „Der erste Bericht besagt, dass kein Geld auf die Philippinen gelangt ist“, erklärte Benjamin Diokno, Präsident der Bangko Sentral ng Pilipinas. Die Zentralbank untersuche den Fall weiter.
Am Freitag hatten zwei philippinische Banken dementiert, dass Wirecard Konten bei ihnen unterhalte. „Wirecard ist kein Kunde von uns“, hatten die BDO Unibank und die Bank of the Philippine Islands (BPI) erklärt. Dokumente, die externe Prüfer von Wirecard vorgelegt hätten, seien gefälscht, teilte BPI mit. BDO erklärte, Papiere, die ein Konto von Wirecard bei der Bank bestätigen sollten, trügen gefälschte Unterschriften von Bankenvertretern. Die Namen der zwei größten Finanzhäuser des Landes würden benutzt, um die „Spur der Täter zu verwischen“, so die philippinische Zentralbank.
Wirecard hatte vergangenen Donnerstag die Veröffentlichung des lang erwarteten Jahresabschlusses 2019 zum vierten Mal verschoben – mit der Begründung, dass der Abschlussprüfer EY keine Hinweise auf die Existenz von Guthaben über 1,9 Mrd. Euro gefunden hat. Der Betrag entspricht rund einem Viertel der Bilanzsumme.
Neuer Chef: Betrugsbekämpfer
Entscheidend für die Zukunft des Unternehmens wird sein, ob die Banken Wirecard den Geldhahn zudrehen und von der Möglichkeit Gebrauch machen, Kredite von zwei Milliarden Euro zu kündigen. Wirecard machte den Anlegern Hoffnung: Das Unternehmen befinde sich in „konstruktiven Gesprächen“mit seinen Banken.
Die Kreditinstitute wären laut Wirecard zur Kündigung berechtigt, wenn das Unternehmen keinen testierten Jahresabschluss vorlegt. Nach einer Schätzung der USBank Morgan Stanley würde Wirecard nur noch über liquide Mittel von rund 220 Millionen Euro verfügen, falls diese Kreditlinien verloren gehen.
Die Mitteilungen zum Chefwechsel und den Verhandlungen mit den Banken stoppten den Fall der Wirecard-Aktie. Vorstandschef Markus Braun hat seinen Posten mit sofortiger Wirkung geräumt. In einer persönlichen Erklärung schrieb Braun an Mitarbeiter und Aktionäre, er sei aus eigenem Antrieb zurückgetreten.
Braun führte das Unternehmen seit 2002 und war die dominante Figur. Er war schon 2019 unter massiven Druck geraten – ihm wurde mangelnde Information und schlechtes Krisenmanagement vorgeworfen. Der neue interimistische Vorstandschef James Freis hingegen ist unbelastet von der Vergangenheit. Zuletzt war der 49-Jährige bei der Deutschen Börse für die Compliance verantwortet. Zudem war Freis von 2007 bis 2012 Chef der Einheit zur Bekämpfung der Finanzkriminalität im USFinanzministerium. (APA/koka)