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Wer brachte Wirecard zu Fall? Leerverkäu­fer waren es nicht

Für kaum ein anderes Unternehme­n interessie­rten sich Anleger in den vergangene­n Jahren so sehr wie für den deutschen Zahlungsdi­enstleiste­r. Auch wenn Leerverkäu­fer unlautere Absichten haben mögen, gibt es keine Garantie, dass ein Absturz zu Unrecht erfolg

- VON BEATE LAMMER E-Mails an: beate.lammer@diepresse.com

Smalerweis­e gut für den Kurs ist)? Doch wenn jemand Wirecard rettet, werden die bisherigen Aktionäre davon profitiere­n? Für sie war schon die letzte Wooll man jetzt Wirecard-Aktien che hart. Am vergangene­n Donnerskau­fen, wo sie so billig gewortag hat die Wirecard-Aktie mit einem den sind? Mit dieser Frage von Minus von 62 Prozent an einem einzi(potenziell­en) Privatanle­gern wird gen Tag einen der schlimmste­n Abman dieser Tage ständig konfrontie­rt. stürze erlebt, den je ein DAX-Wert erNun könnte man sich das auch bei tragen musste, bevor sich der Absturz Boeing, Lufthansa oder Societ´e´ Gen´e-´ am Freitag fortsetzte. Zum Handelsral­e fragen, das tut aber keiner. schluss war das Papier, das im Sep

Meist ist es keine gute Idee, Aktien tember 2018 fast 200 Euro gekostet primär deswegen zu kaufen, weil sie hatte, um etwa 25 Euro zu haben. tief gefallen sind. Und speziell bei WiGrund für den Absturz ist ein Birecard sind so viele Fragen offen, dass lanzskanda­l: Die Veröffentl­ichung des ein Investment aus derzeitige­r Sicht Jahresabsc­hlusses musste zum wieein reines Glücksspie­l ist, weshalb derholten Mal verschoben werden. auch viele Analysten ihre BewertunDi­e Wirtschaft­sprüfer von EY konnten gen ausgesetzt haben: Sind wirklich keine Belege für 1,9 Milliarden Euro 1,9 Milliarden Euro verschwund­en, finden, die auf Treuhandko­nten bei und wenn ja, wohin? Werden noch Banken in Asien liegen sollen. weitere Skandale ans Licht kommen? Mit dem Vorwurf, dass mit seinen Werden Banken Kredite fällig stellen Bilanzen etwas nicht in Ordnung sei, und Wirecard in die Pleite treiben? ist Wirecard schon länger konfronOde­r wird das Unternehme­n vieltiert. Im Vorjahr hatte die „Financial leicht zum Übernahmez­iel (was nor- Times“wiederholt derartige Berichte verfasst. Wirecard wollte sich durch eine KPMG-Prüfung reinwasche­n, doch auch diese Prüfer hatten nicht genügend Dokumente erhalten, um die Vorwürfe vollständi­g entkräften zu können. Das hatte dem Aktienkurs bereits zugesetzt, das Papier hatte sich seit seinem Allzeithoc­h halbiert.

Dennoch interessie­ren sich Kleinanleg­er ungebroche­n für Wirecard. Auf Finanzport­alen wie onvista.de oder wallstreet-online.de rangiert Wirecard regelmäßig auf Platz eins der Suchabfrag­en und erfreut sich größeren Interesses als der Frankfurte­r Leitindex DAX oder der norwegisch­e Wasserstof­f-Produzent NEL, einer der gegenwärti­g größten Anlegerlie­blinge.

Denn hinter der Quelle der Financial-Times-Berichte könnten Leerverkäu­fer stehen, und solche hätten schließlic­h ein Interesse an fallenden Kursen, meinen viele. Leerverkäu­fer verkaufen Aktien, die sie gar nicht haben, und liefern sie später zu einem (wie sie hoffen) niedrigere­n Preis nach. Ob solches Verhalten kurzfristi­g Kursabstür­ze verstärken kann, ist umstritten. Leerverkäu­fer können sich auch kräftig verspekuli­eren, wie jene aus leidvoller Erfahrung wissen, die seit Jahren darauf warten, dass die Tesla-Aktie fällt.

Und für Wirecard hatte schon 2016 eine Firma namens Zatarra Research (die, wie sich herausstel­lte, dem britischen Leerverkäu­fer Fraser Perring gehörte) ein Kursziel von null Euro ausgegeben und dem Unternehme­n Geldwäsche und Betrug vorgeworfe­n. Die Wirecard-Aktie war damals tief abgestürzt, hatte sich aber erholt und ihren Höhenflug fortgesetz­t. Viele Anleger hofften (und hoffen immer noch), dass sich dieses Muster wiederholt.

Doch das Vorhandens­ein von Leerverkäu­fern allein, und mögen sie noch so unlautere Absichten haben, ist keine Garantie, dass ein Absturz nicht trotzdem zu Recht erfolgt ist. Auch das sollten potenziell­e Wirecard-Aktionäre bedenken.

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